Video_Hammer House of Horror
If I had a hammer ...
Warum mit einem Hammer zufrieden geben, wenn man gleich 13 haben kann? Der DVD-Release dieser britischen Horror-Anthologie bietet alles, was das Genre-Herz begehrt.
26.09.2006
Derzeit erlebt das Genre des knapp einstündigen Horror/Mystery-Formats eine neue Blütezeit. Der US-TV-Kanal Showtime Networks hat bereits eine zweite Staffel von "Masters of Horror" in Auftrag gegeben, die ersten Vertreter der spanischen Alternative dazu erscheinen sogar bei uns demnächst auf DVD, und natürlich sind auch die Italiener längst am Produzieren eines eigenen Serien-Derivats. Umso mehr freut es, daß jetzt endlich auch die TV-Reihe aus den legendären britischen Hammer-Studios hierzulande ihre Heimat auf DVD findet. Koch Media, auf deren Veröffentlichungskonto bereits Hammer-Klassiker wie "Twins of Evil" oder der eine oder andere Streifen aus der Produktion der Amicus-Studios gehen, füllen mit der "Hammer House of Horror"-Box eine klaffende Lücke im DVD-Regal jedes Genre-Liebhabers.
Die Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre entstandene Serie war der zweite Versuch der Filmfirma (nach "Journey to the Unknown", 1968), auch die Fernsehzuschauer durch solide Schauerproduktionen für sich zu gewinnen. Dabei befand sich die Hammer-Popularitätskurve zu diesem Zeitpunkt schon längst auf dem absteigenden Ast. Gotisch anmutender Vorhangquastenhorror war nicht mehr en vogue, seit man kleine Mädchen auf den Teppich urinieren und mit religiösen Insignien herumspielen hatte sehen - Sie wissen schon: "The power of Christ compels you!"
Ursprünglich war die Reihe von Studioboß Michael Carreras als Wiederverwertung der erfolgreichsten Filmplots im Einstünderformat konzipiert worden. Dann entschied man sich jedoch - gemeinsam mit dem neuen Big-Player-Duo Brian Lawrence und Roy Skeggs - für neu produzierte Ideen, deren Scripts man altgedienten TV-Haudegen wie Anthony Read ("Dr. Who", "Die Profis") oder Jeremy Burnham ("Mit Schirm, Charme & Melone", "Die Zwei", "Danger Man") überließ. In Kooperation mit Lew Grades legendärer Produktionsfirma ITC entstanden schließlich die 13 Folgen von "Hammer House of Horror".
Durfte man erst einmal die Appetizer-Einstiegssequenz der jeweiligen Episode sehen, folgte zur Serien-Signation das wundervoll eingängige musikalische Thema des britischen Komponisten Roger Webb, bevor es zur Sache ging.
Gleich in der ersten Episode werden ein schwer überarbeiteter Filmkomponist und sein promiskuitives Weib von einer 300 Jahre alten Hexe heimgesucht, die während eines Unwetters plötzlich in der Scheune auftaucht. Daß die Frau trotz ihres hohen Alters noch recht ansehnlich ist und Verwerfliches im Schilde führt, versteht sich von selbst. Episode zwei erfreut durch exzentrische Eßgewohnheiten, und "Rude Awakening" bietet die etwas andere Variante des "Groundhog Day" (eine seit der Einführung des Motivs in der "Twilight Zone" in Serien immer wieder gerne verwendete Thematik - selbst Mulder und Scully sowie diverse Enterprise-Crews hatten bereits damit zu kämpfen) mit einem herrlichen Denholm Elliott als leidgeplagtem Immobilienmakler und Lucy Gutteridge als wandlungsfähiger Sekretärin Lolly. Mit "Growing Pains" und "The House That Bled to Death" (nicht zu verwechseln mit Peter Duffells Robert-Bloch-Verfilmung "The House That Dripped Blood") liegen die ersten beiden etwas kantigeren Beiträge vor. Schließlich ergießt sich nicht allzuoft ein saftiger Blutstrom über Kindergeburtstags-Parties; und gegen den apathischen Charme des kleinen Adoptivsohns James (Matthew Blakstadt) wirkt Satansbraten Damien wie ein aufgeweckter Lausbub.
Begegnet man in weiteren Folgen mörderischen Fetischen aus Afrika, ungarischen Lykanthropen mit ausgeprägtem Familiensinn oder fleißigen Satansanbetern, so zählen die beiden Episoden "The Silent Scream" und "The Two Faces of Evil" zu den Gustostückerln der Anthologie. In ersterer gibt es ein erfreuliches Wiedersehen mit Hammer-Altstar Peter Cushing. Er spielt Martin Blueck, Besitzer einer Tierhandlung und KZ-Überlebender. Während er in seinem Laden die üblichen Schoßtierchen verkauft, fristen im Keller weitaus seltenere Exemplare ihr Dasein. Darüber hinaus hat Blueck ein ausgeprägtes Faible für Verhaltensforschung, wie der Langfinger Chuck bald am eigenen Leib feststellen muß.
"The Two Faces of Evil" erzählt die Geschichte einer Familie, die dank eines psychopathischen Anhalters in einen Autounfall verwickelt wird. Während Frau und Kind relativ glimpflich davonkommen und sich nur an das seltsame Krankenhauspersonal gewöhnen müssen, sieht die Sache für den schwer verletzten Mann im Haus schon anders aus. Als er nach mehrtägiger Behandlung wieder nachhause darf, muß seine Familie feststellen, wie sehr Unfälle und Traumata einen Menschen wirklich verändern können. Besonders, wenn eine Prise Hammer-Horror im Spiel ist ...
Das Rezept von "Hammer House of Horror" ist natürlich stets das gleiche: Die Existenz eines - mehr oder weniger - unbescholtenen Bürgers gerät durch übernatürlichen oder abartigen Einfluß aus den Fugen, und schon bald kommt er nur knapp mit dem Leben davon, sofern man ihm nicht gleich eine einfache Fahrkarte zur Reise über den Styx serviert.
Statt zwischen historischen Kulissen spielt sich alles in der Gegenwart ab (bzw. natürlich im seinerzeitigen Hier und Jetzt), als ein gepflegter Schluck Scotch oder der souverän zur Schau gestellte Glimmstengel noch zum guten Ton gehörten. Das Plot-Angebot reicht von unterhaltsam bis originell, und Langeweile kommt trotz des Zahns der Zeit bei keiner der Episoden auf - schließlich wußten die zuständigen Herrschaften schon vor "Hammer House of Horror", wie der gehäutete Hase läuft.
Warten wir also ungeduldig darauf, daß auch bald die Nachfolge-Serie "Hammer House of Mystery & Suspense" bei uns veröffentlicht wird und man sich wieder stilgerecht fürchten darf. Wenn jetzt noch bitte jemand die Original-"Twilight Zone" oder "The Outer Limits" zu vernünftigen Preisen herausbringen würde ...
Als Bonus gibt es übrigens ein informatives Booklet.
Jürgen Fichtinger
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