Sanftheitsforschung

Mit "Fold Your Hands Child..." leisten Belle & Sebastian, die siebenköpfige Band aus Glasgow, ihren Beitrag zur Erhaltung der Gattung "romantischer Gitarrenpop" - Musik, die irgendwo in einem Zeitloch zwischen den Sixties und den frühen Achtzigern steckengeblieben ist. Ist die Welt bereit für eine neue Niedlichkeit?

Belle & Sebastian, deren Bandname von einer französischen Zeichentrickserie aus den 70ern inspiriert wurde, gehören seit einigen Jahren zu den Lieblingen der britischen Indie-Szene. Ihr 1996 veröffentlichtes Debüt "Tigermilk", von dem nur 1000 Vinylkopien gepreßt wurden, avancierte zum begehrten Sammlerstück, das zu utopischen Preisen gehandelt wurde. Dabei ist ihr introvertierter Lo-Fi-Gitarrenpop mit starkem Hang zur Ästhetik der Sixties weder neu noch besonders aufregend - sondern von jener Sorte, die man am besten auf geringstmöglicher Lautstärke konsumieren sollte und die sich hervorragend als Untermalung zum sonntäglichen Fünfuhrtee eignet. Ihr neues Werk "Fold Your Hands Child, You Walk Like A Peasant" ist ein stilles, sanftes Album, eine Rückkehr in die musikalische Idylle der Sixties unter den Bedingungen der Achtziger. Elektronische Sounds wie Samples oder Drum-Computer haben darin keinen Platz. Belle & Sebastian machen Musik, die gemeinhin mit dem Attribut "verstaubt" versehen wird. Ihre Stücke glänzen durch Schlichtheit und eine herrlich un-hippe Attitüde. Dabei sind die Schotten keineswegs begnadete Songwriter - ähnlich wie in elektronischen Entwürfen ist auch bei ihnen der Sound die Message. Nicht umsonst halten sie manche für die Reinkarnation von Simon & Garfunkel. Dabei stellt sich die Frage: Braucht die Welt soviel Sanftheit? Und kann man den luxuriösen, adoleszenten Weltschmerz überwinden, indem man Refugien schafft, die wahlweise Traumstrand, Teestube oder Kinderzimmer heißen? Belle & Sebastian kümmern sich um Musik, die es eigentlich seit mehr als zehn Jahren nicht mehr geben dürfte, da sie längst vom Tagesgeschäft, dem Klang neuer Technologien, verschiedenen Bedürfnissen und Zusammenhängen überrollt und mitsamt ihren Protagonisten im großen Post-Pubertätsarchiv abgelegt seín sollte. Inmitten des oft ausgesprochenen Britpop-Selbstverständnisses wirken Gesten, die zuletzt Anfang der Achtziger zu beobachten waren, leicht deplaziert. Aber auf "Fold Your Hands Child..." werden die Melodien und Harmonien mit einem derartigen Enthusiasmus und einer Frische vorgetragen, daß der retrograde Ausdruck, den man dem Album vorhalten könnte, schlicht weggeblasen wird. Zwar bleibt die eine oder andere trübe Note eskapistischer Grundzüge, doch Ironie und Sarkasmus lugen zwischen jeder Zeile hervor und bilden ein Wechselspiel, das nie in Weinerlichkeit oder Resignation mündet. Mit so etwas im Jahr 2000 glaubwürdig und fast ohne peinliche Fehltritte rüberzukommen, ist ein Kunststück, das Belle & Sebastian erst mal jemand nachmachen muß.

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