Was zu Zeiten der Erfindung des Rock´n´Roll als selbstverständlich galt, hat sich in den letzten Jahren gravierend geändert: Musik des Krach-Genres zu erzeugen, ist längst nicht mehr ausschließlich westlichen Musikern vorbehalten.
Auf die Internationalität zeitgenössischer Lärmmusik weist auch jenes Album hin, das der Rezensent soeben in die Finger bekommen hat. Unbekannte Schriftzeichen sowie ein Globus, auf dem die japanischen Inseln den Mittelpunkt bilden, zieren das Booklet - und lassen keinen Zweifel mehr an der Herkunft des Produkts aufkommen. Alles klar, hier handelt es sich um eines jener Projekte junger wilder Ostasiaten, die schon seit einiger Zeit mit ihren frischen, oft interessanten Produktionen das feingespitzte Ohr des Musikfreundes füttern. Also nix wie heim, rein mit dem Ding in den CD-Changer, Verstärker aufgedreht, und los geht´s.
Aus dem Internet erfährt man dazu folgendes: Bereits 1995 gründen Leadsänger Fumio Ito und Baßgitarrist Noriaki Tsuda die Band Kemuri. Zusammen mit drei weiteren Musikanten wird ein Demo-Tape produziert, und mit 200 Kopien desselben in der Tasche reist Fumio noch im selben Jahr in die USA. Dort gelingt es ihm in kurzer Zeit, wichtige Connections - unter anderem mit dem charismatischen Mike Park (Frontmann der Bruce Lee Band) - aufzubauen. Zurück in der Heimat, wird weiter fleißig geprobt, getourt und natürlich aufgenommen. Diverse Besetzungswechsel führen zum aktuellen Line-up, das sich wie folgt liest: Ito und Tsuda, dazu der Drummer Shoji Hiraya. Hidenori Minami an der Gitarre und - tatatataaa! - damit´s so richtig lärmt, die beiden Blechbläser Ryosuke Morimura (Trompete) und der Saxophonist Ken Kobayashi.
Klingelt´s bereits?! Was da aus den Boxen dröhnt, ist bester Ska-Punk, und Kemuri gelten sogar als Japans Nummer eins auf diesem Sektor. Obwohl hier - aus Mangel an einschlägiger Information - keine Vergleiche gezogen werden sollen, könnte es gut möglich sein, daß ihnen dieser Titel aus gutem Grund zuteil wurde. Die Songs sind schnell, haben den typischen Polka-Rhythmus, der sofort und direkt in Tanzbein und Nacken fährt, sind virtuos eingespielt und - einander durchwegs ziemlich ähnlich. Itos Stimme erinnert des öfteren an die eines Schlagersängers (Motto: Karel Gott auf japanisch, begleitet von den Toten Hosen) was nicht unbedingt ein Störfaktor ist. Der Sound bewegt sich irgendwo zwischen jenem der Genre-Kollegen von NOFX und aktuellen Fun-Rock-Combos wie etwa Lit.
Konzert- und Partytauglichkeit kann man dem Kemuri-Liedgut ebenfalls nicht absprechen. Leider gelingt es nicht hundertprozentig, die Stimmung, die die Songs wohl live auslösen (was im Konzertsaal Spaß macht, kann im Wohnzimmer oft bereits nach der dritten Nummer langweilig werden), mit diesem Studioalbum zu dokumentieren - sollte man je die Möglichkeit haben, die Japaner on stage zu erleben, dann gehört die Gelegenheit beim Schopf gepackt, um den ersten Eindruck zu überprüfen.
Zum Schluß noch die zwingenden Anspieltips: "In the Perfect Silence", eine Komposition, bei dem vor allem das ausgeprägte "L" Fumios auffällt. Überhaupt macht es den Anschein, als fühlte sich der Leadsänger im Englischen nicht ganz zu Hause; ein Umstand, der uns zu zwei weiteren Songs führt: "Kirisame" und "Mangetsu No Yoru Ni Hana" die beide auf japanisch (höchstwahrscheinlich) gesungen sind. Zu guter Letzt noch die Songs, die sich am meisten von den anderen unterscheiden: "Into Sands" und das Instrumental "Hoshizora To Heishi", bei denen man sich nach all der Hektik der dreizehn anderen Lieder so richtig entspannen kann.
Hören Sie wohl!