Columbo
Universal Pictures (2014)
35 Disks mit 5690 Minuten Krimivergnügen
Vor 50 Jahren schrieb ein derangierter kleiner Mann mit Glasauge und Trenchcoat TV-Geschichte: Ab 1968 zermürbte der von Peter Falk verkörperte listige Frank Columbo 35 Jahre lang ganze Mörderscharen mit provokanter Hartnäckigkeit. Dietmar Wohlfart erinnert an die beliebte Krimiserie. 20.02.2018
Wer den Namen "Columbo" hört, hat Peter Falk in seiner wohl bekanntesten Rolle sofort vor Augen.
Dabei durchlief die von Richard Levinson und William Link geschaffene Figur des scharfsinnigen Detektivs seit ihrem Fernsehdebüt am 20. Februar 1968 so manche Veränderung. Im Erstling "Mord nach Rezept" ("Prescription: Murder"), der ursprünglich nicht als Serienpilot angelegt, sondern Bestandteil von NBCs "Mystery Movie"-Reihe war, ermittelte Columbo noch ohne sein modisches Markenzeichen, den abgenudelten Trenchcoat. Auch seine später reichlich zur Schau gestellte Schusseligkeit und Unbeholfenheit in Fragen der Etikette fehlten noch. Lieutenant Columbo erwies sich zu Beginn seiner TV-Ermittlungen vielmehr als forscher, höchst unangenehmer Zeitgenosse, der sein ausgemachtes Ziel mit unverblümter Rücksichtslosigkeit angeht. Erst später sollten der Humor Einzug halten, Schrullen und Running Gags überhandnehmen.
Im kollektiven Bewußtsein hat sich jedenfalls das Bild des scheinbar arg zerstreuten Schnüfflers festgesetzt, der sein zerknittertes Äußeres als eine Art Tarnung einsetzt und die Gegner, die ihn durchwegs unterschätzen, gezielt in die Falle laufen läßt.
Geburtsstunde einer TV-Legende
Bereits die sieben Folgen umfassende erste Staffel lieferte Highlights mit Klassikerqualitäten – wie die von einem sehr jungen Steven Spielberg inszenierte Folge "Tödliche Trennung" ("Murder By The Book"), in der die einseitig forcierte Auflösung eines bis dato erfolgreichen Krimiautorengespanns todbringende Konsequenzen für den Kreativkopf des Duos nach sich zieht. Jack Cassidy mimte den dandyhaften Pseudoschriftsteller Ken Franklin und sollte in den Folgejahren noch als Buchverleger ("Schreib oder stirb", 1974) und Zauberkünstler mit NS-Vergangenheit ("Wenn der Schein trügt", 1976) mörderische Akzente setzen. Cassidys Auftritt als in die Enge getriebener Magier Santini wurde schließlich zu einem seiner letzten: Der New Yorker starb noch im selben Jahr den Feuertod infolge eines mutmaßlich selbstverschuldeten Brands in seinem Apartment.
Von Anbeginn wurde Columbo als unkonventioneller Underdog in klassenkampfartige Gefechte gegen Vertreter der High Society geschickt. Der billige Zigarren qualmende und einen zerbeulten Peugeot 403 steuernde Detektiv entfachte seine eigentümliche Wirkung gerade dann, wenn er Mitglieder der feinen Gesellschaft mit penetrantem Starrsinn in Psychospielchen verstricken konnte. So setzte er bereits in der ersten Staffel pensionierten Marineoffizieren, Kunstsammlern und Star-Architekten zu.
Auch "Mord mit der linken Hand" ("Death Lends A Hand") zählt zu den frühen Meilensteinen der Serie. Wieder ist Columbos Gegenspieler ein Mann von Welt, der mit scharfem Verstand und dünnem Geduldsfaden ausgestattet ist. Früh erahnt der Lieutenant die Schwachstelle des von Robert Culp gespielten Privatermittlers Brimmer und arbeitet sich konsequent daran ab. Zuletzt legt der verschlagene Inspektor einen Köder aus, den der zuvor emotional zermürbte Affekttäter schluckt und damit seinen Untergang besiegelt. Auch Culp lieferte sich in insgesamt drei hochklassigen "Columbo"-Episoden sehenswerte Kämpfe mit Peter Falk.
