Der OP als Soundlabor

Matmos haben für ihr neues Album viel Zeit in Krankenhäusern verbracht. Nein, sie waren nicht etwa krank und haben sich auskuriert - vielmehr assistierten sie bei diversen chirurgischen Eingriffen. Arbeiten hippe Elektronik-Produzenten jetzt schon als Ärzte oder gar umgekehrt?

"A Chance to Cut is a Chance to Cure", der neueste Release von Matmos, ist ein reines Konzeptalbum, was die ganze Angelegenheit anfangs etwas zwiespältig erscheinen läßt. Ausgerüstet mit Aufnahmegeräten, wohnten die Musiker ärztlichen Eingriffen aller Art, vom Fettabsaugen über Augenoperationen bis zu allen möglichen Schönheitsoperationen, bei und nahmen die dabei entstehenden Töne auf. Das hört sich ja einerseits sympathisch durchgeknallt an, läßt den potentiellen Hörer aber andererseits auf eine langweilige Ansammlung komischer Sounds gefaßt sein. Ist das alles vielleicht nur ein krampfhafter Versuch, heutzutage noch einen avantgardistischen Anspruch zu stellen, ohne zu fadisieren? Handelt es sich um Tracks, an denen gerade einmal Musikwissenschaftler und Mathematiker Gefallen finden können und die mittels Berechnung komplizierter Algorithmen entstanden sind?

Man darf Entwarnung geben. Matmos ist es gelungen, eingängige Melodien mit neuen Ideen zu verknüpfen; sozusagen ein Spagat zwischen Hörvergnügen und einem gewissen künstlerischen Anspruch. Der Albumtitel läßt sich nicht nur auf den medizinischen (bei Operationen muß oft geschnitten werden, um heilen zu können), sondern auch auf den musikalischen Aspekt beziehen. Mit präziser Genauigkeit zerstückeln Matmos die aufgenommenen Geräusche, sezieren sie bis auf ihr Skelett und jagen sie durch allerlei Effekt-Plug-ins ihrer Powerbooks. Beats kommen nicht nur vom Drumcomputer, sondern werden unter anderem mit Hilfe menschlicher Knochen erzeugt - und zum Höhepunkt wird dann noch auf der Nasenflöte groß aufgespielt.

Wer jetzt an House-Weirdo Matthew Herbert denkt, der alle möglichen Gebrauchsgegenstände samplet und ihnen Leben einhaucht, liegt gar nicht so falsch. Das Klimpern medizinischer Geräte, das Rauschen beim Fettabsaugen, das Schneiden des Skalpells und das Vibrieren der Haut fügen sich perfekt zu rhythmischen Beats und einem angenehmen Knistern zusammen. Umso größer ist dann oft der Skurrilitätsfaktor, wenn man sich die Entstehung der zugrundeliegenden Geräusche bildlich vorstellt.

Matmos sind ja beinahe schon alte Hasen auf dem immer größer und unüberschaubarer werdenden Gebiet der IDM (Intelligent Dance Music), und "A Chance to Cut is a Chance to Cure" ist mittlerweile schon ihr drittes Album. Kein Wunder, daß im Laufe der Zeit auch Björk auf das in San Francisco ansässige Duo gestoßen ist und die beiden Musiker bat, ihr bei ihrem neuen Album "Vespertine" produktionstechnisch unter die Arme zu greifen.

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Oben: Gute Vorbereitung ist besonders wichtig für eine Operation. Unten: ganz konzentriert bei der Arbeit. Ganz unten: eine geheimnisvolle isländische Elfe in Begleitung eines Band-Mitglieds.