Was den Soziopathen zum Gesellschaftsschädling macht, erörtert Cédric Kahn in "Roberto Succo" nicht. Der Film bleibt an einer empirischen, wenngleich erfundenen Oberfläche.
Mit "L´Ennui", einer Verfilmung des gleichnamigen Alberto-Moravia-Stücks, war Cédric Kahns unspekulativer Stil unlängst in unseren Kinos zu sehen. Nun ist ein weiteres seiner Werke, das auch bei der heurigen Viennale gezeigte Serienmörder-Porträt "Roberto Succo", reif für den Kinostart. Nun gut. Nicht, daß Serienmörder fad oder uninteressant wären - aber hat man sie nicht alle schon gesehen? Der gute Roberto jedenfalls hat wenig, was ihn von den anderen unterscheidet. Aber er war immerhin Europäer, und damit hätten wir ja auch schon einen Filmstoff.
Was bis zum Zeitpunkt, an dem der Film beginnt, bereits passiert ist, davon erfahren wir erst viel später, und auch dann nur fragmentarisch: Roberto Succo, nach dem Mord an seinen Eltern in eine italienische Irrenanstalt eingewiesen, von dort geflohen und in Frankreich untergetaucht, treibt sich an der südfranzösischen Küste herum. Er hat eine Liebesbeziehung mit der hübschen, aber völlig ahnungslos-naiven Léa (Isild Le Besco). Zwischendurch begeht er Raub und Mord, ohne Plan und Ziel. Man bekommt schnell den Eindruck, daß es Roberto, der sich einmal Kurt nennt, aber im Verlauf der Handlung noch viele andere Identitäten annehmen wird, ausschließlich um Machtphantasien geht. Der mit dem Fall beauftragte Gendarm Thomas (Patrick Dell´Isola) tappt ziemlich im Dunkeln; er ist der einzige, der überhaupt an einen Serientäter glaubt.
Daß die Polizei des Mörders einfach nicht habhaft werden kann, liegt an seiner völlig planlosen, verworrenen Vorgangsweise. Succo hatte einfach einen gewaltigen Huscher, und wie im wirklichen Leben entpuppt er sich auch im Film als Mensch, den man wirklich nicht auf die Öffentlichkeit loslassen sollte, auch wenn er wie alle Soziopathen von Kindheitstraumata gequält wird und unter sich selbst leidet. Woran das liegt, wird allerdings nicht klar. Gezeigt wird nur die ständige, getriebene Flucht Succos, seine systemlose Spur der Gewalt, die er von 1981 bis 1988 zieht, und dazwischen kurze Ausschnitte aus den Schicksalen seiner Opfer, wobei die (als einzige überlebende) Léa den meisten Raum bekommt.
Kahn inszeniert sein Psychogramm fast dokumentarisch, montiert Succos Mörderkarriere parallel zu den hinterherhinkenden Ermittlungen der Polizei und schafft es, den Wahnsinnigen als Mensch darzustellen und Verständnis für ihn zu kreieren, ohne wirkliche Sympathie für ihn aufkommen zu lassen. Allerdings muß man sagen, daß der Film trotz aller Qualitäten - vor allem Spannung - niemals großartig ist. Ob das so gewollt war?