Zinoba - Zinoba
Four Music/Sony (D 2004)
David Krutzler traf die deutschen Rocker vor deren Konzert im WUK. Jan Plewka und Stephan Eggert (Ex-Selig) plauderten über ihr Debütalbum und die korrupte Musikszene. 18.05.2004
EVOLVER: "Mit der Platte 'Zinoba' sind Selig endlich wieder zurück." Diese und ähnliche Phrasen kann man zuhauf in den Medien lesen. Wollt ihr euch so bezeichnet hören?
Stephan: Also, Zinoba ist definitiv mal nicht eine Neuauflage von Selig. Es ist zwar nicht so, daß ich dieser Aussage komplett widersprechen kann, schließlich waren Jan und ich lange Zeit Teile von Selig. Aber einige Gazetten haben uns ja auch als "Selig 2.0" bezeichnet, und das akzeptiere ich nicht.
EVOLVER: Wieso kam eigentlich das Aus mit Selig?
Stephan: Wir haben uns einfach in verschiedene Richtungen entwickelt, machten in vier Jahren fast keine Pausen. Das war fast so, wie in einer verlotterten Ehe zu leben.
Jan: Und deinen Ehepartner 48 Stunden am Tag sehen zu müssen...
EVOLVER: Glaubt ihr persönlich, daß ein großer Bonus - mit den erfolgreichen Alben von Selig im Rücken - vor allem am Start von "Zinoba" ausgeschöpft werden konnte?
Stephan: Natürlich. Im Grunde genommen sind wir ja nicht viel mehr als ein stinknormaler Newcomer-Act.
Jan: Ein Newcomer mit interessanter Vergangenheit, wohlgemerkt.
Stephan: Stimmt. Auf der einen Seite ist´s ja wirklich nervig, immer mit Selig verglichen oder gleichgesetzt zu werden, aber auf der anderen Seite gab es sicher eine Menge Rückenwind, der ausgenützt werden konnte.
EVOLVER: Wie kommt man auf den Bandnamen Zinoba? Einerseits bedeutet das irische Wort an sich ja "Unwetterfront". Oder habt ihr das Wort Zinnober einfach nur falsch geschrieben?
Jan: Den Namen dachten wir uns eigentlich selber aus. Wir wollten einfach nur zwischen Abba und ZZ Top in den Plattenregalen stehen... Das Interessante ist, daß wir noch nicht als Zinoba ins Studio gingen, sondern eben nur als Band. Erst ganz zum Schluß wurde der Bandname erfunden.
EVOLVER: Zu eurem Debütwerk: Der Opener des Albums "Seid was ihr scheint" ist textlich sehr religiös angehaucht. In der Presseaussendung wird von einem für die CD programmatischen Song gesprochen. Wie darf man das verstehen?
Jan: Nur weil das Wort Gott darin vorkommt? Das Lied entstand eigentlich im Studio. Im Keller stand ein Fernseher herum, wo wir gerade mal zwei Sender reinkriegten. Im einen Programm lief "Deutschland sucht den Superstar", im anderen zeigten sie den Angriff der Amis auf den Irak. Die Gefühle und Emotionen, die wir mit diesen Fernsehbildern aus dem Irak aufgesogen haben, sickerten dann ein wenig in die Songs ein und können zwischen den Zeilen gefunden werden. Der Song "Seid was ihr scheint" ist auch ein Appell an die Menschlichkeit. Ich glaube an das Gute im Menschen, und das wollte ich mit diesem Lied ausdrücken. Gutes Menschsein macht nicht Größenwahnsinn und auch nicht Demut aus, sondern irgendwas dazwischen. Ich will ja eigentlich nichts mit Religion und Politik zu tun haben, sondern nur mit Musik. Manchmal ist der Einfluß in den Texten aber nicht zu vermeiden.
EVOLVER: In euren Texten verwendet ihr auffallend oft die Begriffe "Schein" und "Glanz" sowie ähnliches Vokabular. Üben das Licht und Lichtstrahlen eine große Faszination auf euch aus?
Jan: "Scheinen" ist für sich einfach ein schönes Wort. So mysteriös, man impliziert damit Sterne, auch Unendlichkeit. Oscar Wilde hat einmal gesagt: "Die Welt ist ein Gefängnis, aber einige schauen in die Sterne." Wenn man einfach so mal nach oben guckt, kann man wirklich sehr viele positive und beeindruckende Dinge sehen. Das mußt du echt mal bewußt ausprobieren...
