Richard D. James alias Aphex Twin kann seine Finger nicht mehr unter Kontrolle halten und dreht einmal mehr an den Knöpfen. So bombastisch, wie es das Box-Set "Druqks" rein äußerlich verheißt, ist das neue Werk aber vielleicht doch nicht.
Schon seit längerem ist ein rasant um sich greifender Trend zu beobachten: Das gute alte Klavier hält wieder Einzug in experimentelle Studiobereiche. Es war also absehbar, daß auch einer der größeren Fische diese Idee aufgreifen würde; wobei überrascht, daß es ausgerechnet Mr. Aphex Twin höchstpersönlich ist. Seit 1995, als sein letztes reguläres Studioalbum erschien, sind viele Jahre durchs Land gezogen - Jahre, die notwendig sind, um das störrische Instrument Klavier soweit zu erlernen, daß man simple zusammenhängende Melodien darauf spielen kann. Das mit der Pentatonik ist ja nur deswegen so beliebt, weil es einfach ist; man braucht nur auf den schwarzen Tasten zu spielen, und schon enstehen fröhliche pentatonische Konstrukte, die man in jedem noch so primitiven Sequencer nach Lust und Laune transponieren kann.
Zugegeben, die Idee mit dem präpartierten Klavier ist nicht neu (siehe John Cages "Sonata for Prepaired Piano" aus dem Jahre 1951): Man klemmt Papier oder Radiergummis zwischen die Saiten des Klaviers und verwandelt es so noch stärker in ein perkussives Instrument, als es von Natur aus ist.
Ab Track zwei setzen urplötzlich und ohne Vorwarnung eckigste Squarepusher-Drum & Bass-Artefakte als rhythmische Unterlegung ein und stellen den routinierten Aphex-Kenner vor ein schweres Problem: Warum diese Hektik? Wäre es nicht möglich gewesen, wie zu Zeiten der "Selected Ambient Works II" etwas Beschaulicheres dazuzuzimmern?
Etwas später wird´s wiederum experimentell, aber auch hier klingt es so sehr nach Squarepusher, daß man fast das Cover in die Hand nehmen möchte, um nachzusehen, wer hier die Gastmusiker waren (so vorhanden).
Doch dieses Unterfangen erweist sich als unerwartet schwierig. Das 4-Vinyl-Box-Set ist riesengroß, überdimensioniert und paßt beim besten Willen in kein Plattenregal. Wozu man eine Riesenbox anfertigen läßt, in der dann außer Füllmaterial, damit die Scheiben nicht hin und her rutschen, nur die Platten selbst enthalten sind, sei dahingestellt. Kein Booklet, kein Badge, ja nicht einmal ein Aufkleber fallen aus der Riesenhülle, wenn man sie vor lauter Verzweiflung umdreht und schüttelt.
Niemand hätte erwartet, daß man vielleicht ein paar Photos beigelegt hätte, aber irgendwas Kreatives oder Witziges, ein augenzwinkernes Gimmick wäre bitter nötig gewesen, um den horrenden Kaufpreis zu rechtfertigen. Na ja, wenigstens kommt alles zusammen so an die 100 Minuten Laufzeit.
Die parallel dazu erschienene Doppel-CD tut es also in diesem Fall auch; diese verfügt übrigens ebenfalls über kein Booklet. Credits oder erhellende Erläuterungen sucht man also auf beiden Tonträgern völlig vergebens. Ärgerlich.
Noch etwas: Selbst wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß der Ölpreis zur Zeit am Boden ist, erscheint es als besonders unökonomisch, ein Doppelalbum auf vier schwarze Scheiben zu strecken. Denn genau das ist passiert - die ersten beiden Teile (Seiten A-D) gehören noch dazu auf 45rpm abgespielt, während sich die Plattenseiten E-H mit 33rpm zufriedengeben. Man muß Warp wirklich dankbar sein, daß die Umdrehungzsahlen wenigstens auf das Label gedruckt wurden, was heutzutage in keiner Weise mehr der Norm entspricht. Ein Doppelalbum (4 x 25 Min.) wäre technisch also durchaus möglich gewesen und hätte auch gereicht, bestenfalls vielleicht ein "Triple", aber ein "Quadrupel" scheint - auch gemessen am Inhalt - doch etwas übertrieben!
Vilelleicht soll das Ganze auch mehr erscheinen, als es in Wirklichkeit ist? Unnötig zu betonen, daß die Preßqualität exzellent ist; auch die Kompositionen und tonalen Einlagen von Richard D. James sind noch immer genauso furios wie früher, vielleicht manchmal etwas zu Squarepusher-like, aber im großen und ganzen ist es ein sehr dichtes Album voller guter Ideen, interessanter Effekte und wirklich packender Killer-Grooves.
Empfohlen wird das Werk daher allen Vinylfetischisten und Cut-up-Süchtigen; es sei aber auch auf das reichhaltige Backorder-Angebot verwiesen, z. B. "Selected Ambient Works" oder "I Care Because You Do" als Reinhörtips für Neugieriggewordene.