Gehirn ... verzweifelt gesucht

Seit fast 20 Jahren erscheinen die "Perry Rhodan"-Heftromane in Buchform. "Gehirn in Fesseln", der 70. "Silberband", bringt ein Wiedersehen mit der "alten Garde" der Perry Rhodan-Schreiber und ist ein Weltraumabenteuer in Reinkultur.

Wenn jemand freiwillig zu einem Buch mit dem Titel "Gehirn in Fesseln" greift, dann muß er schon einen guten Grund dafür haben. Selbst Konsalik würde es nicht wagen, so zu titeln. In Rastatt ist man - traditionell - etwas mutiger. Dort erscheint seit Ende der 60er Jahre die "Perry Rhodan"-Heftroman-Serie, die es mittlerweile auf mehr als 2000 Romane (plus Taschenbücher, Hörspiel-CDs, Modellbausätze, Posteralben etc.) gebracht hat. Seit 1978 kommen in der Pabel-Moewig-Verlagsunion auch die sogenannten "Silberbände" heraus - Hardcovers, in denen die handlungstragenden Heftromane zu knapp 400 Seiten starken Büchern zusammengekürzt werden. Mit "Gehirn in Fesseln" ist vor kurzem der 70. Silberband auf den Markt gekommen, der sechs (bearbeitete) Heftromane aus den "Gehirnodyssee"-Abenteuern beinhaltet. Diese gehören zum Zyklus "Das kosmische Schachspiel", der sich über die Heftromane 600 bis 649 erstreckt und mit Silberband 72 zum Abschluß gebracht wird.

Die PR-Heftroman-Serie besteht aus Handlungszyklen, die in der Regel fünfzig bis einhundert Romane umfassen. Für die Silberbände werden die wichtigsten Romane herausgegriffen, gekürzt und mit Überleitungen versehen. Auf diese Art entsteht eine neue "Chronologie", in der zwar Einzelabenteuer und Nebenhandlungen fehlen, die aber zumindest thematisch die Evolutionsgeschichte des Rhodan-Universums wiedergeben. Für Sammler sind die Silberbände ein gefundenes Fressen, und auch Neueinsteiger, die sich ansonsten hilflos zwischen Superintelligenzen, multidimensionalen Mörrieversen, Quantenlautsprechern, Kosmokraten und sonstigen physikalischen Unmöglichkeiten verlieren würden, dürfen sich von ihnen angesprochen fühlen.

"Gehirn in Fesseln" (der titelgebende Heftroman Nr. 622 stammt vom Rhodan-Veteranen Hans Kneifel) beschreibt die Abenteuer des kosmischen Helden in der fernen, fernen, fernen Galaxis Naupaum. Nach diversen "Prüfungen" in einem kosmischen Schachspiel zwischen den Superintelligenzen ES und Anti-ES - das sind reine Geisteswesen; viel, viel mächtiger als alle Finanzämter dieses Planeten zusammen - wird Rhodans Gehirn entführt und durch ein Androidenhirn ersetzt. Während auf der Erde niemand von dem unheiligen Tausch ahnt und "Andro-Rhodan" unauffällig Intrigen gegen das Solare Imperium, Rhodans Lebenswerk, zu spinnen beginnt, findet sich der kühne Weltraumrecke auf dem "Markt der Gehirne" wieder. Auf dem Planeten Yaanzar, wo durch eine Anomalie im Gravitationsfeld die Transplantation von Hirnen möglich ist, wird Rhodans Gehirn in einen neuen Körper verpflanzt. Perry muß nicht nur um sein Leben kämpfen (und nebenbei auch Anstand und Ordnung am Arsch des Universums wiederherstellen), sondern auch die Position der Milchstraße herausfinden, um zurückkehren zu können. Als Rhodan dann am Ende zur Erde heimkehrt, bedeutet das auch den finalen Kampf zwischen den Superintelligenzen, von denen eine in die "Namenlose Zone" verbannt wird.

"Gehirn in Fesseln" ist eine Space-opera in bester klassischer Tradition. Die originalen Heftromane erschienen Anfang der 70er Jahre und stammen von Hans Kneifel ("Gehirn in Fesseln", Band 622), William Voltz ("Markt der Gehirne", Band 623), Clark Darlton ("In den Katakomben von Nopaloor", Band 624), H. G. Francis ("Die Nullzeit-Brücke", Band 625), Kurt Mahr ("Kampf der Gehirne", Band 626) und Ernst Vlcek ("Die Hölle von Madzadosch", Band 627). Das literarische Werk der "alten PR-Garde" unterscheidet sich wohltuend von den neuen Heftromanen, in denen kosmische Größenordnungen keine Rolle spielen und deren schriftstellerische Qualitäten in vielen Fällen nicht über Schulaufsatzniveau hinauskommen. Vom Standpunkt einer Werkschau aus betrachtet, stellt "Gehirn in Fesseln" nicht nur eine spannende Abenteuerlektüre dar, sondern auch einen Rückblick, wie die "Perry Rhodan"-Serie vor fast zwanzig Jahren aussah; Cliffhanger inklusive, denn Perrys Abenteuer in der Galaxis Naupaum werden erst in zwei Bänden zum Abschluß gebracht. Trotz des ans peinliche grenzenden 3D-Covers ist "Gehirn in Fesseln" ein gutes Beispiel dafür, daß auch deutsche Autoren gute Space-operas schreiben können. Für Neulinge im PR-Kosmos hält das Buch übrigens auch eine Timeline der fiktiven Ereignisse sowie eine Zusammenfassung der ersten 600 Heftromane parat.

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Über die Autoren:
• Hans Kneifel (einer der "Ur"-Rhodan-Autoren, schreibt heute Fantasy sowie geschichtliche Romane)
• William Voltz (einer der "Helden" des PR-Universums, starb an Krebs)
• Clark Darlton (neben K. H. Scheer der Miterfinder der
PR-Serie)
• H. G. Francis (schreibt außer PR-Romanen vor allem Tier- und Kinderbücher)
• Kurt Mahr (war der Physiker der Serie; starb 1993)
• Ernst Vlcek (Expose-Redakteur)
• Die Einzelromane wurden vom PR-Autor Horst Hoffmann bearbeitet