Die Amerikaner haben mit "Quills" einen Film über De Sade gemacht. Natürlich haben sie sich vorauseilend dafür gerechtfertigt und entschuldigt. Deshalb dürfen Sie sich vielleicht über einen oder zwei Oscars freuen.
Tatatü, tatata. So oder so ähnlich dürfte es klingen, wenn ein Amerikaner an Frankreich denkt. Und so einen Nachgeschmack hinterläßt auch der neue US-Film über die letzten Tage im Leben des Schriftstellers Marquis de Sade: Er wirkt wie eine vorbeischwebende Wattebäuschchen-Tunte, die man mit Gänsefedern ausgepeitscht hat.
Rekapitulieren wir: De Sade sitzt also - die Endstation seines bewegten Lebens erreicht - in der Irrenanstalt von Charenton. Eigentlich hat man ihn dorthin weggesperrt, um die Welt vor seinen schändlichen Schriften zu schützen. Seine Haft gestaltet sich aber dank der fortschrittlichen Therapieansätze des Anstaltsleiters Abbé Coulmier (Joaquin Phoenix) relativ angenehm: Sade darf schreiben, denn das kulminiert seine Geisteskrankheit. Daß der Marquis mit Hilfe der Magd Madeleine (Kate Winslet), die auch sonst gerne mit ihm herumspielt (immerhin hat sie einen Schlüssel zu seiner Zelle), seine Schriften aus der Anstalt schmuggelt - und daß diese sogleich gedruckt werden, um am Schwarzmarkt wie warme Semmeln zu gehen -, weiß vorerst niemand. Als schließlich der Roman "Justine" in den Druck geht und sich in Windeseile über ganz Frankreich verbreitet, schickt Napoleon seinen schärfsten Bluthund, um dem Marquis endlich die Schneid abzukaufen: Der Psychiater Dr. Royer-Collard (Michael Caine) therapiert vornehmlich mit Schock und Folter - und er soll den Willen des Marquis brechen.
Nach der Ankunft des Folterdoktors weht ein anderer Wind in Charenton. Zwar finden Sade und seine Freunde immer neue Wege, um Schriften nach draußen zu schmuggeln, aber der Doktor greift auch zu immer drastischeren Mitteln, um dies zu verhindern. Als Sade schließlich ein Theaterstück aufführt, in dem er den Doktor über alle Maßen beleidigt - immerhin hat der gute Doc eine Sechzehnjährige geehelicht und hält sie in einem goldenen Käfig gefangen -, ist die Feindschaft zwischen den beiden offen. Und wer der Stärkere ist, wird sich bald in tragischer Weise zeigen...
Mit gutem Schauspiel, interessanten Charakteren und streckenweise überzeugenden Dialogen gesegnet, kommt dieser Film aber doch irgendwie nie so richtig vom Fleck. Man ist zwar niemals gelangweilt, aber auch nie hundertprozentig amüsiert. Am Schluß schlägt wieder die neue amerikanische Mode zu, einen Film nicht ordentlich enden zu lassen, sondern eine Endszene nach der anderen abzuspulen. Offenbar wissen die Amis nicht mehr, wann Schluß ist. "Quills" ist sicher kein schlechter Film. Aber auch kein guter. Außerdem ist er weder geil noch pervers. Und vielleicht sollten noch schnell die ersten Zeilen im Presseheft zitiert werden, damit man ein Gefühl dafür bekommt, wie peinlich berührt sich die Macher selbst von diesem Stoff fühlten: "Ich musste erst einmal in Ruhe Luft holen ... Gluckser, Schreier, Gelächter und Schläge hallten noch in meinem Kopf nach ... ich fühlte mich merkwürdig bewegt von einem Gefühl irgendwo zwischen Scham und Hochgefühl." Das ist das erste, was Philip Kaufman über seinen eigenen Film zu sagen hat. Erbärmlich, nicht?
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