...wird er wohl nie sein. Aber seit sich Henry Rollins als schwanzschlenkernder Glamour-Host des US-MTV, mit einer Kurzkarriere auf Spielbergs Dreamworks-Label und mit diversen Schund- bis Lynch-Filmen zum verkaufsträchtigen Stereotyp perfektioniert hat, sucht er auch schon wieder neue Ausdrucksformen. Mit "Nice" nähert er sich den ewigen Wahrheiten des Soul an - ganz Terminator, mit dem Körper voran.
Ding-dong, da kommt er wieder, der testosterontrötende Eiermann. Und sein altbewährtes Rezept heißt Samen, Blut und Schweiß. Deshalb knallt Mr. Rollins auch auf seinem neuen Album vor allem eines auf den Tisch: Big Balls´n´Cojones im Übermaß. Das Drübermann-Image darf diesmal sogar die Homoerotik verlieren - ist auf dem Cover doch ein nur von Dollarnoten bedeckter Frauenleib zu sehen, und auf der Rückseite der Hombre himself, der sein Gemächt in ein erschreckend eng wirkendes Lederhöschen stopft.
Image ist alles, wie man weiß. Und am besten, es knallt mit Stereowatsche, Noppengummi und frontal gefisteter Lifestyle-Schlagzeile ins geil erwartungsvolle Couch-Potato-Gemüt.
Henry Rollins stand ja schon in seinen frühen Tagen als Black Flags Hardcore-Ikone für körperbetonten Nihilismus und asozial egoistisches Dauer-Workout. Seine Zukunft als Fitneßbeschallung für gewaltgeile Yuppies und sleazy MTV-Talkhost war damit nur logisch. Das Faszinierende an ihm entstand dann erst durch sein Porträtieren des inneren Krieges, die Monologe eines haßerfüllt sich selbst zersetzenden Mannes, den Blick in die gestörte maskuline Alltagspsyche. "Taxi Driver" als Plastilin-G.I. in zivilisationsbefriedeter US of A. - alles Dinge, die jedoch eher in seinen Büchern und Spoken-Word-Performances zum Tragen kommen, wie zuletzt auf der gut verkauften "A Rollins in the Wry"-CD auf Quarterstick. Dieses das eigene Männerstereotyp zersetzende wie auslebende Comicstrip-Männchen mit dem abgefeimt muskulösen Ganzkörpergrinsen spielt die Selbstironie gemäß der freien Marktwirtschaft multi-ambivalent aus. Das kann jeder für sich verstehen und - die Faust in der Luft - mitgrölen, ob Hool oder Caféliterat, ob Emanze oder Wochenendscheunentor: "Your Number is ONE!!!"
Die Rollins Band walzte lange Zeit strategisch bewußt diese Aspekte der Selbstironie mit Jam-Gedröhne zwischen Brutalstpunk und Heavy-Hendrix-Revival nieder. Als das musikalisch zwar versierte, aber trotz Hitgehalt öde Album "Weight" und das trocken-furchtbare "Come In and Burn" einen Punkt des selbstgefälligen Stillstands brachten, wechselte Henry die Riege aus und paktierte mit den metalloiden Post-Grunge-Youngstern von Mother Superior. Und nach einem stolpernden Anlauf mit "Get Some Go Again" funkt das Konzept jetzt richtig: Soul-Krawall, Stahlkappen-Blues-Brothers, Schlägersleaze. Und über all dem steht in fetten Lettern "Sex und Gier": wahre Breitwand-Americana; der schöne Vierfarbmensch mit dem nach außen zelebrierten verkommenen Inneren.
Die Musik tritt dabei noch immer ein heftig pumpendes Gaspedal, im Rhythmus aber schwingen 70s-Funk und Motown-R´n´B-Euphorie mit. Big Chief probierten ein ähnliches Rezept schon vor Jahren aus, wenn auch mit etwas weniger teuren Background-Sängerinnen (diese hier kennt man immerhin von Ray Charles, Celine Dion oder Whitney Houston). Und der tiradenfixierte Mr. Hank the Tank fädelt zwar nicht immer ganz treffsicher in die horizontalen Götterspeisen ein - zu straight kratzt das Bellen in den Groove -, aber auch er wird die grundlegenden Dinge des Lebens irgendwann begreifen, selbst wenn an die wahre Konsequenz, ein leckeres Duett mit den fleischlichen "Independent Women" von Destiny´s Child noch ein Weilchen nicht zu denken ist.
Best since "End of Silence".
|