Thomas Perry - Metzger's Dog
Random House
(Photo: Jo Perry)
Seine Polit-Thriller erinnern an einen Ross Thomas on dope - und in seinen besten Werken ist er so originell, daß man ihn vortrefflich als sein eigenes Genre bezeichnen darf. Die Rede ist von US-Autor Thomas Perry. 19.11.2014
Chinese Gordon ist ein ehemaliger Contractor, der inzwischen mit seiner Freundin Margaret und seinem Kater Dr. Henry Metzger in Los Angeles lebt. Zusammen mit seinen Kumpels Kepler und Immelmann dreht er Dinger, die sich durch militärische Präzision auszeichnen. In seinen Kastenwagen hat er zur besonderen Verwendung eine Flugzeugkanone eingebaut, mit der er es so richtig krachen läßt, daß Bruce Willis & Co. ganz grün werden vor Neid.
Für einen mexikanischen Drogenhändler holt er um eine Million Dollar Kokain aus einer Forschungsabteilung der Universität (den Stoff hatte man dem Drogenhändler abgenommen und der Uni zur Verfügung gestellt). Bei dem Coup fallen ihm geheime Papiere der CIA in die Hände, die eine neue Strategie der psychologischen Kriegsführung in Lateinamerika dienen sollen, von der sich die Firma viel verspricht. Erstes Ziel: ein Umsturz in Mexiko (der Roman stammt aus em Jahre 1983, was aber für seine Zeitlosigkeit keine wirkliche Rolle spielt). Gordon erpreßt die CIA und bekommt es mit einem alten Hasen zu tun, der selbst an der Inkompetenz des eigenen Ladens verzweifeln könnte. Die Besprechungen der CIA-Analytiker gehören zum Komischsten, das Ross Thomas nie geschrieben hat. Es ist bezeichnend, daß Carl Hiaasen die Einführung zur letzten Neuauflage geschrieben hat - Hiaasens schräger Humor hat einiges mit Perry gemeinsam.
Natürlich ist das kein Katzenkrimi (obwohl jeder Fan der Spezies begeistert auf seine Kosten kommt). Das Buch funktioniert auf mehreren Ebenen:
Es ist etwas unverständlich, daß Perry nicht einen ähnlichen Stellenwert genießt wie Elmore Leonard. Seine Romane verfügen über vergleichbar originelles Personal (auch wenn sie weniger eitel im Dialog sind), präzise Plots, die mit überraschenden Wendungen einhergehen (Perrys schlechteste Plots sind besser als Leonards schlechteste Plots) und eine ökonomische Erzählweise. In seinen Polit-Thrillern erinnert Perry häufig an Ross Thomas ...
... aber an einen Ross Thomas on dope.
Am erfolgreichsten sind bisher die sieben Bände seiner Serie um die indianische Escape-Expertin Jane Whitefield. Seine Trilogie über den Killer Butcher´s Boy ist im Gespräch für eine TV-Serie (die beiden ersten Romane wurden auch ins Deutsche übersetzt; aber seit längerer Zeit hat Thomas Perry, wie so viele großartige US-Autoren, keinen deutschen Verlag mehr). Auch in der besseren amerikanischen Sekundärliteratur sucht man seinen Namen meist vergeblich. Er scheint tatsächlich, trotz seines Erfolgs, eines der bestgehütetsten Geheimnisse der US-Crime-Fiction zu sein. Vielleicht liegt das aber auch darin begründet, daß er sich oft zwischen alle Stühle gesetzt hat: Er verband häufig den Polit-Thriller und Noir-Roman mit Comedy, was Kritiker dazu bewegte, den unvermeidbaren Vergleich mit Donald Westlake herauszugrölen. Dabei ist Perry in seinen besten Werken so einzigartig und originell, daß man ihn vortrefflich als sein eigenes Genre bezeichnen darf.
Thomas Perry stammt aus einer Lehrerfamilie. Zusammen mit einer Schwester und einem Bruder wuchs er in Tonawanda, Nex York, in der Nähe der Niagara-Fälle auf. "Ich verbrachte einige Zeit mit ziemlich harten Burschen, ohne selber einer zu sein. Aber ich lernte, die Dinge durch ihre Augen zu sehen. Ich bin zwischen Buffalo und Niagara Falls aufgewachsen. Das war immer Mafia-Gebiet. Als ich aufwuchs, herrschte ein brutaler Krieg zwischen zwei Familien, der erst bei dem berühmten Treffen auf der Ranch in Apalachin 1957 beigelegt wurde. Als ich anfing, über diese Leute zu schreiben, erinnerte ich mich an diese Geschichten aus meiner Jugend und recherchierte sie genauer."
