Viennale 05
Wien, diverse Kinos, 14.-26. Oktober 2005
Teil zwei unserer thematisch aufgefächerten Viennale-Empfehlungen: Highlights zwischen thailändischem Horror, Musiker-Dokus und ewigen Klassikern. 11.10.2005
Asian Cinema
Handfesten Horror fördert The Shutter/Sutter kodtid winyan (Thailand 2004) aus den Dschungeln Südostasiens zutage, indem das Spielfilmdebüt eines thailändischen Regie-Duos (dessen Namen wir Ihnen hier ersparen) mit übernatürlichen Phänomenen hantiert. Als ein Paar eines Nachts ein junges Mädchen mit dem Auto überfährt, taucht dieses auf einmal als entstellter Geist auf Photos aus dem Nichts auf. Als die beiden Fahrerflüchtigen aus Gewissensbissen der Sache auf den Grund gehen wollen, scheint das Unfallopfer seltsamerweise gar nicht zu existieren. Das im asiatischen Kino unheimlich populäre Genre des Geisterfilms wird wohl noch länger für Gänsehaut sorgen. (15., 17. 10.)
Nicht nur für Fans eines der derzeit größten Regisseure: Takeshis´ (Japan 2005) ist eine launige Zitatenreise durch Takeshi Kitanos gesammeltes Kino- und TV-Schaffen. Ausgangspunkt des losen Plots sind fiktive Dreharbeiten zu einem Film mit dem Multitalent in der Hauptrolle, die nur als Abschußrampe für Kitano-typischen lakonischen, schwarzen Humor, reichlich Nonsens, Schießereien, Witze und mehrere Film-im-Film-Ebenen dienen (19. 10.). Zum "state of the art" des neuen Asian Cinema aus Japan, Sükorea und Thailand empfiehlt sich Digital Short Films by Three Filmmakers: Während die beiden Jungregisseure eher zwiespältig sind, gilt immerhin Shinya Tsukamoto ("Tetsuo", "Tokyo Fist") als Garant für Hightech-Abgründiges. (18. 10.)
Haben sich hingebungsvolle Liebe und Leidenschaft als Plot aus dem US-Kino weitgehend verabschiedet, so leben sie in den Traumfabriken Hongkongs in ungebrochener Schönheit weiter. Große Gefühle, melodramatische Gesten und opulente Bilder sind neben Tony Leung dann auch die Hauptakteure in Stanley Kwans Everlasting Regret/Changhen ge (China/HK 2005), der bittersüßen Geschichte um eine uneingestandene Liebe, Reue und unerfüllte Sehnsucht im Shanghai der 40er Jahre (17., 18. 10.) - ein Setting, das stark an "In the Mood for Love" von Wong Kar-Wai erinnert.
Der uneingeschränkte Großmeister des poetischen Liebesfilms ist im Rahmen der Tribute to Buenos Aires-Schiene mit einem älteren, aber sehr sehenswerten Meisterwerk vertreten. In Happy Together (HK/Argentinien 1997) verliert sich ein schwules Pärchen in einer hoch emotionalen On/Off-Beziehung, die von beiden schließlich hohe Tribute fordert. Wegen des Tabuthemas Homosexualität mußte vor allem in Argentinien gedreht werden, doch der Inhalt ist ziemlich universell und geschlechterübergreifend. (17., 26. 10.)
Sex, Gewalt und schlechte Laune können schon mal den Tag eines Auftragskillers retten, vor allem wenn er der Held in einem Werk namens Sex Doll of Wastelands/Koya no datchiwaifu ist. Der japanische Gangster-Streifen aus dem Jahre 1967 bricht unter der schwarzweißen Oberfläche eines klassischen Yakuza-Movies um Rache, Revolverduelle und leichte Mädchen mit der konventionellen Erzählstruktur. Dies war übrigens eine beliebte Methode einer Handvoll ambitionierter japanischer Regisseure (z. B. Koji Wakamtsu, Tetsuji Takechi, Seijun Suzuki etc.) in den Sechzigern und Siebzigern, die - etwas subversiv gegen das Studiosystem - in ihre Auftragsarbeiten wie Pink-Movies und Gangster-Epen radikale politische oder künstlerische Inhalte einzuschleusen versuchten. Atsushi Yamatoya ist ein kreativer Part dieses generell entdeckenswerten Genres. (22., 23. 10.)
