Back to the bloody roots!

Es gibt böse Menschen, die behaupten, die Legende der Sonnenverächter sei längst "ausgelutscht". Brian Lumleys Endlossaga "Necroscope" liefert den Gegenbeweis. Der Vampir ist tot, lang lebe der Vampir!

Über 100 Jahre sind seit der Veröffentlichung von Bram Stokers "Dracula" bereits vergangen, und auch Le Fanus "Carmilla" hat schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Der Faszination, die der Mythos der nächtlichen Blutsauger auf uns ausübt, hat dies jedoch keinen Abruch getan. Gerade in den letzten 20 Jahren wurden wir richtiggehend mit Büchern, Comics, Computerspielen, Filmen und weiß der Teufel was noch zum Thema Blutsauger bombardiert. Daß es bei solch einem populären Phänomen zwangsläufig zu Abnützungserscheinungen kommen muß, ist klar. Selbst Autoren wie Anne Rice sind davor nicht gefeit; spätestens nach Band drei ihrer Vampirchronik wünscht man sich nichts sehnlicher, als daß Lestat und seine Jungs endlich ein Sonnenbad nehmen.

Nachdem es bis jetzt aber keine nennenwerte Alternative zu Rices Rosamunde-Pilcher-mäßigem Schnickschnack gegeben hat, blieb den meisten Vampirfans nichts übrig, als gelangweilt auf Teil sieben zu warten. Doch nun wurde mit vierzehnjähriger Verspätung endlich der erste Band von Brian Lumleys "Necroscope"-Saga ins Deutsche übersetzt (dem rührigen Blitz-Verlag sei Dank).

Zur Handlung: Der Kalte Krieg - Berlin ist nach wie vor zweigeteilt, und in der UdSSR haben noch der KGB sowie Politiker wie Breschnew oder Andropow das Sagen. Die Spionagebranche boomt wie nie zuvor, und man vertraut gutgläubig auf die Macht von Atombomben. Sie wissen schon - die "guten alten Zeiten" eben, als man sich unter dem Wort Super-GAU noch eine Riesenparty vorstellte.

Hier beginnt die Geschichte Harry Keoghs, eines unscheinbaren englischen Schriftstellers, der sich bei seiner Arbeit von Ghostwritern unterstützen lässt. Das wäre an sich nichts Besonderes - wenn es sich bei seinen literarischen Helfern nicht tatsächlich um die Geister der Toten handelte. Denn Keogh ist ein "Necroscope", ein Totenhorcher sozusagen, der die Fähigkeit besitzt, mit den Bewohnern des Jenseits zu plaudern.

Da sämtliche Geheimorganisationen mit drei Buchstaben hektisch an der Errichtung einer neuen Abteilung, bestehend aus Menschen mit einer übersinnlichen Begabung arbeiten, wird man bei den Briten zwangsläufig auf ihn und sein einzigartiges Talent aufmerksam. Doch auch die Russen verfügen über ein sogenanntes E-Dezernat und haben mit dem Rumänen Dragosani scheinbar das große Los gezogen. Während die Toten aber Harry Keogh gern ihr Wissen und ihre Fähigkeiten mitteilen, entreißt es ihnen Dragosani geradezu, beherrscht er doch die hohe Kunst der Nekromantie und eignet sich seine Kentnisse durch Herumwühlen in den Gedärmen anderer Leute an. Was Vampire mit der ganzen Sache zu tun haben? Lesen Sie´s am besten selbst!

Statt sich mit pseudoatmosphärischem Firlefanz oder ähnlichen Genrekrankheiten aufzuhalten, besticht Lumleys Roman vor allem durch durch seinen prägnanten, leicht unterkühlten Stil, mit dem er mitten ins Geschehen einsteigt und der einen schnell gefangen nimmt. Gleichzeitig geht Lumley in der Zeit zurück und besinnt sich auf eine ursprünglichere Variante des Vampirs. Er präsentiert den Wiedergänger wie den Mythos, der er einst war, und verschont uns mit quängelnden Heulsusen wie Louis aus "Interview mit einem Vampir" oder anderen beliebten Stereotypen.

Was "Necroscope" jedoch wirklich erst faszinierend und einzigartig macht, ist die darin eingeflochtene düstere Story rund um Nekromantie bzw. Nekroskopie. Dies geht in Band eins sogar soweit, daß dem Vampir eine scheinbar untergeordnete Rolle zukommt; aus diesem Grund kann man den Roman auch nicht als simple Vampir-Story abtun. Vielmehr handelt es sich um ein beeindruckendes Meisterwerk der dunklen Phantastik, das nebenbei auch noch der beste Vampirroman seit "Dracula" sein dürfte. Ein absolutes Muß für alle Kinder der Nacht und solche, die es noch werden wollen. Wer hätte gedacht, daß aus der Legende von Vlad, dem Pfähler, noch soviel mehr herauszuholen ist!

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bester Vampirroman
(Bernhard, 25.03.2006 19:00)

Re: bester Vampirroman
(jf, 25.03.2006 19:13)



Über den Autor:
Geboren am 2. Dezember 1937, lebt Griechenlandliebhaber Brian Lumley gemeinsam mit seiner Frau Barbara in Devon, England, wo er neben seiner erfolgreichen schriftstellerischen Karriere - seine Bücher wurden in mehere Sprachen übersetzt - auf ein bewegtes Leben als Mitglied der Royal Military Police zurückblicken kann.