Manchen, die sich einen "Moon Safari"-Aufguß gewünscht hatten, wird beim Hören von "10 000 Hz Legend" womöglich das Cocktailglas aus der Hand fallen. Denn der "Sexy Boy" vom Vorgänger-Album ist vom Plüschsofa gefallen, und jetzt besudelt die "Wonder Milky Bitch" die Lounge.
Ist die Überschrift der vorliegenden Rezension verwirrend, unverständlich bzw. einfach nur blöd? Ja, das alles ist sie. Aber erstens nimmt sie auf das Debütalbum "Moon Safari" von Air Bezug - das Spitzenalbum unter all den Platten, die in den letzten Jahren unter Easy Listening oder Lounge-Pop abgelegt wurden; und zweitens verweist sie auf eines der psychedelischsten Alben von Pink Floyd. Geht an sich nicht, trifft aber irgendwie doch zu.
Der Hörer steht hier wieder einmal vor dem "Kid A"-Syndrom: Erwartungshaltungen aufbauen, um sie dann zu zerdeppern. Anfänglich herrschen einfach Verwirrung und Orientierungslosigkeit. Hier und da taucht ein Leuchten auf, ein Flimmern, ein Referenzpunkt, ein Anker. Nach und nach werden Bilder sichtbar, die wieder verschwimmen, Türen werden geöffnet und wieder zugeschlagen. Immer wieder werden vorsätzlich kleine Fallen eingebaut, in die man leicht tappt. Sitzt man aber einmal drin, will man auch nicht mehr raus.
Gainsbourgeskes Liedgut ("Wonder Milky Bitch"), futuristischer Großstadt-Blues ("Lucky & Unhappy", "People in the City"), knisternde Störgeräusch-Symphonien ("Electronic Performers") sowie Anleihen an Krautrock ("Don´t Be Light") stehen auf diesem Album nebeneinander und lassen Brüche entstehen. Merkwürdige Dinge sind zu vernehmen: sonore Männerstimmen wie aus dem "Virgin Suicides"-Soundtrack, Beck in einem schlichten Folksong oder Reminiszenzen an 80er-Synthie-Pop.
Mit nonchalanter Lässigkeit wühlen Jean-Benoit Dunckel und Nicolas Godin im Bodensatz der Schwermut, lassen Unbehagen vorbeiziehen und Abgründe aufbrechen. Was bei "10 000 Hz Legend" rauskommt, ist schlichtweg ein kleines Meisterwerk - ambitioniert, düster, melancholisch, verstörend und vor allem zeitlos.
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