Am Anfang war das Wort

"39,90" heißt das neue Büchlein von Frédéric Beigbeder, und genau das kostet es auch (in DM). Die Geschichte der Werbung muß neu geschrieben werden. Gott höchstpersönlich war der erste Texter, so Octave, ein hochbezahlter Angestellter einer großen Werbeagentur, der ein Buch mit dem Ziel schreibt, aus der Branche zu fliegen.

Es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen. Für alle anderen gibt es Eurocard. Liebe? Als Stammgast in Pariser Freudenhäusern hat Octave Parango am eigenen Leib erfahren, daß Liebe oder das, was er dafür hält, sehr wohl käuflich ist. Vergessen? Koks ist zwar nicht billig, aber für jemanden, der mit 10.000 bis 30.000 Euro monatlich sein Auskommen finden muß, ist die eine oder andere Line durchaus drin. Glück? Glück, scheint es, ist nicht käuflich. Überdosis und Selbstmord gehören zur Branche wie das tägliche Fellatio. Aber Irrtum: Nestlé hat das Copyright für das Glück erworben. Das Glück gehört einer Lebensmittelfirma.

Wer Frédéric Beigbeder als Chronisten der Partyszene und als Novellisten unter Ecstasy-Einfluß kennt, der lernt hier einen anderen Beigbeder kennen: einen nachdenklichen und zuweilen bitteren Intellektuellen, der Michel Houellebecq verpflichtet ist. Dieser hat das Buch auch angeregt und damit mittelbar für eine öffentliche Erregung gesorgt, die von Frankreich nach Deutschland und Österreich geschwappt ist.

Ganz nebenbei hat der Autor auch sein erklärtes Ziel erreicht: Die Werbeagentur, für die er arbeitete, hat ihm einen Arschtritt verpaßt. Beigbeder sitzt auf der Straße und scheffelt seine Millionen nun ausschließlich mit Bestsellern. Dabei hat ihm der freie Buchhandel schon ins Haschee gespuckt: Bei Amazon Frankreich ist "99 F" (so der Originaltitel) um 94,06 Francs zu haben.

Für den Protagonisten Octave geht die Sache nicht ganz so glimpflich aus. Anstatt wunschgemäß rauszufliegen, wird er zum "Creative Director" ernannt, assistiert bei einem kleinen Totschlag unter Kokseinfluß und landet nach einem Zwischenaufenthalt in der Nervenheilanstalt schließlich für zehn Jahre im Knast. Dazwischen liegen Probleme mit Magerjoghurt und fruchtbaren Weibern, Suizide und Onanieexzesse sowie jede Menge "Claims", "Baselines" und Last-Minute-Mist. Als Motto könnte man dem Buch einen Satz von Charles Péguy voranstellen: "In der modernen Welt ist jeder unglücklich." Vielleicht auch einen Slogan: "Sind sie zu stark, bist du zu schwach."

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Über den Autor:
Frédéric Beigbeder wurde 1965 in Neuilly sur Seine geboren, studierte Politologie und lebt als Kritiker und Schriftsteller in Paris. Außerdem war er zehn Jahre lang als Texter in der Werbebranche tätig. Zum Schluß arbeitete er für eine Agentur, die sich seiner aufgrund des hier besprochenen Schlüsselromans entledigte.