Print_Richard Laymon - Das Spiel

Schmuddelige Schreckensphantasien

Wer sich gern durch 300 Seiten halbseidene Anspielungen Marke Pensionistenerotik kämpft, um im letzten Drittel der Lektüre eins mit dem Vorschlaghammer in den Magen verpaßt zu bekommen, ist mit diesem Horrorroman bestens bedient.    26.04.2007

Der einstige Gruselkönig Stephen King lobt den Autor Richard Laymon in höchsten Tönen und hält es gar für einen Fehler, dessen Bücher nicht zu lesen. King hat ja selbst einmal einen Roman mit dem Titel "Das Spiel" verfaßt, in dem eine Frau ans Bett gefesselt mit ihren eigenen Dämonen kämpft und ihre Vergangenheit aufzuarbeiten beginnt. Diese One-Woman–Show vom Horrorautor schlechthin (Anmerkung der Redaktion: Lang, lang ist´s her, mittlerweile schwafelt der gute Mann zu viel ...) ist auf jeden Fall wesentlich subtiler und spannender geschildert als der gleichnamige Roman des 2001 verstorbenen Laymon.

Mit der Titelfigur Jane Kerry wird in dem 494 Seiten starken Thriller ebenfalls eine Frau allein in eine zu Beginn recht spannend anmutende Story geschickt: Die liebe Jane arbeitet in einer Bibliothek und stößt ebendort auf einen Umschlag, auf dem ihr Name steht. Neugierig, wie sie ist, öffnet sie den Brief und findet einen Fünfzig-Dollar-Schein samt zugehöriger Nachricht eines gewissen MOG vor. MOG ist die Abkürzung für den "Master of Games", der sie auffordert, bei einem Spiel mitzumachen - der Gaudi halber und natürlich wegen des winkenden finanziellen Gewinns.

Jane, selbst kein Kind fader Eltern, spielt mit und erfüllt die erste Aufgabe, die darin besteht, ein Buch aufzuspüren. Da das für eine Bibliothekarin nicht gerade schwierig ist, hat sie bald Erfolg und entdeckt in dem Band weitere Post und den doppelten Betrag: 100 Dollar. Schon bei der Buchsuche in der verlassenen Bibliothek fängt Laymon an, Spannung zu erzeugen, und läßt Jane überraschend einen Mann treffen. Bei dieser Begegnung springt der aufgeregten Büchermaus vor Schreck auch gleich das in der Bluse befindliche Messer auf und schnalzt ihr gegen die vor Angst erigierte Brustwarze. Mit solcherlei Beschreibungen, Szenen und den daraus eventuell resultierenden zwischenmenschlichen Peinlichkeiten ("Wird er meinen blutenden Nippel bemerken?") hält sich der Autor definitiv länger auf als nötig. Da klebt da und dort ein Höschen oder dringt ein glänzender Penis hart wo ein, wo er nicht soll, und so weiter und so fort ...

Mit dem Versuch der Beschreibung der Gedankenwelt einer 26jährigen Frau und ihrer vermeintlichen sexuellen Probleme offenbart dirty old man Laymon wohl eher seine eigenen Begehrlichkeiten und scheitert naturgemäß kläglich. Hat man es jedoch bis hierher geschafft, kann man ruhig weiter lesen. Es geht in dieser Tonart weiter, bis sich Jane, die in Gestalt des Mannes aus der Bibliothek einen tapferen Mitstreiter gewonnen hat, durch das Lösen sinnloser Rätsel ein kleines Vermögen erarbeitet hat. Die Spannung plätschert dahin, und der halberregte Leser wiegt sich schon in Sicherheit, als sich die Geschichte (Vorsicht!) nach den ersten zwei Dritteln des Romans plötzlich entscheidet, zu einem Sadomaso-Splatter-Spektakel inklusive Kannibalismus und Leatherface-Vergewaltiger zu mutieren: mit Sicherheit ein viel zu langes Vorspiel für eine so harte Nummer am Ende.

Wahrscheinlich befinden sich Stephen King, Dean Koontz und Co. eben inzwischen auch schon in einem Alter, in dem in punkto Frauen der anzügliche Taxlerschmäh gefragt ist. Als Männer ... Und als Schriftsteller finden sie anscheinend nichts dabei, wenn am Schluß einer Geschichte noch schnell geschockt wird, bis Brechdurchfall einsetzt, weil man sich vorher in pseudoerotischen Träumereien verloren hat. Anders sind all die Lobeshymnen auf Laymon nämlich nicht zu erklären.

