Stories_Rokko’s Adventures im EVOLVER #32

Filming Bud Spencer

Gegen ihn sind alle anderen Zwerge: Fixstern am Fernsehhimmel, Fels in der Lebensbrandung, mythische Rätselfigur im Breitformat. Karl-Martin Pold und Sarah Nörenberg wagen sich nun an einen Dokumentarfilm über den großen Neapolitaner.    19.01.2011

Rokko's Adventures ist - so steht es im Impressum - eine "unabhängige, überparteiliche sowie übermenschliche Publikation" und "setzt sich mit Leben, Kunst, Musik und Literatur auseinander". Der EVOLVER präsentiert (mit freundlicher Genehmigung) in regelmäßigen Abständen ausgewählte Beiträge.

 

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Es gibt kaum eine Tätigkeit, die der nunmehr 80-jährige Carlo Pedersoli, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, ausgelassen hat, erzählt Karl-Martin Pold, seines Zeichens Regisseur und Begründer der Doku "Sie nannten ihn Spencer", mit glänzenden Augen:

"Warum ich von Bud Spencer so fasziniert bin, sind seine verschiedenen Aspekte: Das ist ein Mensch, der Interessen und Talente in alle Richtungen hat. In den 1950ern ist er ein erfolgreicher Schwimmer, ein Superstar in Italien, total durchtrainiert, nimmt an den Olympischen Spielen teil, ist der erste Italiener, der 100 Meter unter einer Minute schwimmt - und was macht er am Höhepunkt seiner jungen Karriere? Er geht nach Südamerika, fängt ganz unten an, lernt Spanisch und ist Vorarbeiter beim Bau der Panamericana. Dann kommt er zurück nach Italien, macht eine Filmproduktionsfirma auf und tourt ein Jahr mit seiner Musik durch Italien. Später sucht jemand einen Großen, Dicken für einen Film - und so beginnt Bud Spencers Schauspielkarriere!"

 

Darüber hinaus war Bud Spencer als Modedesigner, Schriftsteller, Musikproduzent, Bibliothekar und wer weiß noch was tätig. Erfinder darf er sich ebenso nennen, meldete er doch mehrere Patente an, zum Beispiel für ein spezielles Jagdgewehr und eine Einweg-Zahnbürste mit integrierter Zahnpasta.

"Er wollte einfach immer was Neues probieren. In 'Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle' (1972) z. B. hat er einen Piloten gespielt, und das hat ihm so getaugt, daß er gleich im Anschluß daran seinen Pilotenschein gemacht hat. Damit nicht genug: 1981 gründete er seine eigene Fluglinie, Mistral-Air - der hat sich einfach nichts geschenkt!"

Sarah Nörenberg ist die zweite treibende Kraft hinter "Sie nannten ihn Spencer", zog im Sommer 2009 extra wegen des Filmprojekts von Deutschland nach Wien und ist seither für die Produktionsleitung zuständig. Über jene Fügung, daß Bud Spencer durch reinen Zufall ins Filmbusineß geschlittert ist, sind nicht nur Nörenberg und Pold entzückt, sondern ein Millionenpublikum, das nichts lieber macht, als den unverkennbaren Spencer-Fäusten beim Arbeiten zuzusehen: Europa, Südamerika, aber auch Indien sind infiziert, so Nörenberg:

"Den Trailer für unseren Film gibt es mittlerweile in elf Sprachen. Meine Tante arbeitet in einer Klinik in Deutschland und hat den allen Patienten gezeigt, darunter war ein Inder. Auch er kannte Bud Spencer, schickte seinen Verwandten den Link zum Trailer, und die waren ebenso begeistert."

Anstatt sich dem bloßen Lechzen nach der nächsten Stereowatschn hinzugeben, machte Pold sein Interesse bei seinem Studium für Journalismus und Unternehmenskommunikation in Graz zum wissenschaftlichen Forschungsfeld und schrieb seine Diplomarbeit über Bud Spencer. Dieser Tage beendet er gerade sein zweites Magisterstudium (Theater-, Film- und Medienwissenschaften) in Wien und schreibt - im Ernst! - gleich noch eine Diplomarbeit über den Herren mit dem kräftigsten Faustschlag zwischen Neapel und Rio de Janeiro.

