Stories_Plakativ: Public Enemy No 1 - Mordinstinkt/The Box/The Girlfriend Experience

Schau genau

Neu im EVOLVER: Filmplakate, von C. Franziska Richter kompetent beäugt und analysiert. Den Anfang machen die Poster zu den neuen Filmen von Steven Soderbergh, Jean-François Richet und Richard Kelly.    24.04.2009

Public Enemy No 1 - Mordinstinkt

 

Was wir sehen: Huch, da richtet jemand eine Waffe auf uns! Darüber der große Schriftzug: "Public Enemy No 1 - Mordinstinkt", sowie die Tagline "Wer von Waffen, Gewalt und Mord lebt, wird kaum in seinem Bett sterben. Jacques Mesrine."

Worum es augenscheinlich geht: Ein eiskalter Killer hat uns im Visier. Und er versteht keinen Spaß. Und vermutlich ist er auch darauf vorbereitet, daß jemand zurückschießt.

 

Worum es tatsächlich geht: Im Jahr 1959 kehrt Jacques Mesrine (Vincent Cassel) von seinem Einsatz im Algerienkrieg zurück. An Gewalt gewöhnt, verdingt er sich beim Unterweltboß Guido (Gérard Depardieu) als Handlanger. Er macht sich schnell einen Namen als brutaler Typ, der keinem Konflikt aus dem Weg geht. Mesrine selbst sieht Verbrecher nicht als Helden - doch im Kopf von seiner Vergangenheit verfolgt, fühlt er, daß er keine andere Wahl hat. Als er sich mit seiner Geliebten Jeanne Schneider (Cécile De France) zusammentut, um Banküberfälle zu begehen, verliert auch er die Kontrolle über die Situation, und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

Interessanterweise handelt es sich hier um eine wahre Begebenheit. Der echte Jacques Mesrine war in Frankreich auch als "Mörder mit guten Manieren" bekannt und wurde von der französischen Presse zu einem romantischen Helden verklärt. Da das Leben des Gangsters sehr viel Stoff bietet, kommt der Film als Zweiteiler daher. Der erste Teil trägt den Untertitel "Mordinstinkt", der zweite Teil "Todestrieb".

Zum Plakat: sehr provokant. Die Waffe wird direkt auf mich als Zuschauer gerichtet; der Blick des Mannes zeigt, daß er es ernst meint. Das Auge im rechten oberen Teil des Plakats ist ein absoluter Blickfänger. Aus der Werbepsychologie wissen wir, daß man sich der Wirkung von Augen kaum entziehen kann - wir versuchen, den Blick zu erwidern. Die Waffe macht neugierig darauf, warum der Herr scheinbar die Absicht hat, mich zu töten.

Deshalb lese ich auch noch einmal genauer nach - und stoße wieder an eine Grenze: Der Name Mesrine wird in Frankreich sicher einige Bedeutung haben, doch auch wenn der Mann praktisch weltweit "tätig" war, wage ich die Behauptung, daß er hierzulande nicht vielen Menschen ein Begriff ist.

In diesem Fall fände ich den Hinweis "eine Geschichte nach wahren Begebenheiten" oder ähnliches gut. Daß man hier keinen Dokumentarfilm erwarten kann, wird auch so klar - das Photo ist zu klar und gestellt, um der Realität entnommen worden zu sein. Typographie und Farbgebung sprechen eine deutliche Sprache, hier geht es nicht um Feinsinniges, sondern ums Grobe. Fast sieht das Plakat aus, als wäre es aus Zeitungsausrissen zusammengesetzt worden. Eine gute Wahl, die auch die mediale Facette zeigt - Mesrine gab außerordentlich gern Zeitungs-Interviews und veröffentlichte sogar ein Buch über sein Leben.

Vincent Cassel scheint ja so ein bißchen auf Gewaltfilme abonniert zu sein. Zumindest spielt er selten Charaktere, die ohne Gewalt (ob physisch oder psychisch) auskommen. Ich habe ihn zum ersten Mal in "Dobermann" kennen- und schätzen gelernt. Ein sehr charismatischer Typ, der dem Vorbild Mesrine sicher gerecht werden wird - ob das nun positiv ankommt oder nicht.



The Box

 

Was wir sehen: Cameron Diaz, die hier ein bißchen an Madonna erinnert, schaut ängstlich zur Seite. Ihr Gesicht wird von einem roten Farbstreifen durchstrichen, der zu einem gesichtslosen Mann mit Hut führt, der wiederum eine Art Schachtel oder Tasche in der Hand hält. Dazu die Zeilen "The Box - You Are The Experiment".

 

Worum es augenscheinlich geht: Cameron Diaz hat Angst vor der "Schachtel" der Pandora und was deren Inhalt für sie bedeuten könnte.

