"Externum Internus" ist der Soundtrack einer Pflanzen-Bioaktivitäts-Ausstellung, die der britische Komponist Michael Prime im vorigen Jahr in Brüssel dem erstaunten Publikum präsentierte. Die Musik wurde allerdings nicht für den Anlaß komponiert, sondern resultiert aus den Klängen von vier Regenwaldbäumen, deren Wachstums- und Lebensprozesse durch Infrarot-Bewegungsdetektoren aufgenommen und danach im Studio bearbeitet wurden.
Ein ungewöhnliches Projekt ist diese CD von Michael Prime, sowohl was die Entstehung der Klänge betrifft, als auch was die zu hörenden Sounds selbst angeht. Prime wurde in den letzten zwanzig Jahren bekannt durch seine Arbeit mit der Gruppe Morphogenesis. Seit 1985 widmet sich diese nicht nur experimenteller Komposition, sondern verbindet auch traditionelle Möglichkeiten der Klangerzeugung mit der Forschung nach der Erweiterung von Hörgewohnheiten.
Seit Jahren schon integriert Michael Prime nun die Töne von elektromagnetischen Schallwellen in seine Musik und bei Live-Auftritten seiner Band wurde schon oft das Ambiente des Raumes mitsamt seinen Besuchern selbst zur Quelle der Tonherstellung. Das Rascheln von Pflanzen im Wind, Stimmen von unterschiedlichsten Tierarten oder die Messung der eigenen Hirnaktivität wurden somit zum Ausgangsmaterial für die Musik von Morphogenesis.
"I suppose it relates to Zen and Cage and the idea of being aware of the sounds around you. I've looked for ways of interacting with the environment by using things like radio microphones and the use of the bioactivity translator which is the machine that measures the voltage potential of any living organism and translates it into sound." sagte Prime in einem Interview vor zehn Jahren. Nun hat er diesem Statement vielleicht sein bisher radikalstes Werk folgen lassen, denn "Externum Internus" besteht ausschließlich aus den auf deise Weise erzeugten Sounds der bereits genannten Bäume.
Wenn man die CD einlegt, so hört man die ersten fünf Minuten nur einen sonoren Brummton. Danach gesellt sich hin und wieder ein Rascheln und Kratzen dazu, langsam jedoch steigert sich die Intensität und unbekannte Klänge beginnen im Raum herumzuschweben und gewisse Muster zu bilden, die nicht komponiert klingen, sondern wie das Resultat zufälliger Aktivität. Und genau das sind sie auch, denn die Besucher von Primes Ausstellung versetzten durch ihre Bewegung die Bäume in ein kontinuierliches Rauschen und wurden somit quasi zu einer Störung des klanglichen Ökosystems des Raumes.
Prime bringt mit diesem Album die Idee der "Ambient Music" zu ihrer logischen Klimax: anstatt Sounds für einen Raum zu komponieren, entsteht Musik aus den Klängen, die der Raum selbst abgibt. Damit steht der Komponist deutlich in der Tradition der Field Recordings, allerdings präsentiert er seine Forschung so unverfälscht und pur, daß er damit eine neue Dimension in diesem Genre öffnet. Die abstrakte Musik auf diesem Album mag den einen oder anderen Hörer vielleicht enttäuschen, aber es ist schon faszinierend, Töne zu hören, die unserem Ohr auf natürliche Weise verborgen blieben. Und nach dem Genuß des Albums kann man sich zum ersten Mal auch so richtig vorstellen, was für ungehörte Konzerte sich tagtäglich zwischen den eigenen Zimmerpflanzen abspielen.
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