Video_Graveyard of Honor/Yakuza Box Vol. I
Ehre, Drogen, Yakuza-Blut
Gewalt ist keine Lösung, aber ein Weg. Die Helden im "Friedhof der Ehre" führt dieser Weg zuerst steil nach oben - und dann abwärts in die Hölle.
31.08.2004
Als ein Auftragskiller in einem Yakuza-Restaurant eine blutige Schießerei veranstaltet, sieht Tellerwäscher Rikuo Ishimastu seine Chance: Unbewaffnet zieht er dem Killer einen Barhocker über den Schädel. Das rettet den Yakuza-Boß, der Ishimatsu in seine Familie aufnimmt und ihn von nun an bevorzugt behandelt. Er sieht sogar gnädig darüber hinweg, wenn der äußerlich emotionslose Gangster-Nachwuchs immer wieder durch aggressives Verhalten auffällt. Und so steigt Ishimatsu auf in der Yakuza-Hierarchie, bis ihn ein einfaches Mißverständnis gegen seinen Boß und den Clan aufbringt. Und dann läuft das Uhrwerk des Untergangs an: Feinde, Kollegen, der Boß, selbst Ishimatsus Freunde und sein Mädchen werden Opfer seiner Rache.
Der Film versteckt sein sanftes Mitleid mit dem kalten Killer, doch es ist da. Blut, Sex, Gewalt, Drogen und irre Schießereien - so hat weder Rikuo Ishimatsu es geplant noch der emotionsarme Rikio Ishikawa des Originals auf DVD 2. Der wahre Schurke, das sind die leeren Rituale der Yakuza, deren Mechanik der Ehre ein Blutbad nach dem anderem auslöst. Auch hierin unterscheidet sich das Remake (2002) des japanischen Regisseurs Takashi Miike kaum von der ersten Version (1975) seines Landsmanns Kinji Fukasaku. Dessen Fassung wirkt selbst im Vergleich zum Remake wie ein moderner Streifen. So ist das Original trotz fehlender Synchronisation (dafür gibt´s deutschsprachige Untertitel) mehr als nur eine Bonus-DVD für den Kaufanreiz.
Miike ist kein Kleinkaliber, auch wenn "Graveyard of Honor" für seine Verhältnisse geradezu konventionell daherkommt. In größeren Kinos findet man ihn hierzulande trotzdem zu wenig, anders als etwa Takeshi Kitano. Das mag daran liegen, daß der Regisseur im Gegensatz zu Kitano keine Lust zeigt, sich auf etwas festlegen zu lassen - nicht einmal innerhalb eines einzigen Films. In "Dead or Alive" bekriegen sich etwa ein Polizist und ein Gangster auf genreübliche Weise mit nahezu "Tatort"-haften Familiennebengeschichten, um sich im Finale unvermittelt die Gliedmaßen vom Rumpf zu schießen und schließlich mit allerlei Fantasy-Waffen Japan im Atompilz verschwinden zu lassen. In "Audition", das auf vielen Festivals begeisterte, wohnt der Zuschauer wiederum einer herzerwärmenden Liebesgeschichte zwischen einem unentschlossenen Witwer und einer zarten Blume von Mädchen bei, die im letzten Viertel zu einer blutrüstigen Sägeorgie kippt, gegen die schlechte Remakes früher Tobe-Hooper-Streifen wie Heimatfilme wirken.
Takashi Miike ist ein Querkopf. Man sieht seinen Filmen an, daß er nicht der nächste John Woo werden will. Was aber mag ihn bewegt haben, ausgerechnet diesen Film neu abzudrehen? Vielleicht sind es die Gemeinsamkeiten der Regisseure: Kinji Fukasaku führte einerseits Regie bei den japanischen Szenen des Kriegsklassikers "Tora! Tora! Tora!", drehte aber andererseits Machwerke wie "Monster aus dem All" ("The Green Slime") und schockierte zuletzt mit dem teils poetischen, teils schwer verdaulichen Schülergemetzel "Battle Royale". Auch Miike hat nach etwa 60 Filmen in 13 Jahren noch nicht seinen Stil gefunden – und will es wohl auch nicht. Lieber springt er dem Mainstream wie dem Kunstkino mit dem Hintern ins Gesicht, ebenso einigen Fans, die weitere Sperma- und Innereien-Orgien à la "Ichi, the Killer" oder Tabubrüche am laufenden Band wie in "Visitor Q" erwarten.
Hier spart er richtig. Ishimatsus Rache wird eiskalt serviert, brutal und bitter, ohne Tarantino-Mätzchen. Sehr lakonisch und von eigener Schönheit.
Andreas Winterer
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