Cabaret Voltaire gelten bis heute als die wichtigsten und einflußreichsten Vertreter des Achtziger Jahre Electro-Funk. Mit vorliegender 3-CD-Box zollt ihnen ihre ehemalige Plattenfirma Virgin Respekt und beschert damit den Fans eine riesige Sammlung all der raren Nummern, die es bisher noch nie auf CD gegeben hat.
Richard H. Kirk, einer der produktivsten Vertreter aus dem Genre der elektronischen Musik und Stephen Mallinder, nach Australien ausgewanderter Sänger der Gruppe, sind die Hauptfiguren des seit 1974 bestehenden Projekts Cabaret Voltaire. Obwohl sich die Band offiziell nie aufgelöst hat, ist seit 1990 kein neues Album mehr von ihnen erschienen.
Ihr erstes Majorlabel Virgin bietet den Fans nun gemeinsam mit EMI eine ganze Flut von Veröffentlichungen, angefangen mit dem vor einem halben Jahr erschienen Album "Remixed". Fanden sich darauf eher lieblos zusammengestellt alternative, aber größtenteils bereits veröffentlichte Versionen von Singles aus der Zeit von EMI, so stellt die neue 3-CD-Box ein wahrlich anderes Kaliber an Release dar. "Conform To Deform" bietet auf zwei CDs einen Überblick über Rares und Vergessenes aus den Archiven der Band, auf CD 3 gibt es einen bisher unveröffentlichten Mitschnitt eines Live-Konzerts aus dem Jahr 1990.
Wenn man die Nummern der neuen CD-Kollektion nach langer Zeit wieder einmal hört, so wird einem klar, wie weit Cabaret Voltaire ihrer Zeit damals vorauswaren. In den Achtzigern die erfolgreichsten Vertreter des sogenannten Sheffield-Funk, verbanden sie ihre harten Industrial-Sounds mit Einflüssen aus der schwarzen Musik. Nicht zufällig hieß eine Single von 1984 "James Brown" und war somit eine Hommage an eines der größten Vorbilder der Band. Später, gegen Ende des Jahrzehnts, traten sie dann in ihre bei weitem kommerziellste Phase ein, die in der Veröffentlichung des Albums "Groovy, Laidback and Nasty" kulminierte.
Die Zusammenstellung des neuen Boxsets erfolgte nach den Anweisungen von Mastermind Kirk, der auch einen neuen Remix des Klassikers "Just Fascination" beisteuerte. Er scheint auch einige Schätze aus seinem Archiv hervorgeholt zu haben, denn es finden sich auf den neuen CDs eine ganze Menge alternativer Versionen von Album-Tracks, darunter 12" Mixes von Nummern, die es wohl nie zur Single-Auskopplung gebracht haben. Beispiele dafür wären unter anderm ein Francois Kevorkian-Remix von "Sex, Money, Freaks" oder ein Kirk-Mix von "The Web" und "Code".
Als weiteres Zuckerl sind auf "Conform" die meisten Maxi-B-Seiten aus der Zeit von Virgin inkludiert, darunter so großartige Tracks wie "Bad Self" oder "Cut The Damn Camera", die Rückseite ihrer wahrscheinlich wichtigsten Single "Sensoria". Auch all die Stücke des Video-Releases "Gasoline In Your Eye", die es nie auf Platte gegeben hat, finden sich hier wieder. Abgerundet wird der bunte Reigen mit gänzlich neuen Songs, so zum Beispiel der Nummer "Eastern Track", die aus den Sessions ihres Meisterwerkes "Micro-Phonies" übriggeblieben ist.
Die dritte CD, "Liveform" betitelt, ist ein etwas überraschender Bonus, denn die "Groovy-Tour" von 1990 zählt allgemein zu einem der dunkelsten Kapitel aus dem Schaffen dieser großartigen Band. Von EMI dazu angehalten, mehr kommerzielles Potential zu entwickeln, begann Mallinder eher unbeholfen auf der Bühne herzumzutanzen, und Kirk, unglücklich mit der Entwicklung zur Popband, versteckte sich mehr denn je hinter seinen Gerätschaften. Die Soundqualität dieses Mitschnitts läßt leider etwas zu wünschen übrig, und die Auswahl der Songs ist recht heterogen: so spielten Cabaret Voltaire an diesem Abend sowohl ihre "alten Hits", als auch die neuen Nummern des "Groovy, Laidback And Nasty" Albums - einige davon allerdings in überraschend unkommerziellen Versionen. Obwohl auch hier wieder einige unveröffentlichte Tracks zum ersten Mal zu hören sind, bleibt die Live CD doch etwas für den eingefleischten CV-Fan, denn Wesentliches findet sich darauf sicher nicht.
Erwähnenswert ist abschließend noch die ansprechende Verpackung des ganzen Sets - das Design stammt, wie zumeist, von Richard H. Kirks Haus- und Hofgraphikern "The Designers Republic" aus Sheffield. Das 32 (!)-seitige Booklet bringt außerdem noch ein langes Interview mit der Band und zehn Seiten an Kommentaren von Musikerkollegen von damals und jetzt. "Conform To Deform" wird somit zu einem wichtigen Zeitdokument, das die Bedeutung so mancher Jungelektroniker doch etwas verblassen läßt.
PS: Am 24. Dezember veröffentlicht Virgin noch ein weiteres Album von Cabaret Voltaire mit dem Titel "The Original Sound Of Sheffield" - eine Kollektion all der Singles von 83-90. Des weiteren exisitiert eine Maxi mit drei neuen Versionen von "Just Fascination" und "Sex, Money, Freaks". Und schließlich wird es im nächsten Jahr endlich offizielle Webpages für CV und Richard H. Kirk geben.