Als sich Mitte der 90er Jahre in England schleppende HipHop-Beats und melancholische Vocals zusammenfanden, war kurz darauf gleich ein eigenes Genre dafür eingerichtet: TripHop. Den wenigen, die von Anfang an dabei waren, folgten postwendend ganze Heerscharen blasser Bands, die ihr Heil in der Symbiose von Elektronik und Pop suchten. Übrig sind davon im Jahr 2000 nur noch wenige - aber immerhin: Morcheeba sind dabei.
Durch die euphorische Rezeption der vorangegangenen Alben ("Who Can You Trust" und "Big Calm") schaffte es die dreiköpfige Band aus London, im Gegensatz zu vielen anderen Mitstreitern, sich auch nach dem Abflauen der großen Hysterie um das Schein-Genre TripHop im Interesse der Öffentlichkeit zu halten. Das mag damit zu tun haben, daß die Stücke von Morcheeba immer ein wenig mehr Geist und Seele anzubieten hatten als der Rest des Feldes; verantwortlich dafür ist nicht zuletzt Vokalistin Skye Edwards. Auch auf "Fragments Of Freedom" ist sie das verbindende, sinnstiftende Element. Denn 2000 heißt die Devise längst nicht mehr TripHop, sondern ganz straight: Pop.
Kamen die beiden vorigen Alben noch mit schleppenden Beats und schlurfiger Attitüde daher, haben Morcheeba nun ordentlich aufgeräumt. Der träge Sumpf aus verkifften Klängen wurde trockengelegt und hat sich in eine gepflegte Wiesenlandschaft verwandelt, auf der sich grundsätzlich jeder wohlfühlen kann. Eingängige Melodien und tanzbeinfreundliche Grooves stehen im Vordergrund, Skye Edwards Stimme driftet sanft und klar über freundliche Klanglandschaften, manchmal unterlegt mit satten Soul-Chören, im Hintergrund jazzige Bläsersätze. Für die nötige Portion HipHop-Flow sorgen die Gastauftritte der schwergewichtigen New Yorker Rap-Legende Biz Markie sowie von Mr. Complex und Miss Bahamadia. Kein Zweifel, daß Morcheeba ganz gezielt mit möglichst breiter Akzeptanz dies- und jenseits des großen Ozeans liebäugeln. Aber trotz poppiger Attitüde und gefälliger Produktion finden sich unter der schillernden Oberfläche der Stücke immer noch irritierende, aufbrechende Passagen. So ganz will man seine Wurzeln ja auch nicht verleugnen, auch wenn man jetzt in der Major League mitspielen möchte.
Mit ihrem unverkrampften, lockeren HipHop-Pop plus geschmeidiger Frauenstimme sind Morcheeba auf dem besten Weg dorthin; die Zeiten der urbanen Tristesse scheinen für sie endgültig passe. Das ist nur gut so, denn darum kümmern sich ohnehin andere. Mit "Fragments Of Freedom" schaffen sie es, sich glaubwürdig aus der Einbahnstraße von TripHop herauszumanövrieren, ohne dabei durch allzu plakative Elemente und billige Gimmicks ihre bisherigen Freunde und Hörer zu verärgern. Upliftend und seelenschmeichelnd zugleich, animiert "Fragments Of Freedom" eher dazu, das Disco-Outfit vorzukramen und das Hemd aufzuknöpfen, als sich in stiller Weinerlichkeit am nächstbesten Sofa niederzulassen. Dieser Schritt scheint auch die einzig mögliche, logische Entscheidung für eine Band zu sein, der immer noch der muffige Geruch von Klangesoterik für geplagte Jungerwachsene anhaftet. Morcheeba nehmen sich die Freiheit, die Vergangenheit ruhen zu lassen.
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