Er studierte Englisch in Cornell und machte an der Universität von Rochester seinen Abschluß. Dann arbeitete er als Fischer und in einigen anderen Jobs, die etwas mit dem richtigen Leben zu tun haben. Schließlich zog er nach Santa Barbara und ging an die Universität von Kalifornien, um in der Verwaltung zu arbeiten. Dort traf er die Englischdozentin Jo Anne Lee, die er 1980 heiratete. In den 1980ern arbeitete er auch als Drehbuchautor und Producer für Serien wie "Simon & Simon" (für die sogar Ross Thomas zwei Episoden schrieb), "21 Jump Street" und "Star Trek: The Next Generation". Bei "Simon & Simon" war er auch als Co-Produzent tätig.
Geschrieben hat er seit der Kindheit, darunter auch ein paar unveröffentlichte Romane. "Ich bemühte mich vergeblich, etwas zu schreiben, das nicht langweilig war." Bei seiner Dissertation über William Faulkner war Perry auf Chandler gestoßen, den Faulkner als einen seiner Lieblingsautoren bezeichnet hatte. "Ich las Chandler und entdeckte die Kriminalliteratur." Perry kannte das Genre kaum und liest auch heute nur wenige Thriller. Vielleicht war es gerade diese Unbedarftheit, die es ihm ermöglichte, mit einem neuen Ton ins Genre einzusteigen. "Ich versuche immer wieder etwas anderes, um die Sachen interessant zu machen." Hätte Perry von Anfang an auf eine Serie gesetzt, wäre er heute sicherlich noch erfolgreicher. Aber selbst für die Whitefield-Romane galt oder gilt, daß er der Serienheldin einen neuen Aspekt abgewinnen muß, um ein weiteres Buch über sie zu schreiben. Das erklärt auch die zehnjährige Pause zwischen dem fünften und sechsten Roman.
Sein Erstling, "The Butcher´s Boy", für den er den Edgar bekam, schlug 1982 ein wie eine Bombe. Es war sofort erkennbar, daß sich da eine neue, originelle Stimme im Thriller zu Wort meldete. Eine von Perrys Spezialitäten ist die multiple Erzählerperspektive, die er meisterhaft beherrscht. Obwohl er immer in der dritten Person erzählt, führt er den Leser in die nachvollziehbaren Gedankengänge der jeweiligen Figur, wie verrückt die auch immer sind. Trotz dieser inneren Monologe ist sein Werk voller filmischer Action, was sicherlich seiner Arbeit als Drehbuchautor geschuldet ist. Diese Mischung, gepaart mit einer großen Portion Zynismus, macht sein Werk originell und einzigartig in der Kriminalliteratur. Was wahrscheinlich auch eine Erklärung dafür ist, daß es seit langem nicht mehr auf deutsch veröffentlicht wird ...
PS: Momentan arbeitet Dante Harper (Edge of Tomorrow) an einem Drehbuch nach "Metzger´s Dog".
In den 80ern und 90ern erschienen in der "Heyne-Filmbibliothek" einige dringend lesenswerte Werke rund um Filmemacher, Schauspieler und Genres. Einige davon gehen auf das Konto der deutschen Western-Koryphäe Thomas Jeier. Martin Compart sprach mit ihm über das uramerikanische Genre.
Er war weit mehr als ein Mann, der nur Rot sieht. Martin Compart sprach mit Filmliebhaber Oliver Nöding über Charles Bronson - einen Schauspieler, der keinesfalls in Vergessenheit geraten sollte und immer noch eine Entdeckung wert ist.
Dienen Qualitätsserien noch der gehobenen Unterhaltung oder längst der ideologischen Indoktrination? Und was haben deutsche TV-Produktionen damit zu tun? MiC liefert dazu einen Tagebucheintrag - knapp nach den Iden des März.
Hätten wir im EVOLVER eine Ruhmeshalle für fiktive Personen aus der Populärkultur, wäre George MacDonald Frasers Flashman ein eigenes Podest sicher. Martin Compart sprach mit Herausgeber Bernd Kübler über die Hörbuch-Adaptionen von Flashys Abenteuern.
Kennen Sie den PI und ehemaligen Kriminaloberkommissar Bernhard Gunther, der im Berlin der 30er und Folgejahre für Recht und Ordnung sorgt? Nein? Dann ist es Zeit, daß Sie der Reihe des britischen Krimiautors Philip Kerr Ihre Aufmerksamkeit schenken. Martin Compart gibt fachgerechte Starthilfe.
Werner Fuchs gedenkt eines Science-Fiction- und Fantasy-Autors, dessen Imagination in den Genres unvergleichbar ist. Nach dieser Lektüre gibt es keine Entschuldigung mehr, die Werke des US-Schriftstellers Jack Vance nicht zu lesen oder neu zu entdecken.
Kommentare_