Im Wettlauf mit dem bösen Serienmörder Griffin befällt FBI-Agent Campbell des öfteren die große Müdigkeit. Fast symptomatisch, denn Newcomer Joe Charbanic versenkt die wenigen guten Ansätze in glatter Ideenlosigkeit.
Wir brauchen es so dringend wie das endlose Revival der metaphysischen Horrorschocker, wo zahllose uninspirierte "Exorzist" und "Omen"-Adaptierungen dem Teufel endgültig den Garaus machen: das x-te Serial Killer-Movie. Irgendwie beschleicht den geeichten Kinogeher das dumpfe Gefühl, viel Ultimatives zum Thema sei schon gesagt und gezeigt. Und daß man sich mächtig anstrengen muß, um hier noch neue Perspektiven oder Garstigkeiten zu etablieren. Wo die Wirklichkeit die Fiktion fast wöchentlich überholt, erweisen sich vertrocknete Blutwürste wie "The Watcher" ohne neuen Input als ziemlich überflüssig.
FBI-Agent Joel Campbell (James Spader) ist ein menschliches und psychisches Wrack. Dem Spezialisten für Serienmörder hat sein persönlicher Erzfeind übel mitgespielt: Der von ihm gejagte David Allen Griffin (Keanu Reeves) hat Campbells Geliebte vor seinen Augen ermordet. Also hat der jetzt ein schweres Trauma, klarerweise keine Lust mehr auf seinen Job und eine hübsche Psychotherapeutin (Marisa Tomei), die ihn im selbstgewählten Exil Chicago mit Psychopharmaka versorgt. Der gute Mann ist schwer depressiv, das merkt man: Sein Kühlschrank ist stets leer, die Wohnung unaufgeräumt, und Zeitungen liegen am Boden verstreut herum. Dafür schluckt er mehrmals täglich Tranquillizer und Antidepressiva und spritzt sich ein Migränemedikament. So vegetiert er als Schatten seiner selbst im Halbschlaf, von Erinnerungen gequält, dahin.
Aber da kommt auf einmal Action auf: Campbell beißt in eine Orange, und ihn ereilt ein Brief mit dem Photo einer jungen Unbekannten. Sein düsterer, gutaussehender Gegenspieler ist ihm nach Chicago gefolgt und will die Frau töten, falls es der Polizei nicht gelingt, sie in 24 Stunden auszumachen. Da sich der gewiefte Killer nur Opfer aussucht, die völlig allein und anonym in der kalten Großstadt leben, ist dies ein fast unmögliches Unterfangen. Da kapituliert Campbell vor seiner Vergangenheit, zieht seinen besten Anzug an und leitet die großangelege Suchaktion. Die schlägt fehl, aber Griffin setzt das perverse Spiel fort und macht sich auch an die ahnungslose Psychiaterin heran. Ein paar Zufälle und pyrotechnische Effekte später stehen sich die beiden Kontrahenten Aug in Aug zum großen Showdown gegenüber - inklusive der Neuauflage des Traumas für die mögliche Katharsis. Wird sie gelingen?
Newcomer Joe Charbanic, bislang nur als Videoregisseur tätig (u. a. auch für Reeves Band Dogstar), verzichtet in seinem Erstling völlig auf subtile Nuancen und tiefergehende Erklärungen. Er erspart uns lästige Details, etwa die Motive des Killers. Damit reduziert er aber eine wichtige Figur zum hohlen Chargendasein, die noch dazu mit einer besonders dämlichen Trademark ausgestattet ist – Griffin tanzt seine Opfer an, vorzugsweise zu Rob Zombie, bevor er sie umbringt – und in der Keanu Reeves als abgründiger Bösewicht ungefähr so überzeugend wirkt wie der Papst. Der Film macht vor keinem noch so abgegriffenem Klischee (siehe oben) halt, verzichtet dafür aber auf Logik (z. B. wird Campbell trotz Dauerdröhnung und Psychodefekt sofort Kopf der Polizeieinheit) und strapaziert, wenn es dann doch irgendwie weitergehen soll, den Zufall. Die fehlende Spannung versucht Charbanic mit allerlei optischen Mätzchen wettzumachen. Visuelle Verfremdungen und wechselnde Texturen sind Ergebnis seiner Videoherkunft, aber zumindest ein kurzweiliges Anzeichen von Bemühung - und allein verantwortlich für den dritten Punkt in der Wertung, den der Soundtrack voller Uralt-Hits und eine gruftig angelegte Homepage fast wieder zerstören.
Nur James Spader (großartig z. B. in David Cronenbergs "Crash") überzeugt als gebrochener Jäger, der - nervlich am Ende - im Dämmerzustand vor sich hinleidet bis zum letzten Gefecht. Leider rettet sein lobenswerter Einsatz den Streifen nicht vorm raschen Vergessenwerden. Fazit: einmal mehr gelacktes Hollywood-Kino der hohlen Gesten, leeren Versprechungen und Pseudo-Stories, in der an sich gute Schauspieler zu hölzerner Staffage verbraten werden. Wir warten auf "Hannibal".
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