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Ist man wie Benjamin Mallaussène Sündenbock von Beruf, darf man sich nicht wundern, wenn man plötzlich für alles den Kopf hinhalten muss - sogar für eine Serie von Morden.
Benjamin Malaussène arbeitet in der Reklamationsabteilung eines großen Pariser Kaufhauses. Dort erschüttert am Weihnachtstag eine Explosion in der Spielwarenabteilung, bei der ein älterer Mann getötet wird, die Mitarbeiter. Mit diesem Bombenanschlag beginnt eine Serie von Morden, deren Motiv lange unklar ist. Klar ist aber für die Polizei und auch für die Angestellten im Kaufhaus, dass Benjamin Malaussène etwas damit zu tun haben muss. Denn jedes Mal, wenn eine Bombe detoniert, ist er gerade in der Nähe des Opfers. Warum weisen alle Indizien auf ihn ? Wer will ihm schaden ?
Im Mittelpunkt von Pennacs turbulenten Roman, der jetzt in einer Neuübersetzung erschienen ist, stehen vor allem die originellen Figuren von Benjamin und seiner Familie. Denn in dieser Familie "ist nichts, wie es sein sollte", wie schon der Klappentext richtig verrät. Die liebestolle Mutter ist "von der Rolle", d. h. bei einem Liebhaber und nicht bei ihren zahlreichen Kindern, die stattdessen Benjamin erzieht und ernährt. Vater bzw. Väter gibt es keine(n), da sich die Mutter nach der Geburt ihrer Sprösslinge von deren Erzeugern gleich wieder getrennt hat. Benjamin lebt mit seinen jüngeren Schwestern und Brüdern in einem ehemaligen Laden im Pariser Multi-Kulti-Viertel Belleville. Und er hat es wahrlich nicht leicht: Louna erwartet Zwillinge von einem Arzt, der sie verlassen hat, Thérèse ist Hobbyastrologin und angehende Sekretärin, weshalb sie Bens Gutenachtgeschichten immer mitstenographiert. Seine Lieblingsschwester Clara wiederum fotografiert mit Leidenschaft alles und jeden in ihrer Umgebung und in jeder erdenklichen Situation. Jérémy ist ein renitenter Rabauke und Le Petit (der Kleine) zeichnet mit Vorliebe kannibalistische Weihnachtsmänner.
Und bei einer so auffälligen Sippschaft verwundert es natürlich nicht, dass die Verdachtsmomente gegen Benjamin immer zahlreicher werden, bedenkt man auch noch, dass Jérémy in der Schule erfolgreich eine Bombe bastelt oder Thérèse beim dritten Mord im Kaufhaus am Tatort gefunden wird, weil sie den Tag der Tat astrologisch berechnet hat. Nicht zu vergessen ist Benjamins Hund Julius, dessen erster epileptischer Anfall nicht nur für Aufregung in der Familie sorgt, sondern auch mit der Aufklärung der Verbrechen zu tun hat.
Letzendlich werden einige Unklarheiten bei den Verbrechen durch Benjamins vorwitzige Geschwister aufgehellt. Hilfe bekommt der gestresste Held auch durch eine überaus attraktive und verführerische Journalistin, "Tante Julia", sowie durch seinen besten Freund und Arbeitskollegen, dem schwulen Théo, und durch den serbischen Kaufhaus-Wachmann Stojil.
Daniel Pennacs unterhaltsamer Roman bietet ein Feuerwerk an originellen Sprachspielereien und witzigen Wortspielen, ist voll Ironie und amüsanter Szenen. Immer wieder gelingt es dem Autor, der Handlung eine völlig unerwartete Wendung zu geben. Bis zum Schluß rätselt man mit, wer der/die Täter sein kann/könnte. Man kann dieses Buch einfach nicht weglegen, bevor man weiß, welches Motiv hinter den Bombenanschlägen steckt und warum Sündenbock Benjamin in die Taten hineingezogen wird.
Auch wenn einige der Ereignisse genauer betrachtet unglaubwürdig erscheinen, so sind sie doch nicht ganz unrealistisch. Dassselbe gilt für das Motiv der vermeintlichen Morde. Auch wenn Benjamin und seine Geschwister nicht im Detail beschrieben sind - es gibt zum Beispiel kaum eine psychologische Innenschau ihrer Gefühle - sind sie lebendige, sympathische Figuren, die man nur ungern verlässt. Das muss man im Prinzip auch nicht…. Gott sei Dank gibt es inzwischen schon weitere Malaussène-Romane.
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