aus: Rokko’s Adventures No.6
Text & Interview: Rokko
Photos: Klaus Pichler
Action Beat sind ein Kollektiv von etwa einem Dutzend Musikern, die fröhlichen Gemüts mit ihrem Bus durch die Welt streunen und dabei breite Lärmspuren hinterlassen. Rokko folgte ihnen ... 08.12.2010
Rokko's Adventures ist - so steht es im Impressum - eine "unabhängige, überparteiliche sowie übermenschliche Publikation" und "setzt sich mit Leben, Kunst, Musik und Literatur auseinander". Der EVOLVER präsentiert (mit freundlicher Genehmigung) in regelmäßigen Abständen ausgewählte Beiträge.
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Von Leipzig nach Wien wurde ihr Vehikel zweimal von der Polizei aufgehalten, zur Speseneinhebung. Dann, endlich in Wien, mußten sie für fragliches Falschparken erneut das Geldbörschen zücken und wurden von einem Polizeiwagen blockiert, um unerlaubtes Ausparken zu verhindern. Sie durften auf die nächste Polizeiwache, um das Auto freizukaufen; Ablaßhandel zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Infolge dieser unerwarteten Ausgaben verzichteten Action Beat auf ihre Hotelschlafplätze und wollten vom Veranstalter, dem werten fluc, lieber allen Lohn bar auf die Hand.
"Bayern ist mit den Bullen wirklich schlimm, Österreich war diesmal auch nicht gut zu uns. But ... as the saying goes: Shit happens - so you just get on with it, you smile and think: Fuck it." Weise Worte eines Don McLean, Gründungsmitglied und Gitarrist der Bande.
Was diesen Bullereien folgte, war ein Konzert mit - ich glaube mich zu erinnern - acht gezählten Köpfen, sprich: viermal Lärm aus der Gitarre, einmal Baß und drei Stück Schlagzeugsektion. Ein wüstes Inferno, das innerhalb von Rock'n'Roll-Strukturen Improvisation einschob und dem Punk sein NoWave-Krönchen aufsetzte. Energiegeladene Gruppendynamik ließ hartverdiente Schweißperlen durch die Luft spritzen und erzeugte orgiastisch-vibrierende Gefühle in der Magengegend. Don McLean über den Beginn von Action Beat:
"Also, James Carney - einer der Gitarristen - und ich haben das Ding 2004 zu zweit angefangen. Das war ein billiges Lightning Bolt-Rip-Off. Ich war ein schlechter Schlagzeuger, also haben wir dann mit einer Drum Machine herumprobiert. Später nahmen wir immer mehr echte Schlagzeuger in die Band auf und fanden die Idee, mehr von ihnen gleichzeitig zu beschäftigen, recht verlockend."
Derzeit besteht die Band aus fünf Kernmitgliedern und wechselnden Partnern: Ab und zu kommen noch Violine, Saxophon oder Trompete dazu, 14 Leute auf der Bühne war bis jetzt die höchste Zahl an Klangerzeugern. Action Beat funktionieren in dieser Weise wie eine Fußballmannschaft: Manchmal sitzt man auf der Bank, im nächsten Spiel ist man wieder auf dem Feld. Das Team besteht durchgehend aus Nachwuchstalenten, 18-20 Jahre sind die jüngsten, Don McLean gehört mit 26 gezählten Lenzen schon zum Ältestenrat.
Alle Action Beats haben dieselbe Schule in dem Kaff Bletchley/ Milton Keynes (wo die Marshall Verstärker ihren Ursprung haben) mehr oder weniger besucht. Dort passiert rein gar nichts - außer man macht es selbst. "Seit Jahren organisieren wir hier Konzerte. Wir hatten die Oxxes, Zu, Dälek, The Ex - meine alleraller Lieblingsband! Ich hab auch die erste UK-Tour von The Neptune gebucht, ebenso für Parts & Labor und Don Vito."
