Rauhe Schale, weicher Kern

Das Duo Funkstörung aus dem oberbayrischen Städtchen Rosenheim zählt derzeit zu den gefragtesten Remixern der deutschen Elektronik-Szene: Björk, S´Apex, Tocotronic, Jean Michel Jarre und der Wu-Tang Clan standen unter anderem schon auf ihrer Auftragsliste. Mit "Appetite For Disctruction" ist nun ihr erstes eigenes Album erschienen.

Disctruction? Destruction? Oder gar Deconstruction? Das Wortspiel (in Anlehnung an den Titel einer Guns ´N´´Roses-Platte) habe, so erklären Michael Fakesch und Chris De Luca, keine tiefere Bedeutung. Dabei läßt sich ohne große Umwege eine Verbindung zum musikalischen Inhalt herstellen: Funkstörung dekonstruieren das Pop-Prinzip. In ihrer Tätigkeit als Remixer zersplitterten sie Björk, jagten den Wu-Tang Clan durch den digitalen Fleischwolf, walzten Jean Michel Jarre platt und zerstörten die Originalkompositionen bis zur Unkenntlichkeit. Ihre Art der Neuinterpretation war insofern bemerkenswert, als sie mit dem immer noch weit verbreiteten Irrtum aufräumte, daß Remixes bloß leicht wiedererkennbare Variationen des Ausgangsmaterials zu sein hätten. In der Arbeit von Funkstörung jedoch wurden konsequent alle vorhandenen Strukturen gebrochen und auseinandergepflückt, um sich schließlich in einer gänzlich neuen Form wiederzufinden.

"Trotz unserer Herangehensweise sehen wir uns eher als Musiker denn als Sound-Designer", meint Michael Fakesch. "Sound-Designer klingt sehr theoretisch und mathematisch - ich denke da immer an Leute, die nur im Studio hocken und sich verkrampft darum bemühen, superkomplizierte Effekte zu programmieren. Unsere Musik klingt deshalb so komplex, weil wir einfach viel Spaß daran haben, ausgefeilte Arrangements zu machen." In den Kunst-Kontext gestellt zu werden, mit dem einige ihrer Mitstreiter aus dem weiten Feld experimenteller Elektronik liebäugeln, bereitet den beiden eher Unbehagen - obwohl das Artifizielle, Verschrobene ein wesentliches Merkmal des Sounds von Funkstörung ist. Selten zuvor wurde die Kultivierung von Krach und Störgeräuschen mit soviel Leidenschaft und Leichtigkeit exerziert wie auf "Appetite For Disctruction". Ganz locker wird der Bogen von instrumentalen Tracks über Hi-Tech-Pop (mit den Gastvokalistinnen Carin und Greenwood) bis hin zu digitalem SciFi-HipHop (mit MC Triple H) gespannt - ein stilsicheres Spiel mit verschiedenen Elementen.

Unter der rauhen Oberfläche der Stücke gibt es immer wieder Momente von zeitloser Eleganz und gespenstischer Schönheit, die den Hörer für einen Augenblick in trügerischer Sicherheit wiegen, um gleich darauf in sich zusammenzustürzen. Für ungeübte Ohren sind Funkstörung nicht gerade leicht verdaulich, klingen oft sperrig und schräg. Dennoch hat ihre Taktik, das durchgehende Zerstören von Strukturen und die komplexe Verflechtung loser Beats, gerade im Angesicht einer geschniegelten, hochglanzpolierten Invasion von gesichtslosem Mainstream-Pop immer noch ihren Reiz. Auch wenn es letztlich nur darum geht, ähnliche Ziele auf verschiedenen Wegen zu erreichen.

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