 

Was ihn dazu befähigt? Nennen wir es allen voran mal eine "Schneid", die man haben muß, um derlei waghalsige und umso spannendere Projekte nicht bloß in Gedankenblasen zu äußern. Denn sein Verhältnis zu Bud Spencer ist kein wirklich ungewöhnliches:

"Da geht es mir genau wie vielen anderen auch: Am Sonntag schaltet man den Fernseher ein, da läuft ein Bud Spencer, und man bleibt hängen. Es gibt sicher Leute, die sich besser mit ihm auskennen, Freaks, die alle Zitate auswendig können - aber die machen nichts mit ihrem Wissen. Ich will das ausarbeiten und werde nach Möglichkeit auch diese Nerds zu Hilfe ziehen. Man schaut sich die Filme immer und immer wieder an, obwohl man sie eh schon tausendmal durch hat, aber auch jetzt erzeugen sie noch immer ein sehr schönes Gefühl: Ich bin immer gut gelaunt, wenn ich einen Bud Spencer sehe."

Mindestens zwei Generationen müßten dieses einzigartige Gefühl mittlerweile kennen, das ein Bud Spencer-Film erzeugt: nostalgische Kindheitserinnerungen vermischen sich mit einem verschmitzten Grinser der gegenwärtigen Rezeptionsweise, oft gefiltert durch mächtige Katererscheinungen. Die Welt ist in Ordnung, Gut kämpft gegen Böse, die Positionen sind klar verteilt. Man ist sich zwar einer gewissen Absurdität bewußt, Bud Spencer-Filme zu konsumieren wie andere Menschen Psychopharmaka - aber zumindest auf Zeit funktionieren diese Urlaube in eine problemlose Welt ohne Nebenwirkungen. Hypnotisiert von Trachtprügeleien mit bedeutsamen Dialogen schleicht einem die vollkommene Zufriedenheit ins Hirn, Augenblick, verweile doch! Du bist so schön!

 

"Man kann ja nicht ohne Bud Spencer aufwachsen: Er ist im Fernsehen omnipräsent, obwohl die Filme schon 30-40 Jahre alt sind. Das zeigt auch, daß es nicht auf die Technik, sondern auf den Charme ankommt. Die Schlägereien sind zwar simpel, aber durchaus balletartig inszeniert. Die Struktur bleibt einfach, eine Handlung in dem Sinn gibt es ja nicht, nur eine lose Geschichte, die immer wieder gleich ist und immer wieder funktioniert: eine Schlägerei am Anfang, eine in der Mitte und eine am Schluß, eine große Fresserei, Terence Hill hat immer ein spielerisches Element - entweder Billard, Dart oder einen Kartentrick -, mit dem er die Bösewichte verarscht. Damit haben sie ein eigens Genre erfunden, den 'Hau-drauf-Klamaukfilm'. Warum und wo Bud Spencer bekannt ist, ist auch eine interessante Frage. Dazu tragen sicher auch die Übersetzungen und die Dialoge bei, das ist ein eigenes Kapitel in meiner neuen Diplomarbeit. Die sind auf Deutsch wesentlich lustiger als in anderen Sprachen, da gab es einen genialen Übersetzer, und das macht extrem viel aus."

 

Bei den Louis de Funès-Dialogen soll es nicht viel anders sein, erzählt man sich, und auch einige Disney-Comics verdanken ihren Reiz im deutschsprachigen Raum zu einem großen Teil der mittlerweile verstorbenen Erika Fuchs, die ihre Übersetzungen mit literarischen Zitaten und mehrdeutigen Anspielungen spickte. Wer kann schon traurig und teilnahmslos vor dem Fernseher sitzen, wenn Bud Spencer seine markigen Sprüche zum besten gibt:

"Du bringst was zu fressen, sonst qualmt's!", "Mach schon Platz, ich bin der Landvogt.", "Hat dir eigentlich schon mal einer mit'm Vorschlaghammer 'n Scheitel gezogen?", "Ach Gott ist das schön, wenn ich doch bloß nicht so fett wär'. Verdammte Scheiße, und morgen hör' ich auf zu fressen!", "Bleib' da, sonst fang' ich an zu husten!" oder "Von meiner Blutprobe könnten die Bullen ein Betriebesfest machen"?

