Willy DeVille - Pistola
ØØØØ
Eagle Rock/edel (USA 2008)
Einst konnte er selbst nicht verstehen, warum Capitol Records gerade ihn unter Vertrag nahm. Seinem grandiosen Debütalbum folgten etliche weitere Meilensteine und sogar eine Oscar-Nominierung. Heute ist Willy DeVille samt neuem Album und Europatournee wieder da. 13.03.2008
"A little of this and a little of that/A real street dog."
Kein Statement aus seinem eigenen Mund könnte die Herkunft des 1950 geborenen Willy DeVille besser beschreiben. Die ist baskisch und irisch; zudem gehörte seine Großmutter dem Stamm der Irokesen an. Im Alter von 14 Jahren übersiedelte er samt Familie nach New York in die MacDougal Street. Damals spielte Jimi Hendrix seine ersten Auftritte, Dylan begleitete sich noch selbst, und "I Can´t Get No Satisfaction" stand kurz davor, eine ganze Generation in Aufruhr zu versetzen. Mittendrin: William Borsay, später bekannt als Willy DeVille, der das neugewonnene Großstadtgefühl mit jeder Faser seines Körpers aufsog.
Willys erste Band waren die Royal Pythons, die sich bereits nach einigen Monaten wegen Erfolglosigkeit wieder auflösten und ihn vor ein Problem stellten: Im Musik-Busineß Fuß zu fassen schien noch schwieriger als erwartet - und einen Schulabschluß hatte er auch nicht. DeVille entschied sich dafür, nach London zu gehen, kehrte allerdings schon ein paar Jahre später nach New York zurück. Dort war gerade ein enger Freund in Schwierigkeiten mit der Polizei geraten und mußte die Stadt verlassen. Willy entschied sich, mit ihm und einer Handvoll anderer Freunde nach San Francisco zu gehen.
Durch einige Bekannte stellte er dort schnell Kontakt zur Musikszene her, unter anderem zur Band von Lightnin´ Hopkins, und gründete selbst das Quartett Billy de Sade And The Marquis, später die Lazy Eights. Zwar gab es in und um San Francisco genügend Clubs, um aufzutreten, aber DeVille spürte, daß er sich dort über kurz oder lang nicht mehr über Wasser halten können würde.
Durch einen Zufall stieß er eines Tages in einer Buchhandlung beim Durchblättern der "Village Voice" auf eine Annonce des CBGB´s in New York, das jungen Bands die Möglichkeit zum Vorspielen geben wollte. Willy überredete seine Band, mit ihm an die Ostküste zurückzukehren. Neben Hunderten anderen Gruppen wurden sie genommen - und Mink DeVille war geboren.
"Die verdammt beste Musik, die wir draufhaben!"
Das Engagement im CBGB´s lief über drei Jahre. Willys Existenz und die der restlichen Band-Mitglieder schien gesichert. Mink DeVille mauserten sich zur Hausband und hatten sich bald in ganz New York einen Namen gemacht. Natürlich wurde ihnen so auch die Aufmerksamkeit diverser Plattenfirmen zuteil. Ben Edmonds von Capitol Records war es schließlich, der die Band nach einem ihrer Auftritte auf sein Hotelzimmer einlud.
Er fragte sie, welche Songs sie für eine Platte nehmen würden. "Die verdammt beste Musik, die wir draufhaben!" antwortete Willy - und Edmonds wußte, daß Capitol mit einem wie ihm gut fahren würde. Tage später lernte Willy einen Produzenten namens Jack Nitzsche kennen. Der hatte bereits mit den Rolling Stones, den Beach Boys und den Ronettes gearbeitet hatte und sollte zu DeVilles erstem Vertrauten im Musikgeschäft und gleichzeitig zu seinem Mentor und Freund werden. Zusammen mit Nitzsche entwickelten die Minks einen bislang nicht dagewesenen Sound: lupenreinen Rhythm & Blues, gepaart mit Latin-Rock, Kongas und Kastagnetten.
Schließlich erschien 1977 das Debütalbum "Cabretta", das nicht nur das Publikum, sondern auch die Kritiker überzeugen konnte. Klassiker wie "Spanish Stroll" und "Venues Of Avenue D", aber auch das Cover das Moon-Martin-Hits "Cadillac Walk" sowie die eindrucksvolle Bezichtigung Bo Diddleys als "Gunslinger" ließen dem "Rolling Stone" keine andere Wahl, als die Platte zum "Best Album Of The Year" zu küren.
