Sie fliegen durch die Lüfte, beherrschen kunstvoll ihre Schwerter und sehnen sich doch nur nach Liebe, Leidenschaft und Freiheit. Ang Lee schwelgt im Geist der legendären Martial-Arts-Filme Hongkongs und schickt seine Helden durch große Kämpfe und Gefühle. Eine opulente Bilderpracht, beseelt vom romantischen Abenteuer.
Schon in den Sechzigern kreierte das Hongkong-Kino einfach die atemberaubendsten Bilder: Schwertkämpfer wirbeln mühelos durch die Luft, balancieren ihre Waffen in unheimlicher Kunstfertigkeit und scheinen so magisch wie die Hexer und Dämonen, die sie besiegen müssen. In diesen phantastischen Universen, die sich auf traditionelle Mythen und Legenden gründen, gehen öde Gesetze der Schwerkraft und Logik in wallenden Gewändern, wehenden Haaren und Bildern voller Farbe und Bewegung unter. Diese Faszination stellt Ang Lee in "Crouching Tiger, Hidden Dragon" eins zu eins nach. Der Originaltitel, der in etwa "Nichts ist, wie es scheint" bedeutet, entspinnt nach einer populären chinesischen Romanvorlage eine märchenhafte, romantische Geschichte, prall gespickt mit High Tech-Kampfszenen à la "Matrix".
Zwei gegensätzliche Frauen stehen im Mittelpunkt der Handlung - mit ähnlichen Schicksalen, die sich zufällig verknüpfen, nur um konträr zu enden. Yu Shu Lien (wunderbar: Michelle Yeoh) ist im China des frühen 19. Jahrhunderts eine virtuose Schwertkämpferin und die engste Vertraute des berühmten Martial-Arts-Künstlers Li Mu Bai (Chow Yun Fat). Beide verbindet eine heimliche Liebe, der sie freiwillig entsagen. Er will sich - des Kämpfens müde - zurückziehen und bittet sie, sein Schwert "Green Destiny" an den Hof in Peking zu bringen. Dort begegnet sie der jungen Jen (Zhang Zi Yi). Die Gouverneurstochter lebt in der luxuriösen Obhut ihres Vaters wie in einem Gefängnis und träumt von Freiheit, einem abenteuerlichen Leben als Schwertkämpferin und ihrer großen Liebe, dem mongolischen Rebellen Lo (Chang Chen). Nachts stellt sie ihr Können als maskierter Dieb auf die Probe. Und kaum ist die antike Waffe verschwunden, wird sie auch schon von Yu verdächtigt.
Als Jen in letzter Minute die von ihren Eltern arrangierte Hochzeit mit einem farblosen Adeligen platzen läßt, kreuzen sich die Wege der Protagonisten beim Versuch, den Diebstahl aufzuklären. Sie verfolgen die Zauberin Jade Fox (Hongkong-Legende Cheng Pei Pei) und jeder für sich nebenbei seine offenbaren und uneingestandenen Sehnsüchte. "A faithful heart makes wishes come true" lautet dabei der Satz, der die junge ehrgeizige Jen auf ihrer Flucht vor den Konventionen begleitet, und den sie in einer einzigartigen Konsequenz befolgen wird. Nach spektakulären Duellen kommt es scheinbar am Ende der Welt zum Showdown, bei dem auch die symbolischen, verborgenen Drachen in Erscheinung treten…
Geschickt verwebt Ang Lee in seinem historischen Drama zwei äußerst romantische Lovestorys mit einem reinrassigen Martial-Arts-Streifen in exotischer Kulisse. Dabei hält sich der taiwanische Kunstfilm-Darling ziemlich genau an die Genrevorgaben: Die Frauen sind stark und unabhängig, die Männer voll emotionaler Zwiespalte, und alle glauben an die Kraft des Willens und reiner Herzen. Erzählt werden diese Geschichten voller Ernsthaftigkeit - und auch "Tiger & Dragon" verhandelt seine mit taoistischen Werten versehene Fabel ohne jegliche Ironie oder Hinterfragungen, denn nur so kann sie funktionieren. Auch die zum Teil spektakulären Kampfsequenzen stehen ganz im Geiste Hongkongs, obwohl die Effekte unter der Leitung des chinesischen "The Matrix"-Choreographen aus dem Computer kommen.
Ang Lee erfüllte sich mit seinem ersten in Taiwan gedrehten Film seit "Eat Drink Man Woman" (1994) nach eigenen Angaben einen Kindheitstraum, der von der internationalen Kritik hymnisch gefeiert wurde. Der Regisseur, der bisher mit detailreichen Gesellschaftsstudien unterschiedlichster Vergangenheits- und Gegenwartsepochen - wie "Sinn & Sinnlichkeit" (1995), "The Ice Storm" 1996) und zuletzt "Ride With the Devil" (1999) - für Furore sorgte, schuf hier ein äußerst sehenswertes Meisterwerk mit Hoffnungen auf einen Oscar. Obwohl das Quentchen Charme von Tsui Harks "A Chinese Ghost Story" und Konsorten zugunsten eines etwas zu präzise durchexerzierten Kunstanspruchs abgeht, sollte man sich dem Bildertaumel seiner besten Momente auf jeden Fall überlassen. Verantwortlich für den Genuß sind auch die Schauspieler, allen voran natürlich Michelle Yeoh und Hongkong-Star Chow Yun Fat ("The Killer") als sensibler Held, der zuletzt in schwachbrüstigen Hollywood-Streifen (wie "Anna and the King") zu Unrecht verbraten wurde und hier wieder zu seiner gewohnten Form finden darf. Schön!