Robbie Williams - Reality Killed The Video Star
EMI (GB 2009)
Der schlimmste Feind eines Stars ist sein eigener Mythos - der Glanz vergangener Tage, der ihm nur noch als fahle Erinnerung anhaftet. Derzeit soll der der Mythos Robbie Williams mit viel Anstrengung wiederbelebt werden. Nina Lucia Groß nimmt seine neue CD "Reality Killed The Video Star" zum Anlaß, mit ihrer ersten großen Liebe abzuschließen. 18.11.2009
Sein Comeback geht durch die Medien. Sein Comeback geht mir nahe.
Er war meine erste große Liebe. Ich - dreizehnjährig - saß mit meiner besten Freundin und einer Wolldecke, HubbaBubba kauend und andächtig schweigend draußen im Garten. Aus den Kopfhörern des Discman drang seine Stimme, sang sich in unsere Köpfe und Träume hinein: Robbie Williams. Ich liebte sein Lächeln, und Englisch-Vokabeln lernte ich nur, damit ich seine Texte verstehen konnte. Er brachte mich durch meine ersten Partys, den ersten Kuß und jede Erkältung. Doch wie das so ist mit den Jugendlieben - irgendwann öffnet man die Augen und sieht, daß es rund um einen herum noch so viel Besseres, Wilderes, Neueres gibt. Dann wendet man sich ab.
Ich verliebte mich in andere, probierte alles aus, löste mich fast gänzlich von meinem ersten Schwarm; nur die Melancholie des Vergänglichen, die Erinnerungen an die warmen Sommernächte und HubbaBubba verbanden mich noch mit ihm. Er hat mich fasziniert, seine Show und sein Augenaufschlag haben mich betäubt und gleichzeitig lebendig gemacht, bis wir uns dann doch auseinanderlebten. Ich wurde größer und wuchs seiner Musik über den Kopf. Bei seinem Konzert in Wien stand ich im Wavebraker ganz vorne, und während sich Mädchen neben mir in seinem Schweiß duschten, verabschiedete ich mich von ihm und wünschte uns, daß er jetzt gehen und nicht mehr kommen würde, weil ich wußte: Diese Romanze würde keine Fortsetzung haben.
Doch er kam wieder. Am Dienstag, den 20. Oktober 2009, performt er (der letzte Superstar Europas?) vor 3000 Zuschauern im Londoner Roundhouse. Das Spektakel etwas bescheidener, als wir es gewöhnt waren, das Lächeln noch immer dasselbe, spielt er seine großen Hits. Man sieht die Bilder und hat ein Déjà-vu: "Come Undone" vor einem tobenden Publikum. Robbies Tanzschritte, der Blick über die Schulter, alles fühlt sich so an wie vor drei Jahren. Die Mädchen in der ersten Reihe schreien und schluchzen. Williams zwinkert in die Masse und fragt: "How are you tonight?"
Begleitet wird er von seiner Band und einem 38köpfigen Orchester, das vom Produzenten des Albums, Trevor Horn (wir erinnern uns: Buggles) geleitet wird. Das letzte Lied des Konzerts: die Hymne, die fast so alt ist wie Williams selbst - "Video Killed The Radio Star", der Hit, der als erster Clip zum Start von MTV lief und damit eine neue Musik-Ära einläutete.
Robbies Show wird europaweit in Kinos, im Rundfunk und Fernsehen live übertragen. Kino- und Konzertkarten sind restlos ausverkauft, die PR-Maschine läuft so heiß wie Popcorn-Fett. Am 6. November kommt sein Album "Reality Killed the Video Star" in die Läden, einen Tag später sitzt Williams bei Gottschalk auf der Couch, spricht in Interviews offen über seine Drogensucht und Bühnenangst. PRO7 strahlt Dokumentationen über den schon totgeglaubten Sohn des Pop aus, Robbie grinst von Gratisblättern, die vergessen auf U-Bahnsitzen liegen, und aus dem Fernsehprogramm. Die wissen schon, wie´s geht, keine Frage.
Ich habe Robbie Williams schon damals gebeten, zu gehen und nicht wiederzukommen. Und er verschwand erstmal, tauchte in Jogginghosen und mit Bauchfett ab und zu kurz wieder auf, sah UFOs und glaubte an Marsmännchen, spielte quasi undercover in "Little Britain" mit, genoß Liebesglück und Entziehungskuren, doch das alles recht leise.
