Müde frühe Tage

Die in Tampa, Florida, geborene Sängerin Beth Hirsch dürfte aufmerksamen Beobachtern der internationalen Musikszene vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit der französischen Band Air ein Begriff sein. Ihr Solo-Debüt "Early Days" erscheint nun auf dem Berliner !K7-Label, der Heimat von Kruder & Dorfmeister - und hat rein gar nichts mit Elektronik am Hut. Ob das gutgeht?

Auf Airs Debütalbum "Moon Safari" lieh sie zwei Stücken ("All I Need" und "You Make It Easy") ihre Stimme, die auch als Highlights des Albums gelten dürfen. Im Vorjahr erschien auf dem britischen Dorado-Label ihre EP "P-Town Rubies", die abermals in Kooperation mit französischen Künstlern wie Xavier Jameaux (Bang Bang) und Jean Benoit Dunckel (Air) entstand. Bereits auf dieser Platte war bei Stücken wie "Camden" die Affinität zu akustischen Instrumentierungen in klassischer Singer/Songwriter-Tradition erkennbar, ein Weg, den Beth Hirsch mit "Early Days" konsequent fortsetzt. Die elektronischen Sounds und Beats, die zuvor die Rahmenhandlung bildeten, bleiben nun gänzlich auf der Strecke und machen Platz für akustische Gitarre, Cello, Piano und Kontrabaß - eine Entscheidung, die viel Mut zur Eigenständigkeit beweist, vom marketingtechnischen Standpunkt her aber ein riskantes Unterfangen darstellen dürfte. Immerhin ist ihre neue Heimat, das Berliner Plattenlabel !K7, bislang eher für die Veröffentlichung zeitgenössischer Electronica (Terranova, Funkstörung, Kruder & Dorfmeister etc.) bekannt. Warum "Early Days" nun gerade dort erscheint, bleibt ein Rätsel. "Bis vor wenigen Monaten kannte ich keinen der Künstler auf !K7", gesteht Beth Hirsch, "aber ich mag das Zeug, das dort erscheint!" Offenbar ist das musikalische Geschehen der letzten Jahre spurlos an ihr vorübergegangen. Auch wenn Miss Hirsch bei der Frage nach nennenswerten Einflüssen aus der Musikgeschichte ihre Sympathie für Soul, Funk und Disco bekundet, ist davon auf "Early Days" herzlich wenig zu hören. Wer sich also eine leichtverdauliche Groove-Pop-Variation ihres bisherigen Schaffens erwartet, wird wohl ziemlich irritiert sein. Kein einziges der neun Stücke nimmt einen durchgehenden Rhythmus auf, stattdessen wird viel gezupft und geklimpert, was letztlich nur für Menschen, die auf "gut gemachte Handarbeit" stehen, von Interesse sein dürfte. Das Album bleibt klassisch und setzt auf eine ruhige Stimme, die persönliche Geschichten erzählt, doch die Sehnsucht nach Nähe, Familie und Kaminfeuer ist fast aufdringlich präsent. Irgendwie wirkt "Early Days" so langweilig-kitschig wie Ikea-Möbel und bewegt sich gefährlich nahe an Mainstream-Pop-Entwürfen à la Gabrielle oder Tracy Chapman - Musik, die sehr erwachsen klingen möchte, aber eine unerträgliche pseudo-schöngeistige Ernsthaftigkeit mit sich herumschleppt. Vielleicht ist das der perfekte Soundtrack für die Midlife-Crisis? Oder der ambitionierte Versuch einer Künstlerin, sich im Feld zeitloser Unterhaltungsmusik abseits der Dancefloors einen neuen Artikulationsraum zu schaffen? Die potentielle Käuferschicht von !K7-Produkten wird damit jedenfalls nur schwer zu erreichen sein.

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