Stories_Reisebericht Zypern, Teil II
Die Einheimischen und die Krise
Im zweiten Teil des Zypern-Reiseberichts unterhält sich Klaus Hübner mit den Besitzern einer Taverne in Protaras und mit seinen AirBnB-Vermietern - allesamt direkte Leidtragende des Zusammenbruchs des hiesigen Kreditwesens. 12.06.2014
Zypern konfrontiert den Urlauber in der Nebensaison mit allerlei Ungemach: leere Tavernen, kaum frisches Essen, Hotelruinen und Geisterstädte, durch die der Wind pfeift, vor sich hinschimmelnde, unverkaufte Reihenhäuser. Noch dazu werden Sparguthaben enteignet, und die Jugend trauert dem verlorenen Wohlstand nach. Ein Stück Beinahe-Paradies findet sich dennoch - jenseits der EU-Außengrenze. Ein Lokalaugenschein von Klaus Hübner. Lesen Sie hier den ersten Teil: "Urlaub auf der Geisterinsel"
Taverne im Betonfriedhof: Athanasios (Name v. d. Red. geändert) und Gattin haben schon bessere Zeiten gesehen. Umso königlicher wird jeder Gast behandelt.
Tags darauf macht am frühen Nachmittag eine unauffällige Taverne an der Hauptstraße mit kleinen Tischen unter schattenspendenden Weinranken das Rennen. Wir sind die einzigen Gäste. Athanasios, ein graumelierter Einheimischer, führt den Laden gemeinsam mit seiner omahaften Gattin. Ihr Enkel, ein ausgewachsener, lächelnder Jüngling, hilft aus. Es sind überaus freundliche Leute. Sie verwöhnen uns mit Sonderbeigaben, die wir nicht bestellt haben. Sogar von den wenigen Papayas, die im Garten geraten sind, dürfen wir naschen. Und wir bekommen einen kleinen Sack Orangen Marke Eigenbau mit nach Hause.
Früher hätten die beiden ein tolles Restaurant in Famagusta gehabt, erzählt uns Athanasios. Aber dann kamen die Türken. Athanasios mußte fliehen, alles zurücklassen. Er baute sich in Ajia Napa mit staatlicher Hilfe eine neue Existenz auf; das Geschäft florierte und wuchs jahrzehntelang. Eines Tages im dritten Jahrtausend wurde ihm der Trubel zuviel, und er entschied sich für eine ruhigere Taverne in Protraras. Die Tavernen in den neu erschlossenen Touristengegenden konnten damals noch fix damit rechnen, daß die Bungalows, die rundherum aus dem Boden gestampft wurden, sich auch mit "Engländern" füllen würden. Diese Mieter oder Eigentümer hätten dann die Tische in Athanasios´ Taverne besetzen sollen. Aber das ging sich knapp nicht mehr aus. 2008 kam die Wirtschaftskrise, und mit ihr gingen die Gäste. 90 Prozent der Reihenhäuser, in denen sich die Kundschaft hätten ansiedeln sollen, blieben leer, die Hälfte überhaupt im bereits erwähnten Betongerippestadium hängen.
Von den Engländern, an die Zypern gewohnt war, kommen jetzt vielleicht noch fünf Prozent. Und die Russen, die heute zumindest pauschalangebotsmäßig nachziehen, verstehen Athanasios und die seinen nicht. An Ende wurden dem alten Mann von den 160.000 Euro, die er sich sein Lebtag lang erspart hatte, 60.000 Euro weggenommen - staatliche Enteignung, um Banken zu retten und EU-Rettungsschirm-Richtlinien zu erfüllen. Die Tränen darüber hat Athanasios bereits alle vergossen. Jetzt fügt er sich resignierend in sein Schicksal und überschüttet seine wenigen Besucher mit extremer Gastfreundlichkeit. Wenn nicht alle zwei Minuten Zweitakt-Quad-Bikes und Mini-Strandbuggys mit rotgebratenen russischen Teenagern vorbeidonnern würde, könnte wenigstens so etwas wie melancholisches Urlaubsgefühl mit bitterem Beigeschmack aufkommen. Uns bleiben nur Mitgefühl und Hilflosigkeit. Die Situation ist ausweglos verfahren.
