Seiji Ozawa ist sicher ein sehr geschätzter Dirigent und hat seinen Hörern schon mehrfach wunderbare Erlebnisse beschert. Wahrscheinlich war es (vielleicht auch durch den Mangel an Stardirigenten) nötig, ihn endlich einmal für das traditionelle Neujahrskonzert einzuladen. Er hat bewiesen, daß man diese Musik nicht "ernen" kann; entweder hat man sie im Blut oder nicht.
Die vorliegende Neujahrskonzertproduktion ist ein Schulbeispiel dafür, wie man sich durch geschickte Programmwahl vor einem kompletten Desaster retten kann. Ozawa hat gemeinsam mit den Philharmonikern und dem Musikwissenschaftler Franz Mailer ein Programm zusammengestellt, das nicht viele Vergleiche zuläßt. Wäre nämlich eine hundertprozentige Vergleichbarkeit möglich, wäre der Absturz total.
Generell kann gesagt werden, daß der japanische Maestro sehr brutal agiert hat (beziehungsweise hätte, wenn ihn das Orchester gelassen hätte). Feinheiten wurden "wegdirigiert", und der Bogen verlor sich sowieso oft bei den großen Walzern. Gottlob haben ihm die großartigen Wiener Philharmoniker über viele Hürden hinweggeholfen, an denen er beinhart gescheitert wäre.
Und was findet sich auf der CD? Na ja, eine biedere "Fledermaus"-Ouvertüre, ein "Künstlerleben", eine etwas flügellahme "ibelle", ein goschertes "Plappermäulchen", ein "Wiener Blut", wo über die Streichersolisten gleich ein Kübel Zuckerguß ausgeleert wurde, und obligatorisch der "Donauwalzer" und der "Radetzkymarsch". Da denkt man wehmütig an Karajan, Kleiber und Harnoncourt - wieviel besser die doch waren...
Das große Plus der Produktion sind jedenfalls die einzigartigen Musiker des Wiener Orchesters. Positiv erwähnenswert sind das liebevoll aufgemachte Textheft mit netten Texten und ebensolchen Bildern und die ordentliche Aufnahmetechnik. Trotzdem: unterm Strich ein sehr durchschnittliches Produkt.
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