Na also, es gibt sie doch noch, die wirklich guten Tennisspiele für den Konsolenfreund. Zum ersten Mal kommt Segas Dreamcast als Ballwurfmaschine zu Ehren, und schon fliegt die Filzkugel um einiges schöner und schneller über den Court. "Virtua Tennis" ist ein optischer Leckerbissen und eine echte Bereicherung für das weite Feld der Sportsimulationen.
Nach "Pete Sampras Extreme Tennis" (Sportsmaster; für Playstation) mußten wir lange auf ein richtig gutes Tennis-Game warten. Seit 1996 scheiterten alle Versuche von Entwicklerseite, grafisch oder spielerisch wirkliche Innovationen zu bieten. Genau genommen reichten "Pistol Petes" Erben nicht einmal an den Sportsmaster-Oldie heran. Traurig, aber wahr.
Jetzt hat die Tristesse im Freifach Tennis-Simulation aber doch ein Ende. Ein Sega-Entwicklerteam holte Erstaunliches aus der Dreamcast-Engine heraus und läßt den Ball so fliegen, wie sich das für ein Konsolengame anno 2000 gehört. Bei "Virtua Tennis" handelt es sich um die Umsetzung eines beliebten Arcade-Games, das schon in den Spielhallen passionierte Racketschwinger und Automatenspieler begeistern konnte - und die Konsolenversion steht dem Original um nichts nach.
In fünf prächtigen 3D-Arenen treten acht waschechte ATP-Profis und acht Bonusspieler im Single oder Doppel gegeneinander an. Der Zufall wollte es, daß sich in der Spielerauswahl mit Yevgeny Kafelnikov und Tommy Haas u. a. die Finalisten des Olympiaturniers von Sydney finden. (Das konnten die Programmierer zum Zeitpunkt der Entstehung noch nicht wissen.) Mit von der Partie ist allerdings auch US-Oldboy Jim Courier, der seine Karriere mittlerweile beendet hat. (Auch das konnte niemand wissen.) Solche Eigenschaften machen "Virtua Tennis" irgendwie auf Anhieb sympathisch.
Die Grafik des Sega-Knallers ist wirklich sensationell: Da stimmen jeder Schatten und jede Schlagbewegung der Cracks bis ins letzte Detail. Atmosphärisch kommt dem Spiel zugute, daß mit kurzen Video-Schnipseln zwischen den Ballwechseln nicht gegeizt wird. Man sieht die Mimik und Körpersprache (z. B. Wutausbrüche) der perfekt animierten Kontrahenten, hört das typische "Plopp" der Bälle und erkennt die Ballabdrücke und Rutschspuren im Sand einer Sandplatzarena, die dem Court Central von Roland Garros frappierend ähnlich sieht.
Überhaupt haben die fünf Schauplätze große Ähnlichkeit mit den Grand-Slam-Stadien der großen Tenniswelt (Wimbledon, Melbourne, New York/Flushing Meadows, Paris und ein Turnier mit Hallen-Ambiente wie bei der ATP-WM). Faszinierend: Die Wahl des Belags (Rasen, Sand etc.) beeinflußt sogar - wie im richtigen Tennisleben - die Ballgeschwindigkeit. In dieser Hinsicht ist "Virtua Tennis" vortrefflich gelungen. Das gilt übrigens auch für die Spielmodi: Man kann im Arcade-Modus in fünf Akten (= Matches) schnell zum Turniersieg kommen, ein Exhibition-Match gegen einen beliebigen Gegner austragen oder im "World Circuit" eine richtige Profi-Karriere starten. Hier muß man u. a. Trainingseinheiten absolvieren, die auf den ersten Blick lustig wirken, zum Teil aber nur schwer zu meistern sind: Minispielchen wie Tennis-Bowling ("Pin Crasher") oder Bälleversenken ("Drum Shooter") stehen auf dem strengen Prüfungsprogramm. Der Lohn der Minispiele und Turniererfolge besteht darin, daß man sich mit Siegerschecks in Shops neu einkleiden und das Flair der hochdotierten Profispieler-Welt voll genießen kann
Spielerisch macht Segas Tennis-Hit dank simpler und übersichtlicher Steuerung enorm viel Spaß. Das volle taktische und schlagtechnische Potential eines realen Tennis-Games kann man der Konsole aber höchstens nach wochenlangem Drill à la Nick Bolletieri entlocken. Manches wirkt sogar recht unrealistisch: Zum Beispiel schlägt kaum jemals einer der Spieler einen Ball ins Netz (Aufschlagfehler ausgenommen). Topspin- und Slice-Bälle konnte man bei "Pete Sampras Extreme Tennis" viel effektiver einsetzen. Außerdem neigt das Game dazu, aggressives Netzspiel zu bevorzugen. Wer also permanent nach vor prescht, gut reagiert und den Gegner unter Druck setzt, hat tendenziell eher die Chance auf den Punkt.
Entschädigt wird man für kleine spielerische Mängel wiederum mit großartigen Videostudien - von jedem der sechzehn Spieler gibt es spezielle FMV-Flugballstudien zu sehen. In diesen Momenten der grafischen Extraklasse können auch Tennisnarren mit dem einen oder anderen Technikproblem ganz gut leben.
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