Stories_iPods und Zen
Mein erster Apple
Der iPod Nano ist in aller Munde - kein Problem, wo er doch so klein ist, daß er sogar in Zahnfleischtaschen paßt. Andreas Winterer kaufte todesmutig ein Trendgerät.
07.12.2005
Während der Dezemberkälte geht doch nichts über die trocken überheizte Enge eines urbanen Elektronik-Kaufhauses. Von links wärmen uns da die Plasma-Riesenfernseher und erinnern daran, daß man die ohnehin schwindenden Ölvorräte der Welt auch einfach wegglotzen kann. Von rechts überdröhnen billige Ghettoblaster mit dem Frequenzbereich eines Wählscheibentelefons gnädig den quälenden Weihnachtspop aus der allgegenwärtigen Muzak-Sprinkleranlage.
Da wünscht man sich ins gemütliche Shopping-Ambiente weitläufiger US-Riesensupermärkte, sieht sich zwischen luftig arrangierten Regelreihen, deren massives Angebot von "Cereals" und MP3-Playern man in stundenlanger Entscheidungslosigkeit abschreiten könnte. Die Muzak in diesem Einkaufsparadies wäre so dezent leise, man könnte sich problemlos mit Bert Kaempferts unvergeßlichem "A Swinging Safari" aus dem eigenen MP3-Player zerstreuen. Könnte! Kann man aber nicht. Denn der alte MP3-Player ist den Weg alles Irdischen gegangen, sprich: technisch völlig veraltet.
Nun gibt es ja Typen, die müssen immer das Neueste haben. Andere lieben dagegen die Technik von gestern. Ich zum Beispiel habe so eine Uhr mit roten LEDs, deren 7-Segment-Anzeige schwach aufleuchtet, wenn man drückt. Auch ist mein Handy so alt, daß die GSM-Netze es nur noch aus Mitleid verbinden. Und mein 128-MByte-Player so verbeult, daß sich Display und Bedienelemente nur mehr erahnen lassen. Zugegeben, nicht nur das trieb mich in die Arme der Elektronikgötzen. Nein, es war auch der Wunsch nach mehr Speicher bei kleineren Abmessungen, getriggert vom letzten Werbeprospekt im Lokalblatt.
Eines war jedoch klar: Ein iPod würde es nicht werden. Weil einen iPod hat ja jetzt jeder. Überhaupt macht der Blätterwald einem gelegentlich weis, Apple habe MP3 samt Player erfunden. Es sei daher an dieser Stelle deutlich drauf hingewiesen: Nein, stimmt gar nicht, die sind hier mal wieder auf einen längst fahrenden Zug aufgesprungen, haben über chinesische Standardinnereien bloß wieder ihr Tupperware-Design drübergestülpt und den Preis verdreifacht. So ist das nämlich! Allein dafür sollte dieses Produkt gemieden werden!
Um es kurz zu machen: Es wurde dann doch ein iPod Nano. Weil -ach, ich weiß auch nicht. Dabei gäbe es gute Gründe! Zum Beispiel die Speichergröße von zwei beziehungsweise vier GByte. Die kriegen Sie bei der Konkurrenz meist nur in einem Modell mit Mini-Festplatte. Im Nano ist es ein Chip, das ist robuster. Zum anderen kostet das Ding jetzt auch nicht die Welt: Ein häßlicher 08/15-Player kommt mit einem Gigabyte auf 99 Euro, sieht aber aus wie ein Klumpen Plastik aus China. Im formschönen 2-Gig-iPod gibt es doppelt so viel Speicher für doppelt so viel Geld. Also was soll´s, denke ich im Mall-Rausch. Na gut. Na schön. Hey, warum nicht mal einen iPod? Auch häßliche Menschen haben ein Recht auf Design! Ich muß deswegen ja nicht gleich Creative Conceptioner in einer Schnöselagentur werden!
Zu Hause entdecke ich dann auch, was Apple anders macht. Zum Beispiel die Verpackung. Ihre Abmessungen entsprechen einer Dreifach-CD, sie paßt also dezent ins CD-Regal. So clever! Und wo einem aus anderen Packungen häßliche Pappinnereien entgegenpurzeln, atmet beim Nano alles weißen Kunststoff. Selbst die Kabel sind eingeschweißt, als handle es sich um sterilen Wundverband. Wow! Der Gedanke, daß Apples Computer-User derart geile Verpackungen bestimmt mit jeder einzelnen Diskette geliefert kriegen, treibt mir Tränen in die Augen.
