Stag-O-Lee
Emmerich Thürmer ist Pulp-Country-Deejay in der Mata Hari-Bar, dem Stag-O-Lee-HQ in Nürnberg.
Photos © Stag-O-Lee-Photographer & Alexandra Küfner
Was genau Southern-Trash- und Garagen-Rock´n´Roll mit Nordrhein-Westfalen zu tun haben, erklärt Emmerich Thürmer in seinem Porträt über ein Platten-Label, das nach einem legendären Mörder aus der Gegend rund um den Mississippi benannt ist. Oh yeah! 25.11.2014
Beverungen liegt tief im Herzen Nordrhein-Westfalens, Memphis tief im Herzen des unheimlichen amerikanischen Südens. Beide Städte teilen sich seit diesem Sommer eine musikalische Legende, den Mythos von Stag-O-Lee (auch Stack O´Lee oder Stagger Lee genannt). Besagter oft besungener Mordsbursche (siehe auch: "Stagger Lee" von Nick Cave) geistert seit Anfang des 20. Jahrhunderts durch etliche Folk-, Blues- und Country-Balladen, und laut der historischen Folkloremusik-Forschung hat John Lomax die sarkastische Mörderballade über Stack O´Lee im Jahre 1910 als erster publiziert, angeblich angeregt durch einen Zeitungsartikel über ein Verbrechen, das sich zehn Jahre davor in Memphis abgespielt haben soll. Das Herzstück des Mythos: Ein gewisser Stag-O-Lee (Nationalität, Hautfarbe und soziale Schicht je nach Interpret variierend) soll in Memphis, der Stadt, die damals damit prahlte, die höchste Mordrate der Welt zu haben, in einem Streit um einen Hut (Finger weg vom Hut eines Mannes!) mit einem Revolver (oft ein 44er, nur ganz selten mit einem Messer!!) einen gewissen Billy Lyons ermordet haben, obwohl dieser ihn auf das Leid seiner Familie hingewiesen und weinend um Gnade angefleht hat. Schuß. Schluß. Punkt!
Und das ist doch eine wunderbare historische Basis für ein Label, das sich größtenteils dem Geist des Trash- und Garage-Rock´n´Roll verschrieben hat.
Das Stag-O-Lee-Label
Reinhard Holstein, ehemaliger Glitterhouse-Manager und der Don von Stag-O-Lee, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube, wenn er von den musikalischen Vorlieben spricht, die sich tief in die Rillen der Stag-O-Lee-Records eingeritzt haben: "Während Glitterhouse stärker am Indie-Sound orientiert war, sollte S-O-L ein Universum für abartigere, aberwitzigere Sounds werden. Das Label sollte sowohl für Sixties-Trash und Rock´n´Roll als auch für Rocksteady oder Soul - zwei meiner anderen echten Musikvorlieben - ein Dach bilden. Für gute Musik also, für die man bei Glitterhouse wegen des bisherigen Repertoire-Schwerpunkts nicht die Vordertüre öffnen konnte, für Musik, die eben zum Hintereingang reinkommt, über den Hinterhof ...
Dabei kam uns auch die Idee mit dem Stag-O-Lee-Namen - ein alter Musikmythos, der für das andere Memphis steht, für Musik von 'außerhalb', in jeder Hinsicht. Außerdem fand ich den Namen mit den zwei Bindestrichen graphisch sehr anziehend, darum haben wir uns letztendlich auch in der Gesamtästhetik für diesen herrlich altmodischen Schrifttyp entschieden und lassen ihn von einer alten Pistole verzieren. Die DJ-Slipmates und T-Shirts mit dem Logo sind als Mailorder und auch im Verkauf bei diversen Konzerten, Juke Joints, Jamborees und Shakedowns sehr gefragte Mitbringsel." Ergänzt hat man das Original-Shirt, das schon mehrfach ausverkauft war, inzwischen durch eine zweite, coole Shirt-Variante: das "We Doo Voodoo-Design-Shirt", das aus dem Träger beim Überstreifen einen echten Musik-Hexenmeister macht. "Ausprobieren!" befiehlt der Label-Großinquisitor!
Vom Sixties-Trash über Rocksteady zu wired R&B
Das Label sammelt seit seinen Gründungtagen folglich alles, was schräg, wüst und schmissig-schmutzig ist - vom alten, liebgewonnen Sixties-Garagen-Trash und rüden Rock´n´Roll über Popcorn, Rockabilly und Exotica zu Rocksteady oder Soul bzw. wildem R&B. Letztgenannte sind des R-Man´s absolute Musikvorlieben als Deejay und "Labelmogul! S-O-L steht also für schräge Musik", von Tav Falco and the Panther Burns über The Fuzztones bis zu den Fabulous Penetrators oder The Excellos aus London. Im wesentlichen geht´s um Bands, die nicht die große, schmucke Bühne anvisieren, sondern dunkle Eckkneipen, die an den "Mülltonnen" vorbeikommen und dort ihre Musikversatzstücke finden. "Und auch wenn das Aufbauen neuer Künstler ein anstrengendes Unterfangen ist", faßt Reinhard mit leuchtenden Augen zusammen, "bin ich so motiviert wie schon lange nicht mehr. Nach anfänglichen logistischen und privaten Problemen sind wir auf einem sehr guten Kurs. Wartet also auf die nächsten Veröffentlichungen von Stag-O-Lee!"
Stag-O-Lee is coming
Natürlich bemüht man sich bei dem neuen Label, alle Releases vorrangig auf Vinyl zu publizieren, meist aber zusätzlich mit Digital-Download, weil die praktische Seite des Digitalismus nicht verleugnet werden soll. Zur Zeit steht eine Compilation mit herrlichen Calypso-Titeln aus den Fifties an, die Fortsetzung der tollen Popcorn-Slow-Motion-R´n´B-Serie unter dem programmatischen Namen "Slow Grind Fever" geht in die dritte Runde, und die Gothic-Blues-Hellbillies The Legendary Shack Shakers aus Kentucky haben gerade ihr 2010er-Meisterwerk "Angri.Dustrial" wiederveröffentlicht - als Platte wohlgemerkt! Ein kleiner fieser Tip zum Schluß noch: "Beats from Badsville". So heißt eine Sammlung ausgegrabener Titel aus dem Posthum-Single-Sammlungsarchiv der Cramps-Legenden Lux Interior und Poison Ivy, die ein amerikanischer Musikjournalist seit einigen Jahren veröffentlicht und die bisher auf drei Volumes bei Stag-O-Lee erschienen sind.
Musikinteressierte sollten sich einfach via Homepage auf dem laufenden halten. Die Auswahl ist groß - da findet sich garantiert für jeden Fan abseitiger Genres eine Mörderscheibe ...
Stag-O-Lee
Emmerich Thürmer ist Pulp-Country-Deejay in der Mata Hari-Bar, dem Stag-O-Lee-HQ in Nürnberg.
Photos © Stag-O-Lee-Photographer & Alexandra Küfner
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