"Substrata/Man With a Movie Camera", das von vielen mit nicht geringer Spannung erwartete Nachfolgewerk Geir Jensens für Touch Records, erfreut zunächst das Auge: Schlichter hätte Stardesigner Jon Wozencroft gar nicht an die Sache herangehen können. Anscheinend ist auch er einer der vielen Zentraleuropäer, die gern Urlaubsdias schießen...
Das Papier-Digipack enthüllt beim Öffnen zwei Silberscheiben, wobei zunächst die zweite CD des Doppelalbums interessiert: "Man With a Movie Camera", Geir Jensens neu erschaffener Soundtrack zu einem fast vergessenen russischen Stummfilm von Dziga Vertov (1929). Der so vertonte Film wurde 1996 beim "Troms International Film Festival" uraufgeführt. Was wir auf der Platte zu hören bekommen, sind Soundtrack-Ambience in höchster Auflösung, spürbare Hallräume ohne Ende und High-Tech-Samples, die einfach klassisch und genial sind. Jensens Ideenreichtum scheint schier endlos, und dennoch gilt die Devise: Ruhe, Ruhe, Ruhe. Danach folgen die "Japanese tracks", die bislang nur den Japan-Export-CDs vorbehalten waren, und zwar als Bonustracks von "Substrata", das 1997 regulär auf Biophon Records - Jensens eigenem Hauslabel - erschienen war. In der 2001er-Edition von Touch Records ist das Album als CD Nummer 1 gereiht.
Auf "Substrata" erwartet selbst den Eno-Geeichtesten, den italienischen Dark-Ambient-Erprobtesten (Alio Die, Vidna Obmana, Five Thousands Spirits), wie auch den begeistertsten Lustmord-Fanatiker genau das, von dem er immer schon wußte, daß es sowas einfach geben muß: der totale Chillout.
Überhaupt scheint das sogenannte nordische Element in den letzten Jahren einen Siegeszug angetreten zu haben. Die Presse verhält sich wie immer bei solchen Trends - ein deutlicher Schwerpunkt über Berichte zum Thema "nördlicher Polarkreis" war zu verzeichnen. Als Rezensent kann man zwar nicht hundertprozentig bestätigten, daß das melancholische, nordische Element, die Isolation, das "Weit-entfernt-sein" bei den Soundscapes von Biosphere am besten zu Tage tritt. Da denkt man dann doch eher an das Album "North" von Hazard oder - unvergessen - Hilmar Örn Hilmarssons Filmmusik "Children of Nature" (alle auf Touch Records).
Doch es sind trotzdem Lebenzeichen aus einer gefrorenen Welt, die man hier zu hören bekommt - zeitgemäß und spacey. Kaum ein anderer kann Klangmaterial spannender ineinander verweben, mal abgesehen von solchen Größen wie Marc van Hoen/Locust, Paul Schütze oder Lagovski alias S.E.T.I. selbst.
Die Vision ist also nicht übertrieben: klare, eisige Luft überall, vorbeitreibende Eisschollen; es dampft, wenn man ausatmet. Am Horizont erkennt man die Wölbung des Planeten. Und wenn die Sonne im Westen untergeht, erstrahlt das Firmament von unten. Das schöne an Biospheres Ambience ist, daß sie immer funktioniert. Egal, wo und wann Mr. Jensen live spielt - er verwandelt jeden noch so heißen Veranstaltungskessel (von manchen auch Clubbing genannt) in einen Eiskasten! Nordisch gut! Unbedingt antesten!
Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.
|