Werte Leserinnen und Leser! Haben Sie auch schon gehört, daß vegetarische Ernährung müde und langsam machen soll? Wer in maul- und klauenverseuchten Zeiten dieser Ansicht ist, dem sei "Save the World, Lose the Girl" von Midtown als Beweis dafür empfohlen, daß - zumindest manchmal - das Gegenteil wahr ist.
Bei Betrachtung der jungen Musikanten, die auf dem CD-Inlay abgebildet sind, denkt wohl so mancher - durch deren Styling irritiert - zuerst an eine typische Britpop-Combo. Weit gefehlt! Im Hintergrund prangt eine Skyline, wie man sie zumeist von nordamerikanischen Großstädten gewohnt ist. Und das ist schon eher jene Gegend, wo der Ursprung dieser Band zu suchen ist.
Midtown stammen aus New Jersey und spielen seit 1998 zusammen. In diesen drei Jahren haben die vier Musiker Gabe Saporta (Baßgitarre & Gesang), die beiden Gitarristen (und ebenfalls Sänger) Heath Saraceno und Tyler Rann sowie der Schlagzeuger Rob Hitt (was da wohl vorher da war, der Name oder die Berufung zum Schlagen der Trommeln?) allerdings schon einige Erfahrung im Rock-Busineß gesammelt. So wurde schon bald nach der Band-Gründung bei Pinball Records die Five-Track-EP "The Sacrifice of Life" veröffentlicht; und auch das intensive Touren ist für Midtown mittlerweile etwas Alltägliches geworden.
Nun aber zu ihrem neuesten Release "Save the World, Lose the Girl": Während dieser in ihrer Heimat bereits im Februar 2000 auf den Markt gebracht wurde, konnte erst rund ein Jahr später eine Schallplattenfirma gefunden werden, die die Band in Europa betreut. Daß es sich dabei um das mittlerweile bestens bekannte Label Burning Hearts Records handelt, sei hier nur am Rande erwähnt. Und wie schon so oft zuvor, haben unsere schwedischen Freunde auch dieses Mal bewiesen, daß sie das Gespür für den Contemporary Rock´n´Roll wohl gepachtet haben - zumindest, was unseren Heimatkontinent angeht.
Der erste Song "It´s Just Rock´n´Roll" beginnt quasi mit einem gesungenen, respektive geschrienen Intro: "God, I wish I could hate you for the rest of my life!" Und genauso dürfte auch das Motto der Band lauten. So richtig böser, punkig-metallischer Lärm der übelsten Sorte, ohne jeglichen Kompromiß, das wäre wohl genau ihr Ding. Einerseits schaffen sie es auch wirklich, Gas zu geben, wenn es nötig ist, andererseits folgt dann doch der Moment der Besinnung: nur nicht die zigtausendste Nirvana- und Sex-Pistols-Kopie sein! Also bleiben sie letztendlich ihrer Linie, dem Rock´n´Roll eher abseits des Punk, treu.
Wer jetzt allerdings glaubt, hier würden vier Schlafmützen weitergereicht, der irrt. Musik ohne den obligatorischen Polkatakt kann ebenfalls ganz schön krachen. Beispiele gefällig? Zum obengenannten kommen noch die Songs Nummer zwei und drei - "Direction" bzw. "Recluse" - und eigentlich auch die meisten anderen. Dazu gibt´s noch die Komposition "Resting Sound", die für den Rezensenten jene mit der größten Dichte und daher der Höhepunkt unter den 13 (offensichtlich ist es bei US-Produktionen nach wie vor zwingend, einen hidden track einzubauen!) Liedern ist. Der unnötige, pathetische Midtempo-Rocker "No Place Feels Like Home" sei den jungen Amerikanern verziehen; schon allein deswegen, weil bereits der darauf folgende Track "Such A Person" jedem Blink-182-Fan mit gutem Gewissen in den CD-Player gesteckt werden kann.
Fazit: Midtown spielen den Rock and Roll des neuen Jahrtausends. Junge Musiker bedienen sich eines modernen Sounds; melodiöser Gesang und ebensolche Gitarrenthemen treffen auf schwungvolle, mitunter hart rockende Schlagzeug-Beats. Gelingt es den Jungs, ihren Standard zu halten und dazu noch einen Sinn für einfachere Arrangements zu entwickeln, dann dürften an dieser Band in den nächsten Jahren wohl kein Rockfan und keine Hitparade, die etwas auf sich hält, vorbeikommen. Wer ohnehin auf leicht zu hörende Ohrwürmer verzichten kann, kommt bereits mit der aktuellen Produktion voll auf seine Kosten.
Hören Sie wohl!