Nach wie vor erfreut sich der Themenkomplex Groove/Lounge/Easy Listening größter Beliebtheit. Bei der Vielfalt der Styles, die täglich auf den Markt geworfen werden, bedarf es schon einer entscheidenden ästhetischen Differenz, um nicht in der Masse unterzugehen. Doch Andy Dragazis alias Blue States weiß: es gibt nichts Gutes, außer man tut es...
Die Sonne scheint für alle gleich. Na gut, in England vielleicht seltener, vor allem zu dieser Jahreszeit. Das ist wohl auch der Grund dafür, warum die Briten einen starken Hang zu mollig-melancholischen Klängen entwickelt haben. Man denke nur an die zahllosen, blassen Britpop-Bands, die ihren Weltschmerz ganz verhalten und wehmütig zur Schau stellen. Oder die Heerscharen von Elektronik-Pop-Bastlern, deren musikalische Statements oft wie eine Hommage an neblige Tage und den trüben Himmel klingen. Andy Dragazis, ein gebürtiger Grieche mit Wohnort in England, liefert auf seinem Album "Nothing Changes Under the Sun" den perfekten Soundtrack für eben jene Art von Schwermut, die uns heimsucht, wenn die Tage kürzer und die Nächte länger und kälter werden.
Viele Elemente auf der CD lassen darauf schließen, daß Dragazis eine typisch britische Musiksozialisation durchlaufen hat - seine gitarrenlastige Beat-Architektur ist von einem starken Hang zur Sentimentalität geprägt. Trotzdem ist "Nothing Changes Under the Sun" mehr als bloß eines von vielen Post-Club-Chillout-Alben, denn auf elegante Art und Weise werden die Errungenschaften moderner Studiotechnik (Sounds, Samples, Grooves) mit konventioneller Instrumentierung (Baß, Gitarre, Schlagzeug) verknüpft, ohne sich dabei um starre Genre-Grenzen zu scheren. An derlei bemühtem Eklektizismus versuchen sich heutzutage zwar zahlreiche Produzenten, aber nur wenigen gelingt dabei tatsächlich ein sinnstiftender Zusammenhang.
Bei Blue States verbinden sich verschiedenste Momente aus der Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte zu einem homogenen Strom, ohne bloß als Zitate im Raum stehenzubleiben. Das klingt zuweilen so, als würden sich die Shadows mit einem Rundfunkorchester und einer Drum-Machine zu einer Jam-Session treffen - Retro-Pop im positivsten Sinne. Andy Dragazis begnügt sich aber nicht mit dem Plündern musikalischer Altlasten, sondern wirft vertraute, exotische und zeitgenössische Elemente in einen Topf, um alles auf kleiner Flamme köcheln zu lassen, bis es richtig gar ist. Dabei entsteht ein Süppchen, das nicht nur ausgesprochen schmackhaft, sondern auch recht gehaltvoll serviert wird.
"Nothing Changes Under the Sun" ist ein Album, das Herz und Seele zu erwärmen vermag, aufgrund seiner stilistischen Vielfalt auch nach oftmaligem Abspielen nicht langweilt und in Summe als eine der gelungensten Produktionen im Reich von Groove/Lounge/Easy Listening zu empfehlen ist. Und gottlob will uns Mr. Dragazis dieses Werk nicht als New-Sound-of-Irgendwas verkaufen, weil er weiß: Es gibt nichts Neues unter der Sonne, aber jede Menge Splitter, Teile und Fragmente, die sich auf bislang selten gehörte Art und Weise verbinden lassen.
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