Die Kurzanleitung ist kurz. Und falsch. Braucht man aber eh nicht. Ist ja alles so intuitiv bei Apple. Nehmen wir nur das Zubehör: Da befindet sich ein iPod-Dock-Adapter in der Packung. Den versuche ich stundenlang ans Gerät zu stecken. Geht aber nicht. Des Rätsels Lösung: Der iPod-Dock-Adapter ist nicht etwa ein Dock, mit dem man seinen iPod schön ins Schreibtischchaos adaptieren kann. Es ist ein Adapter, den man braucht, damit ein iPod-Dock, das extra Geld kostet, sich überhaupt verwenden läßt. Genial! Brutalstmöglich-dezenter kann man nämlich auf käufliches Zubehör nicht hinweisen, als Gratis-Zubehör beizulegen, das ohne Kauf-Zubehör völlig unnütz ist - als kriegte man ein Auto mit geschenkten Schneeketten, aber ohne Reifen. Auch ein Netzgerät sucht man vergebens. Klar, es will ja sicher nicht jeder seinen iPod aufladen. So mancher kauft ihn nur zwecks Posing. Zweitens gibt´s den ja als Zubehör. Und drittens hätte er ja das Design-Konzept der Packung gestört - nur daran lag es, jede Wette!
Anfangs vermute ich noch, daß sich das Gerät "von selbst" auflädt, denn wenn einer ein bleistiftdünnes Perpetuum mobile hinkriegt, dann ja wohl Steve Jobs. Aber nein, der iPod wird ganz banal per USB aufgeladen. Und das USB-Kabel befindet sich sogar im Lieferumfang. Das stört mich fast ein bißchen ... Apple wird doch nicht etwa weich werden?
Da! Die weißen Kopfhörer! Die sind wichtig! Schwarze Kopfhörer, das sind ja bloß diese schäbigen Koss-Knarzer, die jeder klobige MP3-Noiseman hat. Weiße Kopfhörer haben nur iPods! Gerüchte besagen, die sind nur deshalb weiß, damit die Ohrstöpsel zur Werbekampagne passen. Unfug! Wahrscheinlich ist "Ohrstöpsel, weiß" sogar als schützenswertes Patent angemeldet. Sonst könnte ja ein chinesischer Ohrstöpsel-Tycoon auf die Idee kommen, seine 1-Euro-95-Ohrstöpsel demnächst ebenfalls in Weiß zu liefern.
Wahrscheinlich braucht man das aber gar nicht zu schützen, weil der typische Apple-Kunde seine Ohrstöpsel ohnehin nur bei Apple kauft (die sie vielleicht auch nur beim chinesischen Ohrstöpsel-Tycoon beziehen). Weil - behaupten böse Zungen - er ja von seinem Mac-Computer gewohnt ist, daß es Mac-Zubehör nur beim Hersteller gibt. (Bestimmt bloß Mac-neidische Gerüchte!)
Lesen Sie auf keinen Fall den Inhalt der Website, es sei denn, Sie mögen Dada. "Er ist so klein, daß Sie Ihre Musik an Orte mitnehmen können, die Sie sich nie hätten träumen lassen", behauptet Apple. Hmm. Über diesen Satz sollte Steve wirklich mal grübeln. "Sobald Sie Ihren iPod aus der Folie nehmen, verleihen Sie dem Gerät eine individuelle Note." Nein, das ist jetzt kein Werbetext, das ist die schlichte Wahrheit. Weil Apple es nämlich geschafft hat, Werkstoffe zu verwenden, auf denen sich Fingerabdrücke und Kratzer besonders deutlich abzeichnen. Ich selbst kann es kaum fassen, reibe das Gerät mit einem Brillentuch ab, wasche mir die Hände, entfette meinen Körper mit Ananas, Bourbon und Nagellackentferner etc. - nichts hilft: Jede Verwendung versaut das Design. Denn der iPod Nano ist für Androiden gemacht (die iRobots aus "I, Robot"), nicht für fettpratzige Menschen.