 

Worum es tatsächlich geht: Der neue Film von "Donnie Darko"-Regisseur Richard Kelly beschäftigt sich wieder mit menschlichen Abgründen. Das Mittelstandspaar Norma (Diaz) und James Lewis (James Marsden) bekommt eines Tages von einem Fremden eine schlichte Schachtel aus Holz. Diese enthält einen Knopf. Das Drücken dieses Knopfes, so erfahren die beiden, löst etwas aus: sie erhalten sofort eine Million Dollar. Doch da man eine solche Geldmenge nicht kriegt, ohne dafür eine Gegenleistung zu bringen, gibt es natürlich einen Haken: Gleichzeitig wird durch das Betätigen des Knopfes eine Person getötet, die die beiden nicht kennen. Und Norma und James haben die Box nur für 24 Stunden. Würdest du den Knopf drücken?

 

Zum Plakat: großes Kino. Nur durch ein Bild, einen roten Streifen und vier Worte wird hier eine ganze Geschichte erzählt. Der gesichtslose Mann hat mich sofort an die "Grauen Herren" aus "Momo" erinnert. Auch deren Auftreten war rätselhaft und unheimlich. Und selbst, als man ihre Motive erfuhr, führte das nicht zur Entspannung. Im Gegenteil - man fragte sich, wie man diesem Dilemma entkommen könnte.

Das Plakat ist gestalterisch ganz nach meinem Geschmack. Es enthält nichts Überflüssiges, die Stimmung wird durch Farben und Photos perfekt wiedergegeben, und auch die Tagline ist einfach genial, weil sie eine Geschichte startet. Tatsächlich ist das einzige, was mich an dem Plakat stört, das Erscheinungsdatum 30. 10. 2009. Zumindest solange muß ich noch auf diesen sehr fesselnd erscheinenden Film warten.

 

 

The Girlfriend Experience

 

Was wir sehen: Flimmerpunkte, hinter denen sich das Bild einer sehr attraktiven Dame mit Sonnenbrille und einem mehr als leicht geöffnetem Mund befindet. Dazu die Zeilen "Sasha Grey The Girlfriend Experience See It With Someone You ****

 


Worum es augenscheinlich geht: um käuflichen Sex.

Worum es tatsächlich geht: um käuflichen Sex. Und zwar um den von Sasha Grey (deren Darstellerin auf IMDB nur "Chelsea" genannt wird). Die bietet unter anderem als Service die sogenannte "Girlfriend Experience" an, bei der der Freier wie ein fester Freund behandelt wird. Dazu gehört beispielsweise auch Küssen, was ja sonst eher unüblich ist.

Sasha hat Spaß an ihrem Job, verdient gutes Geld und denkt, sie hat alles unter Kontrolle. Aber bei dieser Arbeit weiß man halt nie, auf wen man trifft ...

Zum Plakat: Daß eine "Girlfriend Experience" eine Sex-Dienstleistung ist, weiß ich nur zufällig, weil ich die Tagebücher von "Belle de Jour", einer recht bekannten Internet-Persönlichkeit, gelesen habe, die angeblich als Edel-Callgirl in London arbeitete und darüber in ihrem Blog schrieb.

Wenn man das nicht weiß, ist aber der Hinweis, sich den Film mit "jemandem anzusehen, den man *****" auch Hinweis genug, daß es hier nicht so romantisch zugeht wie in einer Liebeskomödie.

Das Bild und die Mimik der Dame sind auf jeden Fall spannend genug, damit man zweimal hinschaut. Was aber die Punkte symbolisieren sollen, ist mir noch nicht ganz klar. Eventuell zeigen sie, daß man immer nur einen Teil der Person kennenlernt, wenn man sich auf bezahlten Sex einläßt? Ich habe versucht, die Punkte wie bei einem 3D-Vexierspiel unscharf zu stellen, aber auch das brachte keine neuen Erkenntnisse.

So sind sie sicher ein interessantes Gestaltungselement, aber sind sie auch mehr als ein optisches Gimmick? Die Frage kann ich wohl nur nach dem Film beantworten, der übrigens von Steven Soderbergh gedreht wurde. Soderbergh hat als Regisseur einige Perlen ("Sex, Lies & Videotape", "Kafka", "Out Of Sight", "Solaris") gedreht und ist ein sehr mutiger Filmemacher, der sich auch an Experimentelles wagt, was leider schon zu einigen Gurken geführt hat - deren Ausgangspunkt durchaus genial war ("Full Frontal", "Ocean´s 12 & 13"). Außerdem wechselt er fliegend zwischen Mainstream-Kino und absolutem Independent-Film. Es wird sich also erst im Kino zeigen, womit wir es hier zu tun haben.

Was mich am Thema des Films stört, ist allerdings folgendes: Als Frau frage ich mich natürlich schon, warum es immer wieder Damen gibt, die hartnäckig behaupten, die Arbeit als Prostituierte (natürlich als "Edelhure") würde ihnen Spaß machen. Ich kann mir beim besten Willen niemanden vorstellen, dem ich das tatsächlich abnehme. Unter anderem deshalb, weil man sich seine Kunden in der Realität eben nur begrenzt aussuchen kann. Schade, daß nach "Belle de Jour" noch so viele andere Damen auf diesen Zug aufgesprungen sind und es mittlerweile wohl Menschen gibt, die an diese Realität nur zu gerne glauben. Trotzdem: Prostitution ist nicht mehr als eine notwendige Dienstleistung, die leider zu viele Frauen gezwungenermaßen ausüben müssen.

C. Franziska Richter

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