Die Betongerippesiedlung, deren Bewohner die Taverne von Athanasios beleben hätten sollen
Am Abend desselben Tages ergibt es sich, daß wir erstmals seit unserer Ankunft mit unseren AirBnB-Vermietern ins Plaudern kommen. Jannis ist Mitte 30, seine Frau Anita, eine gebürtige Polin, etwas jünger. Sie haben in jener Zeit geheiratet, als in Zypern scheinbar noch alles in Ordnung war. Jannis hatte einen bestens bezahlten Job in der Immobilienbranche; er plante Golf- und Tennisplätze für die Luxussiedlungen an der Küste, hatte ein Motorboot und Partygeld wie Heu. Anita fand ebenfalls ein tolles Auskommen - als Hundefriseurin. In ihrer Mietwohnung in der Hauptstadt verbrachten sie die Wochentage und gingen zur Arbeit. Am Wochenende brachte sie der Range Rover nach Protaras ins Eigenheim am Meer, zum Feiern und Wakeboarden.
Geisterstädte aus Reihenhäusern und ausgehöhlte Hotels, zwischendrin läuft hier und da eine Sprinkleranlage. Vielleicht zehn Prozent der Häuser sind bewohnt.
2008 brach das alles zusammen. Jannis verlor seinen Job und mußte sein Boot verkaufen. Jetzt hat er bei einem russischen Hotelbetreiber als Wakeboard-Lehrer angeheuert, ein Halbtagsjob. Anita konnte ihren Job im Hundesalon zwar behalten, aber die Wohnung in Nikosia mußten sie aufgeben. Also pendelt Anita jetzt jeden Tag mehr als eine Stunde lang nach Nikosia und genausolang wieder zurück. Sie ist derzeit hauptverantwortlich dafür, daß die Raten für das Reihenhaus in Protaras noch bezahlt werden können. Ihre beiden Hunde, zwei gutmütige Riesenviecher, verbringen die Tage allein im staubigen Hinterhof. Sie freuen sich wie kleine Kinder über die geringste Zuwendung. Ins Haus dürfen sie nie, aber es riecht trotzdem intensiv nach Hund.
Einer der wenigen und gut vor Touristen versteckten Grenzübergänge zwischen der EU-Republik Zypern und der Türkischen Republik Nordzypern. Da darf man gleich einmal 20 Euro für die türkische Leihauto-Haftpflicht-Zusatzversicherung vorbereiten ...
Weil Anita das Geld besorgt, muß Jannis zum Ausgleich jedes Frühjahr einen eher unangenehmen Job übernehmen: Er hat den schwarzen Schimmel zu entfernen, der sich den feuchten Winter über innen an den Gipskartonwänden seinen Hauses großflächig ansiedelt. Da hilft nur Chlorbleiche, und dann muß neu ausgemalt werden. Ein wenig Kenntnis über die Art, wie diese Reihenhäuser gebaut sind, hilft zum tieferen Verständnis: Zuerst wird ein Betongerippe aufgezogen. Außen wird verputzt, innen werden auf die Betonwände dann die aus den mitteleuropäischen Dachausbauten bekannten Gipsplatten aufgeschraubt, die Kanten zugespachtelt und die Flächen schließlich mit Dispersion bemalt. Am Ende kommen Billigfliesen und eine Standard-Ausstattung der niedrigsten noch zumutbaren Kategorie hinein.
