Der wahre Punk-Geist schwebt heutzutage nicht mehr über Drei-Akkord-Gitarrencombos, sondern über dem D&B/Breakbeat/Noise-Underground, der seine Tracks im Schlafzimmerstudio aufnimmt. Diesen Eindruck will zumindest die Compilation "Collision Course" vermitteln.
Daß "totale Vernichtung die einzige Lösung" sei, heißt es auf "Collision Course" in einem Track von DJ Scud und Nomex. Und wer sind die Leute, die sowas behaupten? Na ja, zumindest DJ Scud sollte kein Unbekannter mehr sein, kollaborierte er doch erst vor kurzem mit Panacea auf dem deutschen Brutalo-Drumm & Bass-Label Position Chrome. Weiters produzierte er mit einem gewissen Shizuo - ja, genau, der von Digital Hardcore Recordings - seine ersten Tracks. Mittlerweile hat er sein eigenes Label Ambush gegründet, mit dem er permanent an der Weiterentwicklung des Sounds arbeitet und damit den Großteil der DHR-Posse locker links liegen läßt.
Was uns gleich zum Berliner Lärmaktivisten Alec Empire und seinen Verbündeten bringt, die auf dieser Compilation ziemlich massiv vertreten sind. Alte Bekannte wie Fever, Bomb20 und Patric C aus der DHR-Familie tauchen hier auf und führen ihren Kampf gegen die kapitalistische Welt weiter. Besonders erwähnenswert ist auf jeden Fall Empires Remix von Ice, mit dem er uns zeigt, wie seine aktuelle Definition von digitalem Hardcore aussieht. Weit entfernt von jeglichem Mainstream beschallt er uns mit seinen Terror-Breakbeats.
Das Cover, das wie ein Warnschild aussieht, und der darauf befindliche Sticker, "An Outstanding Collection where Hip Hop, Breakbeat and Noise collide with maximum impact", weisen ziemlich deutlich darauf hin, worum es hier gehen soll. Für die Zusammenstellung zeichnet der nicht ganz unbescholtene Kevin Martin verantwortlich, der schon bei der Kompilierung der beiden "Macro Dub Infection"-CDs ein gutes Händchen bewiesen hat. Hieß das Thema damals noch "Dub und dessen Weiterentwicklung in die Neuzeit", so geht es hier eben konkreter um HipHop, Breakbeat und Noise - wobei viele der vorliegenden Tracks auch ganz gut auf "Macro Dub" gepaßt hätten.
Neben den Hardcore-Noise-Produzenten sind auf "Collision Course" auch HipHop-Acts wie der geniale Sensation vom New Yorker Verschwörungskonglomerat Wordsound oder das Anti Pop Consortium - hier verbündet mit DJ Vadim - vertreten. Ein wenig verwunderlich ist allerdings der Beitrag des Bad-Company-Kollektivs, das einen eher zurückhaltenden Track beisteuert; ist es doch sonst bekannt dafür, die "Heavy Metal"-Abteilung des Drum & Bass zu sein. Zusammenfassend kann man sagen, daß die CD (die VinylVersion hat leider ein paar Tracks weniger) einen ganz guten Überblick über das aktuelle Genre-Geschehen bietet, der natürlich nicht ganz vollständig ist - was aber in der heutigen Zeit, wo neue Producer und Tracks wie Schwammerln aus dem Boden sprießen, sowieso ein Ding der Unmöglichkeit ist. Der Kauf ist durchaus sinnvoll, da viele der Tracks oft nur auf limitierten Vinylpressungen erhältlich waren oder hier sogar exklusiv veröffentlicht wurden.
Und noch eine Anmerkung: Die hier enthaltene Musik wurde nicht in irgendwelchen teuren Studios produziert, sondern meist in den Wohnungen der Künstler. Es zeugt von echtem Punk-Spirit, daß heute jeder im Schlafzimmer Platten aufnehmen kann und dabei keine Kompromisse eingehen muß, damit ein Song besser vermarktbar ist. Oder, um es noch einmal mit Alec Empire zu sagen: "We just wanna disturb the peace."
Recht so.
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