Nikolaus Triantafyllidis

Kommentare_

Thomas Fröhlich - 30.04.2007 : 16.20
Hmmm... ja, ja, alles stattgegeben!
Und doch...
Klar ist (war) Richard Laymon einer, der die miesesten Instinkte beackert. Wenn die Bezeichnung "guilty pleasures" jemals eine Adresse hatte, dann ist das die von Laymon.
Aber: Seit ich vor 6 Jahren das erste Mal was von Laymon (AFTER MIDNIGHT) gelesen hab, steh ich auf dem Standpunkt: 1x pro Jahr g'hört ein Laymon ins Haus. Es gibt für mich kaum einen (US-amerikanischen) Schriftsteller, der mir Waffenfetischismus/"Pfui"-Tittenfixierung/unverhohlenen Sadismus etc.(und das alles aus der Sicht des ultrareaktionären "Anständigen") dermassen unverblümt um die Ohren haut, dass das offensichtlich nicht einmal den Amis mehr b'sonderen Spaß macht (seine meisten Leser hat er nämlich in Europa). Laymon Lesen erspart mir i.E. jeden Michael Moore (oder ähnlich gelagerte Zeitgenossen, die "den Amerikaner" erklären wollen). Arbeiten Leute wie Ketchum, Lansdale und Co (die allesamt überaus schätzenswert sind) mit einem sozial/gesellschaftlich relevanten Überbau (irgendwie halt), so scheisst Laymon auf derlei: Er singt das Hohelied der Selbstjustiz, die Hymne der ekelhaften von sich eingenommenen Charaktere, also von all dem was den "American Dream" so ausmacht, ohne sich mit Subtilitäten auch nur im Ansatz abzugeben.
Das macht ihn nicht unbedingt sympathisch, aber, hey, war John Wayne jemals sympathisch?
Eben.
nathalie - 22.04.2008 : 17.32
das buch das spiel is das coolste und interessanteste buch was ich je gelesen habe es ist so mit reißend.

Stories
In 3 Tagen bist du tot 2/Interview Pt. 2

Big Brother is watching you

Bei Sabrina Reiter hat sich der Einfluß des großen Bruders durchaus positiv ausgewirkt. Der EVOLVER unterhielt sich mit Österreichs erster Scream-Queen. Teil zwei: über die Anfänge als Schauspielerin, ihre Lieblings-Horrorfilme und den Hang zur Komödie.  

Print
Chuck Palahniuk/Porträt

Master of Puppets

The first rule of Chuck: you talk about Chuck. Seine Bücher erreichen zwar nicht alle die Genialität von "Fight Club" - aber besser als das meiste auf dem internationalen Literaturmarkt sind sie trotzdem noch. Und das ist Grund genug für den EVOLVER, das bisherige Schaffen eines seiner Helden etwas ausführlicher zu betrachten.  

Print
Rex Miller - Fettsack

Dunkler Speck

Während die Buchempfehlungen in allen Medien derzeit weihnachtlich andächtig ausfallen, sucht EVOLVER noch einmal die dunkle Seite der Trash-Literatur auf und warnt: Für stille oder gar heilige Nächte ist dieser Titel garantiert nicht geeignet.  

Stories
In 3 Tagen bist du tot 2/Interview

Blutiges Schneegestöber

Mit "In drei Tagen bist du tot" drehte Andreas Prochaska nicht nur einen gelungenen Horrorstreifen, sondern auch den meistbesuchten österreichischen Film 2006. Und weil sich das Publikum für gelungene heimische Unterhaltung sehr wohl ins Kino begibt, startet in Kürze das Sequel. Der EVOLVER traf Hauptdarstellerin Sabrina Reiter und sprach mit ihr über die Fortsetzung.  

Video
John Rambo

There will be blood ...

... und zwar ohne Ende. Während es sich beim Titel des Andersonschen Ölfilms jedoch eher um eine leere Drohung handelt, fliegen in der neuen "Dschungelbuch"-Adaption à la Stallone gehörig die Fetzen.  

Print
Charlie Huston - Blutrausch

Von denen Vampyren auf Drogen

Im zweiten Teil seiner Blutsauger-Reihe begibt sich der amerikanische Noir-Autor mit Joe Pitt in ein neues Territorium der nächtlichen Parallelwelt New Yorks: Er soll eine Droge finden, die die Untoten nur allzu lebendig macht ...