Jorge Luis Borges´ Schatten

Bereits mit seinem Erstling, "Im Land der Venus", machte Federico Andahazi weltweit Furore. Der Skandal und die künstliche Aufregung um die erotischen Bezüge des Buchs hatten daran einen gewissen Anteil. Mit "Lord Byrons Schatten" knüpft der argentinische Autor an das erfolgversprechende Muster an.

Nach eigener Aussage stand Andahazi lange Zeit unter dem lähmenden Einfluß eines übermächtigen Vorbilds: Er gehört einer argentinischen Autorengeneration an, die im Schatten von Borges steht, weil sie der Meinung ist, es sei unmöglich, besser zu schreiben als der Altmeister. Mittlerweile hat sich der Autor von dieser Last befreit. Der Leser bemerkt es mit Wohlgefallen: Der neue Roman wirkt, als sei hier frech und flüssig drauflosgeschrieben worden. Er erfreut durch Bündigkeit, flotte Gliederung und mitreißenden Witz - allesamt journalistische Tugenden, die eigentlich auch einem Roman gut tun.

Rechtzeitig zum 150. Todestag Mary Shelleys wird hier nochmals jener denkwürdige Sommer 1816 am Genfer See aufgerollt, den u. a. Ken Russell in "Gothic" filmisch umgesetzt hat. Die Akteure: Mary und Percy Bysshe Shelley, Marys Stiefschwester Claire Clairmont, Lord Byron sowie dessen Sekretär William Polidori. Das Produkt der unter Laudanum-Einfluß verbrachten Sommerfrische: "Frankenstein" aus Mary Shelleys Feder und die erste uns bekannte Vampirerzählung, verfaßt vom Arzt Polidori. Letzterer steht im Mittelpunkt des Buchs.

Das Handlungskonstrukt ist abstrus, aber unterhaltsam: Die Erzählung "The Vampyre" entstamme nicht der Feder Polidoris - so erfährt der Leser -, sondern sei das Produkt eines Teratoms, eines mißlungenen und verkümmerten Zwillings von der "Gestalt eines nahezu anthropomorphen Reptils, eines winzigen Wesens mit glitschigen Schuppen, aus deren Zwischenräumen zottiges Fell wucherte". Als Gegenleistung verlangt das Wesen von jenem Elixier, das dem gestandenen Mannsbild bei entsprechender Handhabung aus der Lende fließt. Davon - so heißt es - nährt sich das Biest.

Neben einem überraschenden Ende enthält der Roman Szenen von geradezu burleskem Humor. Die Kritik hat Andahazi mit Patrick Süßkind verglichen. Nach der Lektüre dieses Buchs muß man sagen: nicht ganz zu unrecht.

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Über den Autor:
Federico Andahazi wurde 1963 in Buenos Aires geboren. Er ist der Abkömmling einer vor den Nazis geflohenen Familie aus dem ungarischen Hochadel. Er arbeitete zunächst als Psychotherapeut, begann jedoch sehr bald mit ersten literarischen Versuchen. Sein Romanerstling "Im Land der Venus", der als historischer Roman ein Sittenbild des 16. Jahrhunderts skizziert, löste in Argentinien einen Skandal aus.