Touch Records scheinen sich darauf spezialisiert zu haben, Hinterlassenschaften zu veröffentlichen. Vielleicht sollte man aber so manches Erbe erst gar nicht antreten...
Mark van Hoen alias Locust war in den 90er Jahren ein Pionier des modernen Ambient oder Dark Ambient, davon zeugen mehrere Tonträger auf Apollo Records (Waethered Well und Natural Composite). Seine Werke zählen zu Recht zu den besten dieses Genres, er spielte in der selben Liga wie Brian Williams (Lustmord), Lagovski (Seti) oder Robert Rich.
1997 erschien "The Last Flowers of Darkness" (Touch), ein tanzbares Album, durchsetzt mit düsteren Klangteppichen, die an die alten Zeiten erinnerten. Dazwischen lagen Jahre der Frustation, der ersehnte kommerzielle Erfolg blieb aus, Projekte wie Scala (mit Sarah Peacock, die damals Backing Vocals für Seefeel lieferte) gerieten schnell in Vergessenheit. "The Last Flowers of Darkness" dagegen ist eines der besten Alben Locusts, auch wenn es unter seinem eigenen Namen erschien. Selten zuvor war es geglückt, ätherisch-klassischen Ambient mit tanzbaren Beats zu kombinieren, ohne dabei auf Eleganz oder großzügige Arrangements zu verzichten.
Statt aus der Vergangenheit zu lernen, präsentiert Mark van Hoen gemeinsam mit Touch Records mit "Wrong" (nomen est omen) nun ein Album, das eigentlich drei Jahre alt ist. Die erste CD des im Beipacktext als "Twinset" ausgewiesenen "Double Features" ist Schnee von gestern. Die Musik ist zwar prinzipiell großartig, doch Holli Ashtons Schrillstimme drängt sich dermaßen penetrant in den Vordergrund, daß jegliche Wahrnehmung sofort auf ihr nicht gerade dezentes Organ fokussiert und die darunterliegenden Klänge beinahe ausgelöscht werden.
Vorsicht ist sowieso immer dann geboten, wenn eine Audio-CD mit einem Beipacktext versehen wird, der erklärt, wie man das Produkt handhaben soll. CD 2 soll hier nämlich nicht allein gespielt werden, o nein. Gewünscht wird, daß sie möglichst zeitgleich mit CD 1 abgespielt wird - man kann CD 2 ja in den "Home Computer" oder "Ghettoblaster" einlegen. Was das bringen soll, ist unklar: CD 2 klingt verdammt nach Granularsynthese, farbigem Rauschen und verwaschenen Vocal-Passagen. Loops, in der Länge jeweils passend zu den Tracks auf CD 1, vermitteln auch nichts neues.
Angeblich war ja das Equipent, das zum Einspielen der Musik für CD 1 verwendet wurde, gänzlich analog. Warum die Aufnahmen dann aber trotzdem steril digital klingen, liegt möglicherweise am "Pro Tools"-Recording-Verfahren, vielleicht wird einfach nur Schabernack mit den Hörern getrieben. Unverzeihbar ist auf jeden Fall der extensive Einsatz des AutoTune-Harmonizers, gleich auf der ersten Nummer der ersten CD. Als hätten wir uns an "One More Time" (Daft Punk) nicht längst sattgehört. Ärgerlich - und inzwischen geradezu altmodisch.
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