"Zoom" ist das erste Album des Electric Light Orchestra seit 15 Jahren. Leider hat Bandleader Jeff Lynne, der im letzten Jahrzehnt mit ein paar belanglosen Soloalben nicht aufgefallen ist, nichts anderes getan, als alte ELO-Platten zu kopieren. Und das auch noch recht leidenschafts- und erfolglos.
Die dunkle Seite der Macht ... musikalisch gesehen sind das peinliche Tracks aus verschüttgegangenen Jahren, die uns auf irgendeine Art nie verlassen, obwohl wir sie verleugnen, wo wir nur können. Nur wirklich gute Freunde dürfen einen Blick auf die seit Jahren konservierten ABBA-Platten werfen. Daß Sie sich hin und wieder "A Good Heart" von Feargal Sharkey reinziehen, weiß ohnehin schon der ganze Häuserblock (die Nummer kommt nur dann wirklich gut, wenn Sie eine Autobahn übertönt); oder manchmal auch "Seasons in the Sun" von Terry Jacks, jedem zu empfehlen, der lang nicht trübsinnig war. Daß Kenny ("The Bump") und Suzi "The Wild One" Quatro in keiner ordentlichen Peinlichkeitensammlung fehlen dürfen, versteht sich ohnehin von selbst; und wenn man einen guten Freund mit Gilla ("Tu es!") erwischt, sollte man nur lieb dreinschauen und sich eigener Schandtaten erinnern (und tröstend einen Adriano Celentano trällern).
Eine meiner musikalischen Dunkelzonen ist das Electric Light Orchestra. Als ich sechzehn oder siebzehn war, drückte mir ein Schulfreund das "Out of the Blue"-Album (1977) von ELO in die Hand; und als Draufgabe auch noch "Never Mind the Bollocks - Here's the Sex Pistols" (1977). Beide Platten hörte ich ein paarmal durch, aber so richtig beeindruckt war ich von keiner: weder von Punk-Apostel Rotten (zwar gut zum Mitsingen, aber irgendwie zu wenig melodiös für meinen Fahrstuhl-Musikgeschmack), noch von der Lynne-Formation, die damals noch ein bißchen rockiger und mit weniger Studiotechnik daherkam als bei den nachfolgenden Alben. "Roll Over Beethoven", Lynnes angeblicher Geniestreich, war nie mein Favorit. Ich hielt (und halte) die Nummer für ziemlich durchschnittlich. Ein Hit wurde sie, weil es zum Zeitpunkt der Single-Auskopplung nichts besseres in den Charts gab.
Mein peinlicher Darling wurde ELO erst, als Jeff Lynne so richtig auf die Kommerztrommel einzuprügeln begann und "Twilight" und "Hold on Tight" (beide auf "Time", 1981) oder "Rock´n´Roll Is King" (auf "Secret Messages", 1983) in wehrloses Vinyl stanzte. Vergängliche Titel, nur von einer aufgeblähten Instrumentierung und einer exzellenten Tonmischung getragen - also im Moment ihrer Veröffentlichung irgendwie gut; die seither vergangene Zeit hat die Nummern aber blaß werden lassen wie die Erinnerung an eine vergangene Geliebte. Trotzdem steht "Don´t Bring Me Down" (auf "Discovery", 1979) noch immer ganz oben auf meiner Peinlich-Playlist; und auch der "Extended Remix" von Jeff Lynnes Solo-Konzeptalbum "War of the Worlds" aus den späten 80ern klingt immer noch gut im Ohr.
"Zoom" hätte sich Lynne allerdings sparen können. Ohne diese CD wäre die ELO-Legende vielleicht ein bißchen glanzvoller geblieben; so hat Lynne aber nur demonstriert, daß gute Musik ein Glücksfall ist und nicht nach 15 Jahre alten Konzepten reproduziert werden kann. Der Sound tröpfelt ohne große Ausfallschritte dahin, und irgendwie entsteht spätestens beim dritten Track ("State of Mind") der Eindruck, daß man eine B-Seiten-Kollektion vor sich hat, die erst vorige Woche im Radio rauf- und runtergespielt wurde. Schade, denn Jeff Lynne wäre ein eindrucksvolles Pop-Album durchaus zuzutrauen gewesen - bei "Zoom" ist hingegen musikalisch nichts Neues hinzugekommen.
Handwerklich zwar immer noch auf der Höhe, kann von einer Auferstehung nicht die Rede sein; kein Phönix aus der Asche. Nach 15 Jahren Pause ist "Zoom" ein Armutszeugnis: Jeff Lynne versucht ELO zu kopieren. Das funktioniert nicht; es gibt keine originellen Einfälle, keine musikalischen Übergriffe, gar nichts, was akustisch glücklich machen könnte und kein bißchen von der liebevollen Peinlichkeit der Vergangenheit. Auf "Zoom" findet sich kein Track, den wir so richtig mögen und ins Herz schließen - weder öffentlich noch heimlich.
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