Senses working overtime

Fernab jeder Retro-Welle bringt Adam Reisbecks Soloprojekt Sense sogar die guten alten Synthie-Streicher wieder zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe - und der zahlreicher anderer elektronischer Sounds - gelang ihm ein Album voll ätherischer Klänge, für die man sich nicht genieren muß.

Mit Sorgfalt und Bedacht veröffentlicht das britische Label Neo Ouija von Zeit zu Zeit großartige, zeitgenössische Electronica. Künstler wie Accelera Deck, Bauri, Clatterbox, Geiom und - nicht zu vergessen - die phantastischen Metamatics haben unter Label-Chef Lee Norris´ Fittichen eine Plattform für ihre Veröffentlichungen gefunden. Nicht Auflage, sondern Qualität entscheidet, und das will heutzutage etwas heißen.

"A View From A Vulnerable Place" ist das Debütalbum von Adam Reisbeck alias Sense für Neo Ouija. Der gebürtige Melbourner arbeitete bisher für hierzulande gänzlich unbekannte Labels wie Merck and Aural Industries (auf dem demnächst seine "Fourier Tansformations"-EP erscheinen soll), remixte Lacklusters "R U Oho?"-12-Inch für das Londoner Label De-Focus und vergaß trotz seiner exzessiven Arbeitswut auch nicht, seine Homepage regelmäßig upzudaten. Lag Reisbecks Hauptaugenmerk früher einmal irgendwo mitten in der australischen Techno-Szene, wurde ihm der ewiggleiche Einheitsbrei bald langweilig, und so beschloß er eines Tages, eine viel persönlichere Stimmungsmusik zu entwickeln und zu komponieren, was ihm selbst am besten gefällt.

Eines gleich vorweg: "A View From A Vulnerable Place" paßt so nahtlos in das Neo-Ouija-Gesamtprogramm, daß man annehmen könnte, Geiom oder die Metamatics hätten hier die Hände im Spiel gehabt. Dem ist aber nicht so. Spätestens nach dem Hören der ersten Seite stellt sich heraus, daß die "Roots" des Musikers - wie bei den meisten anderen Künstlern des Labels - bei der legendären "Black Dog & High Intelligence Series" (Warp 1992-94) liegen; doch Sense ist auch für Einflüsse aktuellerer Sound-Tüftler offen.

Irgendwo zwischen Arovane ("Atol Scrap") und Yunx Productions ("The Duckie Dickie Bird"-EP), mit feiner Rhythmik, die vielleicht auch ein wenig an Lucky & Easy und ihr "I Would Do Anything For A Dairylea" erinnert, geistert Sense einmal leichtfüßig, dann wieder nachdenklich dahin, ohne je ins Plakative abzudriften. Hier ist alles in Bewegung. Wenn sich die Wavetables heben und senken, bilden sich immer wieder gar schöne klassische Melodiebögen, die über den rhythmischen Gebilden aus soften Bassdrums, "snappy clicks" und pulsierenden Hooklines schweben. Ja, wir reden hier über hochaufgelöste ätherische Musik, die man, um sie gänzlich zu verstehen, wohl selbst gehört haben muß. Endlich traut sich wieder einmal jemand, längst in Vergessenheit geratene Synthie-Streicher einzusetzen - sehr gut!

"Sense" bedeutet ja nicht umsonst auch "Sensibilität". Stilsicher arrangiert und ausgestattet mit einem knusprigen Sound-Fundus, vermag Adam Reisbeck, so wie seine Genrekollegen, aus ganz wenig besonders viel zu machen. "A View From A Vulnerable Place" ist moderne Stimmungsmusik vom Feinsten, bescheiden und unaufdringlich. Die zehn Songs der CD (oder wahlweise Doppel-LP) sind sehr ausführlich; statt Langeweile macht sich allerorten pure Verzückung breit. Genau das, was wir zur Zeit hören wollen. Besondere Empfehlung!

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