EVOLVER: Beim Anhören eures Debütalbums konnte ich eine starke Diskrepanz zwischen den eher traurig, melancholisch und nachdenklich stimmenden Texten und sehr positiv-fröhlichen Sound-Strukturen erkennen...
Jan: Schau, wir machen nur das, was wir können. Ich bin keiner, der nur allein des Selbstzwecks wegen mit Worten jongliert. Die Ehe zwischen Wort und Ton ist sehr wichtig und muß passen. Ich wüßte jetzt auch nicht, welche anderen Texte man zu dieser Sorte von Musik schreiben könnte.
EVOLVER: Bei eurer Club-Tournee steht ihr zu sechst auf der Bühne. Wird das eine längerfristige Bindung mit den Gastmusikern sein?
Jan: Natürlich werden die Jungs uns auch länger begleiten. Wir, also das Stammteam von Zinoba, haben uns auch schon vertraglich geeinigt, mindestens acht Platten einzuspielen. Darunter sind sicher eine Konstrukt- und eine elektronische Platte, vielleicht auch ein Soundtrack. Und ganz zum Schluß wird´s eine goldene Platte geben.
EVOLVER: Auf eurem Label Four Music seid ihr – sieht von man Thomas D´s Rock-Projekt Son Goku ab – das erste Signing einer Rockband. Bisher lag der Schwerpunkt des Labels eher auf HipHop und DJ-Acts. Warum?
Jan: Eines muß gleich vorweg mal gesagt werden: Der Geschäftsführer dieses Labels hat damals auch Selig gesignt. Der Vertrag kam so zustande: Wir trafen uns letztes Jahr zufällig, schilderten ihm unser neues Projekt und sagten ihm, daß wir so ein gemütliches kleines mittelständisches Unternehmen suchen, das uns unter Vertrag nehmen will. Daraufhin sagte der Typ: "Wir wollen euch haben!" Der hat uns einfach blind gesignt, das zeugt doch von Vertrauen. Und dieses Vertrauen können wir ihm nur zurückgeben. Er ist mittlerweile der einzige im gesamten Musik-Showbiz, dem ich noch vertrauen kann.
Stephan: Die Szene ist einfach unglaublich korrupt. Wenn du das Pech hast und ein dir wohlgesonnener oder ein dich hassender Manager - so einer, der dich ehrlich haßt und auch allen argumentativen Grund dazu hat - abgesägt wird, kannst du dir sicher sein, daß nichts Besseres nachkommt.
EVOLVER: Was halten eigentlich die deutsch singenden Gitarrenrock-Bands vor allem rund um die "Hamburger Schule" (Tocotronic, Blumfeld...) von euch? Schließlich wurden Selig ja auch einmal dazu gezählt?
Jan: Ich find´s eigentlich Scheiße, daß Selig dieser "Hamburger Schule" zugerechnet wurde. Ich empfand unseren Stil damals irgendwie zwischen allen Stühlen und würde Selig nirgends einordnen. Aber da gibt´s ja zum Glück eine wahre Begebenheit zu erzählen: Als wir vor langer Zeit mal in der Szene Wien aufgeigten - wir waren da schon "Stars" -, lasen wir im Backstage-Raum an der Wand etwas von einer unbekannten Hamburger Band namens Blumfeld. Daraufhin verewigten wir uns ebenfalls an der Wand und schrieben: "Selig grüßt die Rocker aus Hamburg!" Ein paar Jahre später treffen wir die mittlerweile erfolgreichen Jungs auf der Straße, die uns auf die paar Zeilen an der Wand anreden: "Wißt ihr, das ist schon Image-schädigend für uns, wenn ihr uns da einfach unverblümt eine Nachricht an der Backstage-Wand hinterlaßt und so tut, als würden wir uns gut kennen. Wir sprechen ja wohl ein ganz anderes Publikum an als ihr..." Seit damals haben wir nicht mehr mit diesen Leuten geredet.
Zinoba live
"Ey, wie geil ist das denn?" Wenn Kurt Knutsen und sein spezieller Kumpel Jan Plewka durch die Bars, In-Treffs und Backstage-Räume dieser Welt schlendern, ist immer was los. Zumindest so viel, daß es wert ist, erzählt zu werden. Und wenn Geschichten schon keinen Nachrichtencharakter besitzen, so müssen sie halt während des Erzählens passieren. Böse Zungen können auch behaupten, daß man dabei lügt oder erfindet.