Nun ist Rigips aber ein reines Trockenbaumaterial und extrem ungeeignet für einen Bungalow an einer Küste wie jener Zyperns, die im Sommer sehr heiß und trocken, aber im Winter dauerfeucht und mitunter sehr kalt und stürmisch ist. Galoppierende Korrosion ist also vorprogrammiert; nach bestenfalls 15 Jahren ist so ein Häuschen sanierungs-, wenn nicht abbruchreif. Die Bauunternehmen, die den Wahnsinn hier verbrochen haben, taten dies im vollen Bewußtsein über ihren verantwortunglosen Pfusch. Sie müssen sich mit ihrem schnellen Geld wie Wall-Street-Banker gefühlt haben. Aber wer soll die chinesischen und britischen Investoren, deren Werbeschilder immer noch an den eingedrückten Zäunen der überwucherten Betongerippesiedlungen hängen, zur Rechenschaft ziehen?
Leere, unnütze, halbfertige Gebäude, so weit das Auge reicht: Auch die türkischstämmigen Zyprer sind der international finanzierten Baumafia aufgesessen.
So ist es also beschaffen um den Traum vom Eigenheim, der Anita nun dazu bringt, den leicht cholerischen Jannis zu ermuntern, sein neues Hobby - den Bau von Möbeln aus Euro-Holzpaletten - doch ernsthafter voranzutreiben. Man spürt die Anspannung in ihrer Gegenwart. Anita bringt ihr Maximum an Diplomatie auf, es fällt ihr nur in unbeobachteten Momenten sichtlich schwer. Aber zurück nach Polen? Das wäre trotzdem schlimmer - noch. Jannis ist seinen kruden Holzmöbeln auch durchaus ehrlich zugeneigt. Überhaupt ist seine Kompromißbereitschaft in den letzten paar Jahren immens gestiegen. Nur seinen Range Rover, ein Vintage-Modell mit 100-Liter-Tank, dem eine Fahrt durch kniehohes Wasser die Rücklichter irreparabel zerstört hat, würde er niemals hergeben.
Über den türkischen Norden sollte man in Jannis´ Gegenwart am besten überhaupt kein Wort verlieren. Die Türken sind für ihn "der Feind", mehr gibt´s darüber nicht zu sagen - nie im Leben würde er zu denen rüberfahren. Eines Tages wird er sich wieder ein Boot kaufen und eine eigene Wakeboard-Schule aufmachen, sagt er. Und dann wird er sich eine Yacht kaufen. Die muß mindestens zehn Meter lang sein, am besten 20, nein, 50. Luxus ist der Motor, der Jannis immer noch antreibt. Er hat von Kindesbeinen an nichts anderes gelernt.
Golden Beach, am obersten Nordostzipfel des türkischen Zypern. Griechen und Türken leben miteinander, die Natur hat noch eine Chance.
Unsere Neugierde für den türkisch besetzten Norden ist damit vollends entbrannt. Werden wir wenigstens dort noch etwas Natürlichkeit, Unberührtheit und Urlaubsfeeling bekommen?
Zur Fortsetzung ...
Kommentare_
Des is jo ois net woah do!
genau, alles erstunken und erlogen, am Strand von Lignano - der Klaus ist und bleibt ein alter Schizo ... oder er hat das nur im Drogenrausch geträumt und kriegt von der Russen-Mafia (die ja Auftraggeber war) eine Mille in kleinen Scheinen. Und die Meeresbiologen von "Ocean Care" stehen auch auf der Gehaltsliste der Paten ... ja, so wird's sein ... - die sind ja noch ärger fast, mit ihren Unterstellungen ...
Nobody is perfect ... Herr Hübner ist NOBODY und NOT PERFECT ;-)
@ Silvia: Ein Musterbeispiel für weibliche Logik ...
Gell, Fräulein Silvia, über den schwachen Gag haben Sie jetzt sicher ein paar Tage ganz viel nachgedacht. Ist trotzdem ein ziemlicher Blödsinn. Aber machen Sie sich nix draus, für die meisten Kommentarseiten reicht sowas problemlos aus.
Bleibt zu hoffen, daß die Realität für die Zyprer nicht auf ewig so trostlos bleibt.
...wegen dem ganzen negativen brauchst aber nicht bis Zypern zu fahren, gibts auch in AT oder D genug.