Im Laufe des folgenden Jahres intensivierte sich die Zusammenarbeit mit Jack Nitzsche, der all das zu verkörpern schien, was Willy schon immer gesucht hatte. Den Höhepunkt erreichte die Freundschaft in dem gemeinsam geschriebenen Song "Just Your Friend" auf dem 1978 erschienenen "Return To Magenta". Da man Moon Martin bereits auf dem Erstlingswerk verewigt hatte, entschied man sich dafür, ein weiteres Stück aus dessen Feder zu interpretieren: "Rolene" entwickelte sich nicht wie "Cadillac Walk" zum Auskopplungs-Hit, unterstrich jedoch Willys Fähigkeit, sowohl rauhbeinigen Rocksongs als auch romantisierenden, fast kitschigen Balladen Gefühl und Inhalt verleihen zu können. Zwar überzeugte "Return To Magenta" nicht auf voller Länge, aber Nummern wie "Desperate Days" und "Soul Twist" konkretisierten den Vorgänger und wären auch als Bonustracks auf "Cabretta" nicht fehl am Platz.
Um den Minks auf dem nächsten Album einen noch ausgeklügelteren Sound zu verleihen, entschied man sich dazu, das dritte Album "Le Chat Bleu" in Paris aufzunehmen. Für Willy stellte das die einzigartige Gelegenheit dar, mit seinen Idolen Charles Dumont, dem Songwriter für Edith Piaf, und Doc Pomus zusammenzuarbeiten. Zum ersten Mal ohne Jack Nitzsche, dafür mit klassischen Streichern und in Willys Sehnsuchtsmetropole aufgenommen, wird "Le Chat Bleu" zum Meisterwerk. Diese Meinung teilte allerdings nicht jeder: Die Capitol-Bosse konnten das Album nirgends einordnen und beschlossen daher, es vorerst nicht zu vermarkten. Stattdessen wurde es in Europa veröffentlicht und verkaufte sich allein durch Importe in den Staaten hervorragend.
Aufgrund der Differenzen mit Capitol entschieden sich Mink DeVille, nach Auslaufen ihres Vertrags zu Atlantic zu wechseln. Mit neuem Label, neuer Besetzung und altem Produzenten (Nitzsche) sollten die Arbeiten an "Coup de Grace" reibungsloser verlaufen. Die Neubesetzung - allen voran Gitarrist Ricky Borgia, der schon auf "Le Chat Bleu" mitmischen durfte - verlieh den Minks einen aggressiveren, rockigeren Klang, der aber weder vom Publikum noch von den Kritikern honoriert wurde. Genauso wie die beiden folgenden Mink-DeVille-Alben "Where Angels Fear To Tread" und "Sportin´ Life" floppte "Coup de Grace" - mit schwerwiegenden Folgen: Willy entschied sich, die Band aufzulösen und von nun an solo auf Tour zu gehen.
And the Oscar goes to …
Mehr als zwei Jahre arbeitete Willy an seinem ersten Soloalbum - ohne brauchbares Ergebnis. Als ihn jedoch Mark Knopfler anrief und fragte, ob er sein nächstes Album von ihm produzieren lassen wollte, zögerte er keine Sekunde und flog nach London, wo er mit der Arbeit an "Miracle" begann. In wenigen Wochen war das Ergebnis im Kasten und unterschied sich hörbar von seinen Vorgängern. Knopfer verlieh dem 1987 erschienen Album einen für DeVille untypischen Gitarren-Sound. Auch textlich brach man zu neuen Ufern auf: Fast unverschämt rechnet Willy mit einem skrupellosen "Southern Politician" ab und outet sich auf "(Due To) Gun Control" als Beinahe-Sympathisant der NRA.
Von nun an ging es Schlag auf Schlag. Mark Knopfler arbeitete zur selben Zeit am Soundtrack zu "The Princess Bride" und war so begeistert von Willys "Storybook Love", daß er ihm vorschlug, den Track gemeinsam aufzunehmen. Der Soundtrack entwickelte sich zu einem Hit; "Storybook Love" wurde als "Best Original Song" 1987 für den Oscar nominiert. Durch Willys Performance bei der Oscar-Verleihung erschloß sich ihm ein bisher unerreichbares Publikum - was dazu führte, daß Alben wie "Victory Mixture" und "Loup Garou" deutlich poppiger klangen.
Der Tod Jack Nitzsches (2000), der Willys Karriere bis an sein Lebensende stets begleitet hatte, war ein schwerer Schlag für DeVille und lenkte ihn auf "Crown Jane Alley" auf besinnlichere Bahnen. An Stilen ist hier beinahe alles vertreten: vom exotischen Latin-Rocksong "Chieva" über den Mariachi-Gassenhauer "Come A Little Bit Closer" bis zum ergreifenden Titelsong, den er seinem verstorbenen Freund widmete. Nach der Veröffentlichung der Platte zog sich Willy zurück - bis jetzt.