Jan Plewka, Sänger von Zinoba und ehemaliges Mastermind der Erfolgstruppe Selig, erzählte solche Geschichten während des Gigs im Wiener WUK. Da treffen Jan und sein Kompadre Kurt Knutsen bei den Sauftouren schon mal Naomi Campbell - gleich zweimal -, und das deutsche Sternchen Heidi Klum nimmt auf Designer-Barhockern Platz, die mit der Vorhaut eines Wals überzogen wurden.
Aber hauptsächlich machen Zinoba zum Glück Musik: Und die rockt so wunderbar sympathisch daher, daß man mit dem beißenden Rauch im WUK auch gleich den Frühling umarmen möchte. Neben der Stammannschaft Jan Plewka (Gesang), Stephan Eggert (Drums) und Marco Schmedtje (Gitarre) dürfen auf der Tour noch Dinesh Ketelsen als weiterer Gitarrist, der Bassist Dirk Ritz und Pablo Escajola (Percussion) auf den Bühnen dieser Welt lärmen. Daß derer schon mehrere besucht wurden und der Gig im WUK sozusagen als "Abschlußkonzert" der Tour bezeichnet werden kann, fällt nicht wirklich auf. Ein nimmermüder Jan Plewka wedelt mit Armen und Beinen, wie ein junger unrasierter, in "Miami Vice"-Manier bebrillter Gott zwischen dem Sich und seinem eigenen Neben-Sich umher und steckt mit einer geballten Ladung dynamischer Energie auch das spärlich erschienene Publikum zum Tänzeln an. Wenn er einmal an die Elektrische greift, werden gleich drei (!) Gitarrenhälse gleichzeitig bearbeitet, was sich verheerend auf den Sound-Teppich auswirkt: Denn der wird so unglaublich geklopft, daß auch die letzte Essenz von Rock sichtbar hörbar wird und mit Jam-Session-artigen querverschnörkelten Gitarrensoli so lange und so intensiv gewaschen wird wie schon lange nicht mehr.
Die stimmigen Songs der gleichnamigen Debütplatte von Zinoba stehen natürlich im Mittelpunkt, da neigt das Publikum schon einmal zaghaft zum gedanklichen Mitsingen: Die Refrainzeile der ersten Single "Hinterm Licht" ("Warum sagst du ja, wenn du nein meinst") findet genau so schnell einen Weg durch die Gehörgänge wie die Zeilen "Im Grunde ihres Wesens ist sie ein schmutziger Charakter. Im Grunde meines Wesens fand ich´s sehr, sehr schön" des Songs "Im Grunde". Bei letzterem Lied wurde von einem Begleiter des Autors gar ein Konnex zu Westernhagen festgestellt...
Nach einer Konzertdauer von fast zwei Stunden - inklusive der vor Ideenreichtum leider etwas überstrapazierten und leicht langatmigen Gschichtln - beendet Jan nach einigen alten Selig-Nummern schließlich bei der dritten (!) Zugabe stilgerecht den Abend mit dem Selig-Hit "Ohne Dich".
Ein Abend ohne großer Überraschungen oder Gefühle, und dennoch war der Gig vor allem eines: knackig-knusprig!
Auch das zweite Album der Guns-N´Roses-Nachfolgeband um den härteren Drogen nicht abgeneigten Gitarrero Slash besticht wieder durch erdigen, kompromißlosen Rock. Trotzdem wird Sänger Scott Weiland dem Vergleich mit Axl Rose niemals standhalten können.
Amerikanische Surf-Pop-Gitarren aus Kalifornien und britische Beats aus den 60ern, vereint mit deutschen Texten und einer Prise Schlager? Für dieses illustre Quartett kein Problem.
Wild raw Rock´n´Roll: Die heimische 60s-Garage-Rock-Combo sorgt nicht nur in Österreich für gehöriges Aufsehen. Jetzt ist der erste Longplayer der wüsten Retro-Rocker erschienen.
Guns N´Roses sind wieder da - ohne Radlershorts, Bandana und Slash, dafür aber mit einer fulminanten Bühnenshow, die mit alten Hits und neuen Krachern gespickt ist.
Die Reinkarnation eines Glamrock-Giganten, oder: Das Aufflackern einer Legende in der stürmischen pannonischen Tiefebene. Guns N´Roses spielen wieder mit dem Feuer.
Den Einzug in Stadion-Rock-Sphären haben die Schweden-Poser mit ihrem dreckig-verschwitzten Rock zum Glück noch nicht geschafft. So kann man sie weiter in kleineren Venues erleben.
Kommentare_