Ein Söldnertrio sucht die entführte Tochter eines Triadenbosses und legt sich dabei mit den Mächten der Finsternis an: "Fear Effect", eine Mischung aus Action-Adventure und Interactive-Movie im Manga-Stil, überzeugt trotz einiger Unausgereiftheiten.
Langsam bekommt das Computerspiel einen Fuß in die Tür der ernstzunehmenden Popkultur-Medien - obwohl derzeit maximal der kleine Zeh drinsteckt. Mit Filmen wie "Super Mario Bros.", "Mortal Kombat", "Pokémon" und "Tomb Raider - The Movie" (derzeit mit Angelina "Lippe" Jolie) in Arbeit, scheinen sich zwar nicht die anspruchsvollsten, dafür aber die erfolgreichsten Games massiv in den Mainstream auszubreiten.
Doch ein guter Film braucht eine gute Story, und die hatte bislang kein auf einem Game basierender Streifen. Sollte "Tomb Raider" je verfilmt werden, wird wahrscheinlich auch daraus übler Trash. Oder halten Sie das Konzept "leichtbekleidetes Busenwunder an archäologischen Stätten löst Rätsel, schiebt coole Sprüche und schießt alles über den Haufen, was sich bewegt" etwa für eine gute Story?
Daß es auch anders geht, zeigen Computerspiele von Zeit zu Zeit - wie etwa gerade jetzt die "Resident Evil"-Reihe (siehe Evolver-Rezension), die ebenfalls verfilmt werden soll. "Fear Effect", ein auf vier CDs ausgeliefertes Playstation-Adventure, verdient diesbezüglich auch einiges Lob. Es verwendet dasselbe Prinzip wie "Resident Evil" (dreidimensionale Spielwelt aus vorgerenderten Environments in wechselnden Kameraperspektiven), aber mit einem mehr in Richtung Kino gehenden Ansatz.
"Fear Effect" vereint die Genres Shooter, Sneaker, Adventure mit Rätselelementen/Levelboß-Kämpfen und Interactive Movie zu einem gelungenen Söldner/Gangster/Mystery/Horror-Abenteuer im Stil japanischer Erwachsenencomics. Erstaunlicherweise wartet das Game sogar mit unpeinlichen und machmal richtig guten Dialogen auf (trotz synchronisierter Sprachausgabe!!). Die Sci-Fi/Crime-Story, die sich zunehmend mit alter chinesischer Mythologie vermischt, ist zwar trashig, aber stilsicher und mit deftigen Splatter- und Schockelementen konsequent und genregerecht umgesetzt.
Die Hauptfiguren sind drei Söldner, die der Spieler abwechselnd steuert (wie nach Szenenwechseln in einem Kinofilm). Hauptheldin Hana ist eine maschinengewehrbewaffnete Kämpferin, deren abgebrühtes Äußeres einen weichen Kern verbirgt (lachen Sie nicht, das kommt relativ glaubwürdig rüber). Sie war einmal Nutte - diese Tatsache spielt im Verlauf der Story eine nicht unwesentliche Rolle. Geblieben sind davon nur ihr Hang zu enger Kleidung und ein Hinternwackeln, wie man es eher von Laufstegen gewohnt ist (jaja, die Japaner). Ihre Mitstreiter sind der Stehauf-Muskelmann Glas und der dicke Schnauzträger Deke. Die freuen sich, wenn Hana nur mit Handtuch verhüllt rumläuft, und reden dumm hinter ihrem Rücken, wenn das Mädel duscht.
Das Spiel läuft streckenweise ziemlich adrenalinlastig ab. In unübersichtlichen Gängen lauern Bewaffnete und fackeln nicht lange. Immer wieder gelangt man an Engpässe, wo man zigmal das Zeitliche segnet. Es folgt das "Laden des zuletzt gespeicherten Spielstands", das leider eine Spur zu lang dauert - und zwar so lang, bis man den richtigen Umgang mit der Szene gelernt hat. Die Kämpfe sind also wie Rätsel angelegt - mit relativ reduzierter, schnell durchschaubarer KI des Gegners, die immer den gleichen Abläufen folgt. Das kann ermüden.
Die tatsächlichen Rätsel in "Fear Effect" steigern sich konsequent im Schwierigkeitsgrad - CD 4 stellt schließlich Aufgaben, denen Ungeduldige besser per Walkthrough begegnen. Aber wer ein Spiel gern lang und ausgiebig genießt, sollte im "Hard"-Mode spielen und auf Walkthroughs verzichten - alles ist im Endeffekt lösbar.
Die Hintergrundgraphiken sind bestechend schön gelungen, und die etwas flacheren Figuren stören nicht, sondern schaffen einen charakteristischen Manga-Stil. Entwickler Kronos rühmt sich mit einer neuen Technologie, die "MotionFX" heißt und vorgerenderte Environments lebendig macht. Das kommt ziemlich gut, ist aber noch etwas unausgegoren. In den vorgerenderten Grafiken bewegt sich zwar überall etwas (einmal steigt Rauch auf oder wabert Nebel herum, ein anderes Mal schwenken chinesische Laternen im Wind, schließlich drehen sich Papierzylinder wie Uhrwerke gegeneinander), und das macht die Optik wirklich schön, aber es ruckelt jedesmal, wenn der entsprechende Loop zu Ende ist und von vorne anfängt; bisweilen kommt es auch zu Bildsprüngen.
Alles in allem sollte man sich als Freund brutaler, gruseliger Abenteuergames mit fortlaufender Story "Fear Effect" keinesfalls entgehen lassen. Manchmal nervt das Game zwar, doch es bleibt stets interessant genug, um nicht weggelegt zu werden.