No Sympathy For YouTube
Schon in der Ankündigung seines mit dem Koproduzenten John Philip Shenale erarbeiteten Comeback-Albums "Pistola", benannt nach einem Spaghetti-Western, ließ Willy durchklingen, daß es ihm vor allem darum gehe, Musik zu schreiben, die er selbst hören will. Ähnlich wie auf "Crown Jane Alley" streift er wieder quer durch die Genre-Landschaft, verabsäumt es diesmal allerdings nicht, flüssige Übergänge zwischen den Songs zu finden.
Mit "So So Real" schmettert er uns einen dreckigen Rocksong und ein messerscharfes Gitarrenriff als Opener um die Ohren. "Things have changed/And now I feel/Life has become/So unreal" berichtet uns Herr DeVille von seinem Unverständnis für das heutige YouTube-Zeitalter. Im krassen Gegensatz dazu steht "Been There Done That", das bei erstmaligem Hören nach einem gemeinsam aufgenommenen Song mit den frühen Wailers klingt. Die rhythmische Ähnlichkeit zu "Get Up, Stand Up" löst sich allerdings bald auf und wird mit New-Orleans-Funk à la Fats Domino kombiniert. Höhepunkt des Albums ist die Springsteeneske Folk-Hymne "When I Get Home", in der DeVille seine hörbar strapazierte, aber authentisch klingende Stimme perfekt mit dem poppigen Arrangement vereint und sich seiner Wurzeln besinnt. Und natürlich wäre es kein Willy-DeVille-Album ohne einen TexMex-Cajun-Swinger: In "I Remember The First Time" kehrt er zu seinen musikalischen Anfängen zurück und definiert diese durch die Vielfalt der Gastmusiker neu.
"Pistola" beweist auf faszinierende Art und Weise, daß ein in die Jahre gekommener Haudegen und Troubadour immer noch eindrucksvolle Zeilen und Rhythmen auf Lager hat. Gleichzeitig mit dem Erscheinen des Albums startet DeVille übrigens auch eine Europatournee, die ihn zwar nicht nach Österreich, dafür aber quer durch Deutschland führen wird. Für 28. März ist zusätzlich ein Konzert mit der Originalbesetzung von Mink DeVille in New York angesetzt.
Willy DeVille - Pistola
ØØØØ
Eagle Rock/edel (USA 2008)
Die andauernden Streitereien scheinen beigelegt. Die belgischen Pop-Avantgardisten sind vereint wieder da und schlagen dementsprechend versöhnliche Töne an. Das kann leider schon einmal trivial werden ...
Ausgerechnet im verflixten siebenten Jahr haben die Kills ihre dritte Platte fertiggestellt. Die ist wie immer dreckig und gefährlich ausgefallen, wartet aber auch mit der einen oder anderen Überraschung auf.
Einst konnte er selbst nicht verstehen, warum Capitol Records gerade ihn unter Vertrag nahm. Seinem grandiosen Debütalbum folgten etliche weitere Meilensteine und sogar eine Oscar-Nominierung. Heute ist Willy DeVille samt neuem Album und Europatournee wieder da.
Wieder ohne seinen ehemaligen kreativen Gegenpol Nick Oliveri, dafür mit einem halben Bus voller Gastmusiker hat Ober-Königin Josh Homme das fünfte QOTSA-Album fertiggestellt. Es ist erstaunlich ruppig, nichtsdestotrotz aber doch auch wieder ziemlich großartig ausgefallen.
Das für viele wichtigste Elektronikfestival Österreichs hat seinen guten Ruf nicht umsonst. Auch heuer ist Graz wieder für ein Wochenende der Nabel der (computerisierten) Musikwelt. Der EVOLVER besuchte den Eröffnungsabend.
Kommentare_
Dass Sportin Life gefloppt wäre, halte ich für ein Gerücht. Italian Shoes war immerhin die meisterverkaufte Single des Herrn. Erwähnenswert wäre auch die Filmmusik zu Friedkins Crusising (Al Pacino) gewesen.
"Italian Shoes" war zwar als Single recht erfolgreich, ähnlich wie "I Must Be Dreaming", aber ein guter Absatz für das Album selbst stellte sich nicht ein. Außerdem beschränkte sich der Erfolg von "Italian Shoes" zum Großteil auch auf Europa. Zugegebenermaßen ist "gefloppt" etwas unglücklich formuliert.