In "Zwei außer Rand und Band" wird er bei der Kieberei nach seiner Konfektionsgröße gefragt und antwortet im obligaten Baß: "Die Elefantennummer. Groß, größer, am größten - man will's ja auch bequem haben." Als man seine Schuhgröße verlangt, gibt er ein "52" zurück, worauf er vom Verteiler eine Paar Schuhe mit folgendem Satz in die Hand gedrückt bekommt: "Probier' mal, ob die passen, sonst bleibt nur noch der Kindersarg übrig."

Auch Terence Hill wurde mit viel Humor und einer scharfen Zunge bewaffnet; so darf er zu seinem ehrenwerten Kollegen auch garstig sein: "Mensch, bist du fett! Du bist ja 'ne Nummer für'n Zirkus!" Ein anderes Mal schreit er einen Hausdiener an, der sein Glas Whiskey nicht trinken will: "Schnauze und ex!" - ein Klassiker, der, ähnlich wie einige der Aphorismen Goethes oder Schillers, mittlerweile in den alltäglichen Sprachgebrauch im deutschsprachigen Raum sickerte.

 

Dieser Teil von Bud Spencer ist der offensichtliche, den man kennt, doch Nörenberg und Pold wollen weitergehen - und das ist auch der springende Punkt, die große Herausforderung, so Pold:

"Über jeden Idioten, jeden C-Promi, gibt es Bücher, nur über Bud Spencer gibt es nichts. Naja, es gibt drei Bücher: eins aus den 70ern, eins aus den 80ern, eins aus den 90ern, nur: Das aus den 80ern bezieht sich auf das aus den 70ern, das aus den 90ern auf das aus den 1980ern. Und das sind die Infos, die auch auf Wikipedia stehen."

Mehr gibt's nicht. Und so droht am Anfang des Projekts die Frage: Woher soll man Informationen beziehen? Richtig, man muß die Beteiligten selbst befragen; und so gilt es, abenteuerliche Forschungsreisen zu meistern, um Schauspieler, Synchronsprecher und - natürlich - Bud Spencer höchstpersönlich aufzusuchen. Das hat zudem möglichst rasch zu geschehen, denn der Zahn der zeigt nagt an Körper und Geist von Spencers Freunden und Gefährten.

Erst im Dezember machte sich das Duo - keiner von ihnen beherrscht Italienisch - auf nach Rom, um den ereignisreichen Spuren Bud Spencers zu folgen. Nörenberg erinnert sich:

"Wir suchten Luciano de Crescenzo. Von ihm wußten wir nur, daß er ein Jugendfreund von Bud Spencer und ein Autor ist. Er ist mit Bud Spencer aufgewachsen, hat im selben Haus gewohnt wie er, im Ghetto von Neapel, wo die Camorra das Sagen hat. Bud Spencer war damals schon eine große Erscheinung, und immer, wenn irgendjemand Luciano de Crescenzo angemacht hat, hat Bud Spencer ihn beschützt, sich dazwischengestellt und gemeint: 'Paß auf, der gehört zu mir!'"

 

Auf ihrer Expedition nahmen sie einen Roman von Luciano de Crescenzo mit, wo er in einer Textpassage beschreibt, was er sieht, wenn er zu Hause aus dem Fenster schaut.

"Wir sind durch Roms Innenstadt gelaufen, nur mit diesem kleinen Anhaltspunkt. Irgendwann bin ich in ein Hotel und habe den Portier gefragt, ob er zufällig Luciano de Crescenzo kenne oder wisse, wo der wohne, und kam mir schon ziemlich blöd vor, während ich diese Frage stellte. Er hat was auf Italienisch gesagt - ich kein Wort verstanden - mich nach draußen gebracht, auf ein Haus gezeigt und war wieder weg. Wir sind dann dorthin, haben die Klingelschilder abgelesen und tatsächlich - auf einem stand Luciano de Crescenzo."

