Eine Leiche zum Dessert

Einer der bis heute wohl umstrittensten deutschen Filme der letzten 50 Jahre wurde nun auf DVD verewigt. Wer einen strapazierfähigen Magen hat und das Grauen fernab vom leichtverdaulichen Horrorkino in bester Qualität erleben möchte, erhält jetzt Gelegenheit dazu.

Einige Jahre, bevor Nacho Gerdas Kurzfilm "Aftermath" für Aufsehen sorgte, hatte sich bereits ein junger Berliner mit dem Thema Nekrophilie und der Liebe zu totem Fleisch auseinandergesetzt. Wer hätte damals gedacht, daß der billigst produzierte Streifen "Nekromantik" rasend schnell zum Underground-Kult erklärt werden und seinen Regisseur Jörg Buttgereit weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt und "berüchtigt" machen würde...

Kurz zur Handlung: Rob verdient sich sein täglich Brot durch das Entsorgen von Leichen aller Art. Der seltsame junge Mann wird von seinen Kollegen jedoch nicht gern gesehen und eines Tages kurzerhand vor die Tür gesetzt - allerdings erst, nachdem es ihm gelungen ist, die letzte Leiche mit nach Hause zu nehmen, um sie seiner Freundin als kleinen Liebesbeweis zu schenken. Da die beiden der Nekrophilie frönen, herrscht im trauten Heim von nun an Glückseligkeit, denn einer Menage à trois steht scheinbar nichts mehr im Wege. Leider ist das Glück nicht von allzulanger Dauer, denn als Rob seiner Liebsten die Kündigung beichtet, verläßt sie ihn und nimmt das bereits etwas streng riechende Lustspielzeug gleich mit.

Selten waren die Meinungen über einen Film so konträr wie bei "Nekromantik". Für die einen war er übelstes Teufelszeug, für die anderen ein Meisterwerk. Was den Film so außergewöhnlich und gleichzeitig befremdlich macht, ist die Tatsache, daß sich Buttgereit einem der letzten Tabuthemen - der Nekrophilie - nicht mit erhobenem Zeigefinger nähert bzw. es einfach nur als abartig darstellt. Vielmehr verpackt er es stellenweise in wunderschön verstörende Bilder mit fast schon poetischen Zügen, als wäre die Leichenliebe die natürlichste Sache der Welt (gleich nach dem Kannibalismus). Untermalt wird dieses eigenartige Lustspiel vom herrlich passenden Score von Daktari Lorenz, der im Film auch als Hauptdarsteller zu sehen ist.

Trotz einfachster Produktionsbedingungen, dilettantischer Nebendarsteller und lächerlicher Splatter-Einlagen zählt das subversive Drama, das noch heute gelegentlich auf Festivals gezeigt wird, zu den wichtigsten und radikalsten Horrorfilmen aller Zeiten (sofern man es überhaupt als solchen bezeichnen kann) und beweist, daß man selbst mit Einsatz einfachster Mittel ein Maximum an Wirkung erzielen kann.

Die DVD wartet unter anderem mit einem recht amüsanten Audiokommentar des Regisseurs auf, bei dem einem erst richtig bewußt wird, wie billig der Film hergestellt wurde. Auch das Bild und der überarbeitete Ton können sich sehen lassen. Hier hat sich tatsächlich jemand reichlich Mühe gegeben, und das sollte auch honoriert werden. Mit "Nekromantik" hat sich Buttgereit seinen festen Platz am morbiden Freakazoid-Himmel, irgendwo zwischen Charles Witkin, Clive Barker und Ed Gein gesichert. Pfui, wie schön!

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