Die Konzertorganisation, die unter dem Namen "Fortissimo" läuft, und Mad Cow Paté, andere Showbooker aus derselben Gegend, haben Bletchley/ Milton Keynes erst auf die Landkarte für tourende Bands gebracht. "Don Vito haben wir kennen gelernt, als wir in Leipzig spielten und sie glücklicherweise mit uns die Bühne teilten. Das war die geilste Band, die ich seit langer, langer Zeit gesehen hatte! Susi ist einfach die beste Bassistin überhaupt! She just destroys any man."
Doch weil weder das Spielen noch das Organisieren von Konzerten zu 100% ausfüllt, gibt es außerdem ein Label namens Fortissimo Records, das nach Betreuung schreit.
Action Beat bewegen sich mittlerweile in halbwegs gediegenen Kreisen: In den Southern Studios nehmen sie ihre Stücke auf, veröffentlicht werden sie, wenn nicht auf Fortissimo, auf Truth Cult, einem Sublabel von Southern Records.
"Ich mag die Southern Studios wirklich sehr gern. Die sind im Norden von London und haben eine großartige Geschichte mit Crass, Fugazi, Shellac, Sonic Youth - die haben alle dort aufgenommen. Unser Soundmann Harvey Birrell ist auch großartig und bringt uns genau den reichen, warmen Sound, den wir wollen."
Das ist natürlich wahr, doch man muß dazusagen, daß Action Beat live zu sehen eine andere Wirkungskraft hat, als sie auf Platte zu hören. Beides ist zu empfehlen, aber eines mit erhöhtem Nachdruck. Zum Glück halten es Action Beat mit dem Touren so großzügig wie möglich: Es werden genau so viele Shows gespielt, wie es die Welt erlaubt, am liebsten das ganze Jahr und jeden Tag, Reisen im Black Flag-Style nennt man das. Da fragt man sich: Acht Herren wochenlang auf engstem Raum, ob es da nicht früher oder später zu Tumulten und Ausschreitungen kommt, nachdem die werten Pranksters ja, anstatt im Auto Bücher zu lesen, lieber große Mengen an Alkohol&Co vertilgen?
"Die Band war schon oft außer Kontrolle, besonders in Verbindung mit Alkohol und Gras hatten wir arge Streitereien. Aber wir sind nach wie vor lauter gute Freunde, ich könnte die Band auch gar nicht verlassen, ich habe sie ja mit James gegründet. Ich würde Action Beat nie verlassen, da würde ich schon eher ... das 'Problem' entfernen, die Leute loswerden, die Probleme verursachen."
Es ist nun schon spät, das Konzert seit ein paar Stunden vorbei. Die Zuschauer waren begeistert, wurden weggeblasen von dem wilden Haufen, der mächtige Lärmwände aufbaute und wieder einstürzen ließ. Etwaigen Erschöpfungserscheinungen tritt die Band mit Bier gegenüber, pennen kann man später auch noch ... wobei, da fällt Action Beat ein: "Wir haben keine Schlafplätze!"
So stehen sie dann in den frühen Morgenstunden am Praterstern vorm fluc in Wien. Doch es gibt keinen Grund zur Beunruhigung, Action Beat haben dieses Spiel schon oft gehabt: Die acht Bandmitglieder verteilen sich routiniert in verschiedene Stadtrichtungen: Drei lernen Frauen kennen, die ihnen Obdach und weiß Gott was gewähren, zwei schlafen bei irgendjemandem und drei gesellen sich in meine Bude.
Das Erwachen am nächsten Morgen war böse: Wir werden von einem Bandkollegen geweckt, der anruft und mitteilt, daß der Band-Bus abgeschleppt worden ist. Das Freilösen sollte am Arsch der Welt stattfinden und satte 210 Euro kosten. Einmal die Augen ganz fest zusammenpressen und ein großes "Scheiß drauf!" zum Tagesmotto erheben. Dem Einkauf von Suchtgiftmitteln konnte aber auch dieser Zwischenfall keinen Abbruch tun.
Das letzte, was ich von der Gang gehört habe: "OK, also Action Beat hat grade wieder Gras eingekauft. Auf unseren Touren geben wir das ganze Geld für scheiß Gras aus, weil die ganze Band verdammt süchtig danach ist. It's really bad but we love it ... we are sinners."
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