Dokumentationen
Warum entstanden ausgerechnet in den frühen und mittleren Siebzigern einige der radikalsten Filme? Stuart Kamels Midnight Movies: From the Margin to the Mainstream (Kanada 2005) geht dieser Frage anhand ausgewählter Grenzgänger, Tabubrecher und Verfechter des "schlechten Geschmacks" auf Zelluloid nach, von denen etwa "El Topo", "Pink Flamingos" und "Eraserhead" besonders herausragend sind. (18., 22. 10.)
Der deutsche Romuald Karmakar ist nicht nur für die klaustrophobische Psychostudie "Der Totmacher" über den Serienmörder Haarmann bestens bekannt, sondern auch für Dokus jenseits der gesellschaftskritischen Alltagsbetroffenheit, seit er etwa in "Warheads" Waffenhändler oder "196 bpm" Teile der Technoszene porträtierte. Between the Devil and the Wide Blue Sea hält einige interessante Bands und Acts aus der Electroclash-/Death-Disco-Ecke fest. Die Live-Konzerte von Alter Ego, Fixmer/McCarthy oder Cobra Killer kommen kommentarlos und ohne Interviews aus. (24., 26. 10.)
Strictly for Fans und der Vollständigkeit halber seien erwähnt:
The Devil and Daniel Johnston (USA 2005) begleitet das Musikeridol zwischen seiner Musik, Arbeit und psychischen Krankheiten. Is It Really So Strange? (USA 2005) widmet sich dem Fankult um Steven Patrick Morrissey, der als Sänger und Songschreiber der 80er-Musiklegende The Smiths und später solo als Morrissey Popgeschichte schrieb. In Los Angeles ist der britische Dandy Gegenstand kultischer Verehrung, behauptet William E. Jones in seiner interviewlastigen Doku. (19. 10.)
In Crossing the Bridge begibt sich der deutsch-türkische Ausnahmeregisseur Fatih Akin ("Gegen die Wand") gemeinsam mit Alexander Hacke, dem Bassisten der Einstürzenden Neubauten, auf eine Reise zu den vielen Sounds von Istanbul von Folklore bis Rap; klingt cooler, als es ist. (15., 17. 10.)
Klassiker
Auch wenn man es schon hundertmal gesehen hat, das Schwarzweiß-Meisterwerk und Grundstein des Zombie-Films, Night of the Living Dead (USA 1968) ist auf großer Kinoleinwand ein uneingeschränkter Genuß. Über den gesellschaftskritischen Subtext von George A. Romeros berühmter Trilogie sind mittlerweile meterdicke Folianten erschienen, man kann sich aber auch nur an den apokalyptischen Stimmungen, den Make-ups und Guts´n´Gore erfreuen. Vor kurzem kehrte der Horror-Großmeister, wie man weiß, mit einer sehr gelungenen Fortsetzung zurück. (22. 10.)
Je t´aime moi non plus (F 1975): wegen der schönen jungen Jane Birkin und dem noch schöneren Joe Dallessandro und weil Serge Gainsbourg Regie führte - auch wenn Sie den Song zu Recht nicht mehr hören können. (26. 10.)
Und schließlich noch die Andy Warhol gewidmete Retro: Leider laufen die besten Filme, an denen Warhol beteiligt war, nicht: "Flesh" und die beiden von Warhol produzierten Camp-Horrorfilme von Paul Morrissey "Blood for Dracula" (mit Udo Kier) und "Flesh for Frankenstein" (beide mit Udo Kier und Joe Dallessandro).
Viennale 05
Wien, diverse Kinos, 14.-26. Oktober 2005
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Nahrung fürs Auge, Lärm für die Ohren, Balsam fürs Gehirn: Der neue Ayoama kreist um Selbstmord und Science Fiction und taucht uns in ein Meer aus Geräuschen und hypnotischen Bildern.
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