Pold nickt grinsend: "Das klingt jetzt vielleicht ein bißchen esoterisch, aber in solchen Momenten hab' ich schon das Gefühl: Bud Spencer hat seine schützende Hand über uns gehalten und begleitet uns auf unserem Weg. Es sind schon so viele komische Sachen passiert im Zusammenhang mit dem Film, daß wir es selbst oft nicht ganz glauben können."

Überrascht standen die beiden vor Crescenzos Haustür und überlegten eine zeitlang, was sie nun machen sollten, es war immerhin schon zehn am Abend und sie hatten sich auf kein Gespräch vorbereitet.

"Währenddessen geht schon die Haustür auf, ein kleiner, alter Mann wird von einer Frau gestützt, die uns fragt: 'Was macht ihr hier?' und wir: 'Naja, eigentlich wollten wir Luciano de Crescenzo treffen.' Da sagte der Mann: 'Ah, das bin ja ich!'"

Es folgte der Versuch, mit Englisch, Händen und Füßen zu kommunizieren, was nicht besonders gut lief, doch Crescenzo lud die Gäste trotzdem in ein nahegelegenes Café ein, wo der Kellner dann zum Dolmetscher wurde.

"Das Café war gleich neben den Kolosseum, extrem teuer und extrem schick. Luciano de Crescenzo meinte dann, er gibt uns einen aus, wir sagten, nein nein, wir zahlen schon selbst, darauf er: 'Nein, hier zahle ich nicht, für mich ist alles umsonst.' - und wir fragten uns, in welchem Mafiastück wir jetzt gelandet waren."

Nach nicht beglichener Rechnung traten Nörenberg und Pold den Heimweg an, doch bevor sie sich schlafen legten, googelten sie noch Luciano de Crescenzo: italienischer Nationalheld, internationaler Bestseller, 18 Millionen verkaufte Bücher.

 

Der nächste, an dessen Fersen sie sich hefteten, war Ottaviano dell'Acqua, der in zahlreichen Bud Spencer-Filmen als Stuntman am Watschenbaum rüttelt. Nörenberg:

"Ottaviano dell'Acquas Adresse führte uns an den Arsch der Welt, in die Suburbs von Rom, wo es schon nicht mehr nach Stadt aussieht. Die Straßen waren leer, und das Haus, in dem er wohnen sollte, war kaum verputzt, angesprüht, sah nicht besonders einladend aus. Wir klingelten trotzdem, und eine Frauenstimme antwortete auf Italienisch - Englisch klappte nicht mit ihr. Wir zogen durch die Straßen und sahen eine alte Frau, die da rumlief, und fragten sie, ob sie Englisch spreche, sie kam gleich mit uns mit und verhandelte beinhart mit Ottaviano dell'Acquas Frau. Nach ein paar Minuten drehten wir uns um, ein Jaguar fuhr vor, und Ottaviano dell'Acqua stieg aus. Er meinte: 'Meine Frau hat gerade angerufen, sie meinte, ein Fernsehteam wäre hier für mich.'"

Pold fährt lachend fort: "Dabei wollten wir uns nur mal vortasten und fragen, ob er prinzipiell einmal für ein Interview bereit wäre. Er meinte gleich: 'Mach, du hast doch eine Kamera dabei!', dabei war das nur eine billige Handkamera. Ich erklärte ihm, daß ich ein andermal gerne mit einer professionellen kommen würde, und er meinte, er hätte eine gute zu Hause, die er mir jetzt leihen könnte. Der war gleich ziemlich mediengeil, schrieb uns seine E-Mail-Adresse auf, und als ich fragte, wann wir wiederkommen könnten, meinte er: 'Jederzeit!'"