Ja: Der iPod Nano wird das erste Produkt sein, das ausschließlich von Maschinen gebaut und auch verbraucht wird. Der Mensch tritt nur mehr als Beschaffer von schützendem Zubehör auf. Übertreibung? Nein: Noch vor der Software-Installation shoppe ich schon los, auf der Suche nach Design-Display-Schutzfolien und Design-Nano-Cases. Und wahrlich, das Angebot ist riesig: Es gibt bunte "iPod-Socken" im Sixpack sowie Designer-Hüllen aus Designer-Stoffen mit Designer-Motiven. Schutzdinger aus Silikon, Alu, Neopren, Space-Shuttle-Hitzeschildern ... Ich hoffe, das Zeug ist schnell da, denn vorher kann ich den Nano ja wohl kaum benutzen, zu groß ist die Gefahr, das Gehäuse zu verletzen.
Einstweilen kann man ja mal Software installieren. Erheiternd finde ich als Windows-Paria, der von Apple-Nutzern regelmäßig die Intuitivität Applescher Design-Erzeugnisse gepriesen kriegt, die Bedienung. Die angezeigte Apple-Lizenz zum Beispiel zählt etwa 29.000 Zeichen, das sind umgerechnet knapp zehn EVOLVER-Reviews - soll ich das etwa alles lesen? Ich wollte doch bloß MP3s anhören! Na schön, klicke ich eben auf OK. Hoffentlich ist es kein Knebelvertrag, mit dem ich pro Woche eine Industriepalette iKlopapier bestelle ...
Nach ein paar Minuten habe ich 100 MByte mehr auf der Platte - äh, hatte ich nicht Hardware gekauft? Immerhin habe ich jetzt ein Laufwerk G namens "iPod". Kann mir aber keiner weismachen, ich könnte da jetzt meine MP3-Dateien drauf ziehen und schwupp, wären Sie auf dem iPod. So ging´s doch schon bei meinem alten Schrott-Player, wo bliebe denn da der Fortschritt? Ich probiere es aus: Erst lege ich intuitiv MP3s in den iPod. Dann drücke ich intuitiv auf ihm rum. Er tut nix. Der iPod warnt nur "Do not disconnect". Stunden vergehen. "Do not disconnect". Ich schlaf einmal drüber. Nächster Morgen: Tee und "Do not disconnect". Ich tue es jetzt trotzdem. Und siehe: Auch disconnected spielt er die MP3s nicht. Muß ich wohl doch iTunes nutzen.
Dabei handelt es sich um eines dieser MP3-Software-Monster, mit denen schon Creative Labs Kunden wie mich verschreckt hat. So geht´s: Man nehme seine perfekt geordnete MP3-Sammlung auf dem Rechner. Und vergesse sie gleich wieder. Denn jede vorhandene Ordnung ist den Software-Monstern zuwider, sie bestehen auf ihrer eigenen. iTunes kriegt sie, schiebt die MP3s auf den Pod, und irgendwie finde ich dann irgendwann sogar den Befehl "iPod auswerfen", der gottlob mit nichts wirft, sondern bloß die iPod-Meldung "Do not disconnect" verschwinden läßt. Total intuitiv.
Einige Tage vergehen, der iPod liegt im Safe. Dann endlich kommt der Schutzbrief - mit der bestellten Design-Folie und Design-Hülle. Ich entfette den iPod und beklebe ihn mit der Folie. Der MP3-Player mit dem ätherischen Design sieht nun aus wie der zerschrammte Stahlboden einer Bohrinsel. Na ja, aber dafür kann er nicht mehr zerschrammen! Außerdem ist die Hülle für den iPod gekommen. Gut so, denn die Schutzfolie ist irgendwie verdammt häßlich. Ich entfette das Gerät ein letztes Mal und stecke ihn in die Hülle. Der "Hold"-Schalter ist nun nicht mehr bedienbar. Alles so intuitiv bei Apple ...
Abschließender Testbericht mit Faktenhuberei: Das Ding spielt MP3s, einen ganzen Tag lang. Es ist voll okay, seinen Preis unbedingt wert und ein prima Weihnachtsgeschenk für die ganze Familie. Tip: Geizen Sie nicht und nehmen Sie vier GByte statt zwei. JPG-Bildchen in Daumennagelgröße? VCF-Dateien, die als Adressbucheinträge angezeigt werden? Synchronisierung mit Outlook? Geht alles! Nur Video geht nicht. Tja, dann brauchen Sie wohl unbedingt den neuen iPod Video.
Andreas Winterer
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