Stories_Serien made in Germany

TV: Unter Zombies - das deutsche Drama

Hat es für anspruchsvolle Fernseher tatsächlich Sinn, sich mit der deutschen Serienlandschaft auseinanderzusetzen? MiC hat es versucht.    23.11.2015

Jetzt läuft gerade eine deutsche Serie bei RTL an, "von der die Welt spricht" ... O-Ton RTL-Werbung. Warum eigentlich sollte die Welt von "Deutschland 83" sprechen? Die Miniserie, acht Folgen à 42 Minuten, ist nichts anderes als eine schamlose Kopie der US-Serie "The Americans", nur daß hier der Kalte Krieg als deutsch-deutscher Konflikt ausgetragen wird. BRD gegen DDR im Kampf der Systeme. Produziert von Echthaarträger Niko Hofmann, der dem deutschen Zuschauer wieder einmal deutsche Geschichte erklärt, könnte sie auch heißen: Die Leiden des jungen Doppelagenten.

 

 

Da gibt es eine britische Miniserie mit dem Titel "Injustice" von 2011, mit James Purefoy in der Hauptrolle. Die Prämisse: Protagonist Will Travers ist ein Strafverteidiger, der nur dann Leute verteidigen kann, wenn er von ihrer Unschuld überzeugt ist.

Die Handlung: Travers, samt Familie nach einer persönlichen Krise von London in die Provinz nach Ipswich gezogen, übernimmt die Verteidigung eines alten Studienkollegen in London, nachdem er sich von dessen Schuldlosigkeit überzeugt hat. Während er sich bemüht, die Unschuld seines Mandanten vor Gericht zu beweisen, erfahren wir den Grund seines Wechsels in die Provinz: Als bei einem Bombenattentat ein achtjähriger Junge starb, übernahm Travers die Verteidigung des Beschuldigten und bewirkte einen Freispruch. Anschließend gestand der Mann ihm unter vier Augen, daß er die Bombe gelegt hatte und tatsächlich schuldig ist. Travers drehte durch, als er das hörte.

Zwei Jahre später sah er den Bombenleger zufällig wieder und tötete ihn, um damit die "Gerechtigkeit” wiederherzustellen. Parallel zu dem Prozeß in London sucht die Polizei in Ipswich den Mörder des Bombenlegers und kommt Travers langsam auf die Spur ...

Diese Story würde in Deutschland, wenn überhaupt, als Krimikomödie gedreht werden, in der alte Damen böse Menschen mit Kamillentee vergiften. Von den "Injustice"-Sublines, wie der Vergiftung der Dritten Welt durch Giftmüll eines europäischen Ölkonzerns, der Pädophilie des Studienkollegen (das wahre Tatmotiv für seinen Mord) einmal ganz abgesehen - so etwas würde hier keine Redaktion abnicken.

Beim Betrachten dieser Miniserie, die nicht an die Brillianz der Anwaltsserie "Silk" heranreicht, aber recht gut ist, wurde mir erneut klar, wo die Ursachen für die "Qualität" des deutschen Fernsehens liegen: in den Machtverhältnissen und im Urheberrecht. Die deutschen Sender finanzieren Auftragsproduktionen und erwerben damit sämtliche Rechte - nur Brainpool und Sony behalten teilweise Verwertungsrechte. So hängen letztlich alle Produktionen am Finanztropf der Sender. Die Möglichkeit, Rechte zu behalten, zu verwerten und damit Geld zu erwirtschaften, haben deutsche Produktionsfirmen nicht. Während das Urheberrecht in Großbritannien den "Total Buy-out" untersagt, hat die Novellierung des Urheberrechts in Deutschland das Gegenteil bewirkt und den totalen Ausverkauf mehr oder weniger branchenweit durchgesetzt.

Damit ist auch klar: Wer für das deutsche Fernsehen arbeitet, wird niemals auf das Niveau der Briten, Amis, Franzosen, Italiener oder sogar Norweger kommen. Die ganze Diskussion um die Qualität des deutschen Fernsehens ist absolut lächerlich. Da kann der "Tatort" sich noch so sehr als Institution gerieren; da können dessen Macher hemmungslos bei Briten, Amerikanern usw. abkupfern, um sich anschließend für ihre Innovation, ihren Mut und ihr internationales Niveau zu rühmen ...

Die Entwicklung eines eigenständigen deutschen Dramas wurde spätestens mit Einführung des Privatfernsehens vor 30 Jahren endgültig vertan. (N.B. Selbst die ruhmreiche WDR-Serie "Ein Herz und eine Seele" war die Kopie einer englischen Serie, ebenso PRO7s Erfolgsformat "Stromberg"). Falls es eines weiteren, jüngeren Beweises bedarf: "Weinberg", die angeblich erste horizontal erzählte Serie im deutschen TV, ist an Spießigkeit und dümmlicher Provinzialität nicht zu überbieten. Böswilligerweise könnte man behaupten, daß die dafür verantwortlichen Witzfiguren nicht einmal richtig nachmachen können.

Womit wir wieder bei "Deutschland 83" wären. Aber die werden es der Welt schon zeigen, wie RTL herausposaunt. Nur: was zeigen?

 

 

Für das deutsche Fernsehen gilt damit, was ein französischer Literaturstudent zu einem Roman des Krimiautors Sebastian Fitzek in seinem Blog anmerkte. "Der Autor ist der deutsche Patterson, für eine Kritik ist das Buch einfach zu schlecht."

Das deutsche Fernsehen ist für eine Kritik einfach zu schlecht. Aus und vorbei.

 

PS: Lesen Sie dazu auch Martin Comparts wunderbare Ausführungen über die deutsche Fernsehlandschaft: Deutscher TV-Schrott: Wie kann ich mitmachen?

MiC

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