Ottaviano dell'Acqua, einer der vergessenen Halbstars um Bud Spencer, der scheinbar mehr Geld in sein Auto als sein Wohnhaus steckt, streunt dieser Tage auf Film-Conventions herum und verkauft seine Autogramme für 20 Euro. Auch diesen Schicksalen geht die Doku auf die Spur, denn die obskuren Nebenrollen in den Bud Spencer-Filmen mögen einem bei den ersten zehn Durchläufen nicht so wichtig vorkommen, in Wirklichkeit sind die liebevollen Loser wie der Space-Indianer Geronimo aus "Zwei außer Rand und Band" aber unbezahlbar und essentiell.

 

Doch jenen Berg aus Fleisch zu treffen, der all dies zusammenhält, war zweifellos Höhepunkt der Reise: Dem vorausgegangen war mehr als ein Jahr voller Telefonate, Briefe und E-Mails an Produktionsfirmen, unter dubiosen Umständen in Erfahrung gebrachten Adressen und ebensolche Bekanntschaften. Doch der Tag kam, und Miss Nelly, Bud Spencers mittlerweile über 80-jährige Sekretärin, machte den Empfangsdienst und führte durch ein Miethaus in Rom in des Maestros Arbeitszimmer.

Begeistet denkt Pold daran zurück: "Bud Spencer ist eine Persönlichkeit, ein total herzhafter Mensch, er spielt ja auch immer den 'good guy', der den Armen und Schwachen hilft. Als ich ihn getroffen habe, habe ich gemerkt, daß er ein sehr verspielter Mensch ist, und das noch immer, mit 80 Jahren. Er hat ein kindliches, schmunzelndes Inneres, und hat sich Zeit genommen. Wir haben uns lange unterhalten, er hat lauthals gesungen und auch den Film-Trailer angeschaut, der ihm sehr gut gefallen hat. Außerdem ist er noch immer Kettenraucher und hat mir einen Tschick geschnorrt."

Pold überreichte Bud Spencer seine Diplomarbeit, und der meinte beim Verabschiedungshandschlag, er wäre auf jeden Fall für Interviews im Zusammenhang mit der Doku bereit. Ein konkreter Zeitpunkt dafür wurde nicht festgelegt, aber die größte Nuß scheint gekackt zu sein.

 

Natürlich sollte auch die zweitgrößte, Filmpartner Terence Hill, nicht vergessen werden, doch Pold hat diesbezüglich eher wenig Zuversicht:

"Terence Hill ist der Gegenpart zu Bud Spencer, der introvertierte, coole Typ, der keine Interviews gibt."

Nörenberg nickt: "Er will da auch überhaupt keine Ausnahmen machen. Ich habe mit ihm telefoniert, als wir in Rom waren. Er sprach akzentfreies Deutsch - seine Mutter ist ja Deutsche - und wohnt in Amerika."

Pold: "Der ist ganz groß im Busineß mit der Serie 'Don Matteo', die im italienischen Fernsehen läuft. Er kommt nur zu den Dreharbeiten nach Rom, ist hier voll ausgebucht, und dann geht's sofort wieder zurück in die USA."

Bud Spencer hingegen wird nachgesagt, pleite zu sein und deswegen seine Filmrollen eher nach Quantität der Geldscheine als nach Qualität des Stoffes auszuwählen. So ist er auch in Werbespots zu sehen, wo er den Weihnachtskuchen einer Dame rettet und dabei zwei Ganoven in die Flucht schlägt.

Pold erläutert: "Er nagt nicht am Hungertuch, er hat noch immer seine Sekretärin, seinen Chauffeur und seine Villa, aber früher hatte er einige Villen - die mußte er zum Teil verkaufen."

 

Die sinkende Bonität scheint tatsächlich mit der Filmauswahl zu korrelieren: Ab Mitte der 80er fängt die Güteklasse der Bud Spencer-Filme massiv zu bröckeln an, der Höhepunkt scheint überschritten. 1994 gibt es noch einen Comeback-Versuch des Duos Spencer&Hill, doch diese Produktion liegt weit unter dem Unterhaltungswert älterer Ausgaben. Ob Spencer in Würde altert, oder ob er den richtigen Moment zum Absprung schon übersehen hat?