Und jetzt muß ich ihn wieder bitten, zu gehen. Ich sehe die Bilder von seiner Comeback-Show, fasse nicht, daß er nicht älter geworden ist, daß seine Stimme noch immer gleich klingt und sich plötzlich alles so anfühlt wie damals (nur, daß der HubbaBubba-Geschmack und die ganz große Hysterie verschwunden sind). Und ich will mir am liebsten die Augen zuhalten, damit ich nicht sehen muß, was als nächstes passiert. Weil ich nicht will, daß mich meine erste große Liebe doch noch enttäuscht.
Der wahrscheinlich wichtigste und schwerste Schritt eines jeden Superstars (sei es Schumacher oder Spears) ist der Schritt zurück. "Dann aufhören, wenn es am schönsten ist" sagt sich so leicht. Wer springt schon freiwillig von der Welle des Erfolgs ab, zieht sich in weiser Voraussicht aus dem dankbaren Scheinwerferlicht zurück? Täten sie, die Superstars, es früh genug, dann würden sie uns als solche in Erinnerung bleiben - und nicht als aufblitzende Slips, Quotenflops und einsame Vergessene, die wir erst zu ihrer Beisetzung wieder hochleben lassen. Robbie Williams und die Männer/Frauen (und Plattenfirmen - für EMI stellt er sicherlich auch einen letzten Rettungsanker dar) hinter ihm springen nicht von der Welle ab. Sie versuchen lieber, obenauf zu schwimmen und dem Mythos neues Leben einzuhauchen.
Doch die hämmernde Herzmassage wird nichts bringen, die Wiederbeatmung ist zwecklos. Die Linie liegt schon seit einigen Jahren flach und gerade da. Der Sinus kommt nicht mehr. Der Zeitpunkt steht fest. Laßt ihm seinen Frieden.
Die 23jährige Schwedin verführt mit Rehaugen, Zuckerwattestimme und dem Etwas-anders-sein. Ihr Debütalbum kann weder den Vergleich mit Feist noch mit Björk abschütteln, hat sich aber eindringlich und wimpernklimpernd in unsere Köpfe geschlichen.
Die vierköpfige Londoner Band um Charlie Fink zeigt sich auf ihrem neuen Album melancholisch ruhig: Elf Lieder erzählen vom Ende einer Liebe, von Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Trotzdem sind wir alles andere als verloren ...
Der schlimmste Feind eines Stars ist sein eigener Mythos - der Glanz vergangener Tage, der ihm nur noch als fahle Erinnerung anhaftet. Derzeit soll der der Mythos Robbie Williams mit viel Anstrengung wiederbelebt werden. Nina Lucia Groß nimmt seine neue CD "Reality Killed The Video Star" zum Anlaß, mit ihrer ersten großen Liebe abzuschließen.
Nach fünf Jahren Funkstille hören wir endlich wieder was von den Jungs aus dem hohen Norden. Mit ihrem neuen Album bringen sie ein wenig Wärme - und erklären uns die Welt und die Liebe.
Kommentare_
Ich würde in diesem affektierten Text lieber etwas über die musikalische Darbietung des Barden lesen; stattdessen verknüpfen die Metaphern ausschließlich das Leben der Rezensentin auf trivialer Ebene.
Um Himmels willen, Herr Hannes - Sie meinen, Sie haben tatsächlich noch nicht genug über Robbie Williams und seine Musik gelesen? Oder hat Ihnen die grauenhafte DJ- und Live-Musik bei den aktuellen Studentendemos das Herz für üble Sounds so richtig geöffnet? Jedenfalls: Bevor Sie mit plumpem Falter-Fremdworteinsatz wie "affektiert" und "trivial" um sich werfen, denken Sie nächstes Mal halt ein bißchen nach. Dann fällt Ihnen vielleicht auch ein, wie Metaphern ein Leben verknüpfen können ...
Bis dahin empfiehlt sich vielleicht schon in der goldenen Studentenzeit ein kleiner Schreibkurs. Meint: der Doc
. Was soll man über die Musik des Williams noch schreiben? Ist doch alles schon gesagt worden?! In diesem Beitrag steckt sehr wohl die Verbindung zum Leben der Autorin (aber sollen diese "Idole" nicht genau das erreichen : Ihre Fans begleiten, inspirieren und eine Identifikation zu lassen ?) , aber darüber hinaus auch das Bild der Vergänglichkeit und Kurzlebigkeit der sogenannten Superstars und die mühsame immer-wieder- Reproduktion schon vergessener und verblasster Mythen!