Manchmal kommen sie wieder...

Wie ein Zombie steht 2Pac drei Jahre nach seinem Tod mit "Still I Rise" aus dem Grabe auf, um der HipHop-Szene zu zeigen, woraus echte Rapper gemacht sind.

Popstars sind unsterblich. Es ist egal, ob man seit Jahren nichts von ihnen gehört hat oder sie gar verstorben sind - sollten sie jemals auch nur einen größeren Hit produziert haben, dann werden sie in die unermüdliche Vermarktungsmaschinerie der Unterhaltungsbranche eingespannt, die jeden Zeitbegriff transzendiert: gestern ist heute (da die Jahrzehnte ohnehin in immer kürzeren Abständen recycelt werden), und morgen wird (dank Sampling, Hitradio und der x-ten "Greatest Hits"-Compilation) genauso sein wie gestern. Kein Wunder, daß Elvis in den Jahrzehnten nach seinem Tod mehr Tonträger verkauft hat als zu Lebzeiten; das meiste Geld dafür kassierten ja auch damals schon andere...

Tote Musiker kann man problemloser zu Kultfiguren aufbauen als lebendige - man denke nur an Jimi Hendrix, Janis Joplin, Kurt Cobain oder HipHop-Helden wie Tupac Shakur. Letzterer fiel vor über drei Jahren einer Schießerei im damals massenmedial heftig gehypten Eastcoast/Westcoast-Krieg zum Opfer und wurde anschließend von seiner Plattenfirma zum Heiligen hochstilisiert. Anstelle des Gangbanger-Images, das er einst mit sich herumschleppte, wird 2Pac heute als intellektueller Philosoph der Ghetto-Szene und zugleich als Identifikationsfigur für die rebellische Jugend verkauft (was ja an sich schon ein Kunststück ist). Immer wieder entdeckt man irgendwo unveröffentlichte Raps, die auf den Markt geworfen werden können, während 2Pacs Mutter Afeni Shakur dazu angehalten wird, diese Release-Politik öffentlich gutzuheißen: so hat die Welt wenigstens Gelegenheit, das Gesamtwerk ihres Sohnes zu hören.

Wer derlei Geschäftsmethoden für unmoralisch oder gar für Leichenfledderei hält, sollte sich den Kauf von "Still I Rise" - einer CD, die 2Pac und der HipHop-Band Outlawz zugeordnet wird - ersparen (oder überhaupt aufhören, die Musikindustrie zu unterstützen). Wer es aber schafft, die Hintergrundgeschichte zu vergessen und einfach wieder einmal eine gute HipHop-Platte hören will, die sich von der mittlerweile lästigen Wu-Tang-Hektik angenehm abhebt, der kann getrost zugreifen. "Still I Rise" bringt alle der bereits vertrauten Homeboy-Klischees überzeugend zu Gehör, erfreut den weißen, in sozialem Frieden existierenden Europäer mit Lyrics wie "What you gonna when you get out of jail? I´m gonna buy me a gun" und ist auch vom Musikalischen her ein durchaus gepflegtes Stück Spätneunziger-Pop.

Und 2Pac sitzt wahrscheinlich ohnehin irgendwo in einer Villa im sonnigen Süden der USA (Verschwörungstheoretiker vermuten, daß er seinen Tod nur fingiert hat), nimmt in aller Ruhe neue Tracks auf, kümmert sich nicht mehr um den Gangsta-Kram und kassiert seine Tantiemen. Wir gönnen´s ihm.

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Liebe
(Anonym, 27.10.2004 12:55)