Pold: "Die Filme nach der gemeinsamen Zeit waren tatsächlich nicht mehr der Knüller. Bei 'Die Troublemaker' war das Problem, daß er nicht mehr so schnoddrig war. Bewußt oder unbewußt ist er eher fast melancholisch geworden, und das kam beim Publikum nicht mehr so gut an. Man merkt, wie sie die Atmosphäre von früher aufbauen wollen, aber es klappt nicht mehr. Es war nicht mehr so verspielt, die Dialoge zwischen den beiden nicht mehr so gut. Die hassen sich ja meistens, gehen sich am Arsch, aber der Film ist zu freundlich, zu sehr auf Kuschelkurs."

Nörenberg: "Er braucht einfach das Geld - aber mit Würde altern sieht eigentlich anders aus ..."

Dazu kam 2005 noch Bud Spencers Versuch einer politischen Karriere in der "Forza Italia", jener Partei, die Silvio Berlusconi 1993 gegründet hatte - auf Druck der Mafia, wie es heißt.

Pold: "Klar ist das seltsam, aber als Außenstehender von Italien kann man diese Strukturen auch nicht verstehen. Der ist im Ghetto aufgewachsen und hat einen anderen Zugang."

Spencers Ausflug in die Politik war ein sehr kurzer, der mit einem Scheitern endete, seither schweigt er zu dieser Lebensphase. Dem Showmaster mit der erst gelifteten, später zerschlagenen Visage, der in Italien sowohl Fäden als auch minderjährige Frauen in seiner Hand hat, Pluspunkte andichten zu wollen, wäre sinnlos und vermessen; aber Bud Spencer groß Vorwürfe für diese Fußnote in seinem Leben zu machen, halte ich für übersensibel. Wer weiß, was der weltoffene, weitgereiste Charakter mit eventueller politischer Macht hätte bewirken wollen? Vielleicht das System von innen aufkratzen?

 

Wie auch immer: Spencer berichtet dieser Tage noch von einer Dr.Jekyll&Mister Hyde-Adaption, die ihm mit Hill bevorstehen soll, doch fehlen ihm, der sowieso gut im Geschäft ist, scheinbar die Motive für einen Versuch, vergangenen Ruhm aufzuwärmen. Wie Spencers Medienscheue - immerhin benötigten auch Nörenberg und Pold mehr als ein Jahr für das erste Treffen - mit der Suche nach Geld zusammenpaßt?

Pold: "Ich denke, dadurch, daß Bud Spencer seit 40 Jahren im Rampenlicht steht und die Journalisten immer die gleichen blöden Fragen stellen, hat er keine Lust mehr darauf: 'Haben Sie mit Terence Hill gestritten? Was ist Ihr neues Filmprojekt? Warum sind Sie Schauspieler geworden?' Deswegen war er auch begeistert von unserem Projekt: Wir wollen sein Leben abseits der Schauspielkarriere festhalten und Fragen stellen, die von Journalisten nie kommen."

 

"Sie nannten ihn Spencer" soll 2011, spätestens 2012 fertig und kein typischer Dokumentarfilm werden, "das wäre ja langweilig, sowas würde ich mir nicht im Kino ansehen", so Pold. "Man soll schon den Bud Spencer-Schmäh mitbekommen." Außerdem ist die Doku ein Web 2.0-Projekt.

"Wenn jemand Fotos oder Informationen oder irgendetwas hat, das mit Bud Spencer zu tun hat, dann soll er sich melden. Oder wenn jemand Recherchearbeit leisten möchte und von Film eine Ahnung hat: Jeder, der Lust und was zu bieten hat, kann sich beteiligen."

 

Herauskommen soll ein Film von Fans für Fans. Wolfgang Hess, der deutsche Synchronsprecher von Bud Spencer, ist als Stimme des Films im Gespräch. Das alles kostet natürlich Geld, und weil der Film derzeit noch ein Low- bzw. No-Budget-Projekt ist, laufen die Versuche, sämtliche Fördertöpfe anzuzapfen.

So bleiben einstweilen sowohl Bud Spencer als auch "Sie nannten ihn Spencer" große Mysterien, die man im Auge behalten sollte.

Rokko’s Adventures

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