Wiederholungstäter
Aber Robert Culp war nur einer der Stars, die vom beharrlichen Herrn im Regenmantel in ihrer Funktion als Gewaltverbrecher gleich mehrfach zur Strecke gebracht wurden. Patrick McGoohan ("Nummer 6") schlug zwischen 1974 und 1998 sogar viermal als Gastmörder zu, wobei seine Darstellung eines bis zuletzt prinzipientreuen wie pedantischen Offiziers in "Des Teufels Corporal" ("By Dawn´s Early Light") als Glanzpunkt der vierten Staffel (1974-1975) erstrahlt. Je zweimal den Killer mimten George Hamilton und William Shatner. Zahlreiche weitere klingende Namen gaben sich über Jahrzehnte hinweg als charismatische Gegenspieler Columbos die Ehre: John Cassavetes, Ray Milland, Anne Baxter, Leonard Nimoy, Martin Landau, Donald Pleasence, Robert Vaughn, Oskar Werner, Janet Leigh, Rip Torn oder Faye Dunaway. Ein origineller Gegenpart kultivierte naturgemäß das Gesamtbild der jeweiligen Episode und ließ den kriminalistischen Aspekt zuweilen in den Hintergrund rücken. In den besten Momenten der Serie verschränkte sich aber die gelungene Konstruktion der Bluttat mit dem wohldosiert zwischen Raffinesse und Clownerie changierenden Columbo, der es wiederum seinerseits mit einem einfallsreichen Delinquenten zu tun bekam.
Schrulligkeit mit System
Dabei begleitete der Zuschauer das Geschehen aus der ungewöhnlichen Perspektive des Wissenden. Beinahe alle "Columbo"-Folgen verzichteten nämlich auf die traditionelle "Whodunit"-Struktur. An deren Stelle trat eine minutiöse Schilderung des Tathergangs, die den Mordfall einleitete. So stand nicht die Frage nach dem Wer und Warum, sondern nach der Art und Weise der Aufklärung und dem sich daraus entwickelnden Zweikampf höchst unterschiedlicher Gegenspieler im Vordergrund.
Die Folgen wurden stets auch durch die zahlreichen Marotten des Inspektors, seine sonderbaren Gewohnheiten und vermeintlichen Schwächen geprägt und bereichert: Columbos Regenmantel ist Legende. Sein klappriger Oldtimer läßt sich selbst mit viel Phantasie nicht im Neuzustand ausmalen. Der namenlose, chronisch träge Basset wirkt wie der radikal zugespitzte Gegenentwurf zum tierischen Polizeihelfer. Und Columbos Vorliebe für hartgekochte Frühstückseier, Chili und Zigarren ließe auf eine stark verkürzte Lebenserwartung schließen, wäre da nicht - Mrs. Columbo. Deren angenommene Existenz ist weder visuell noch akustisch belegt und basiert einzig auf den zahllosen Anekdoten ihres Gatten. Und doch ist sie eine Konstante, die den Charakter um eine wesentliche Facette bereichert. Die Dame (deren Vorname ein Mysterium bleibt) ist ganz offensichtlich sein fester Halt und Seelenpartner.
Unscharf bleibt hingegen die Grenze zwischen Columbos tatsächlichem Unvermögen und seinen bewußt eingesetzten taktischen Dreistigkeiten. Es erschließt sich nicht immer, wo die faktische Verwirrtheit endet und ein strategischer Winkelzug beginnt. So durchläuft Columbo gern Phasen der wahrhaftigen Tolpatschigkeit, um später aus einer selbstgewählten Position der Schwäche heraus durch ein verdecktes Manöver die Oberhand zu gewinnen. Die in den Wahnsinn getriebenen, fast schon bedauernswerten Übeltäter haben unweigerlich das Nachsehen. Ihr Niedergang ist schleichend und der systematisch eingesetzten, berüchtigten Lieblingstaktik Columbos zu verdanken.
"Just one more thing…"
Jeder kennt sie, die suspekten letzten Fragen des Inspektors. Columbo setzt diesen tückischen Nackenschlag konsequent ein. Eigentlich hat man ihn ja schon zur Tür hinauskomplimentiert, doch er kehrt unabwendbar und fast schicksalshaft zurück, um den Hauptverdächtigen mit einer nur scheinbar unverfänglichen Nachfrage zu überrumpeln, zu verunsichern oder schlichtweg zu entnerven. Es ist eine Zermürbungstaktik, die im Prinzip immer anschlägt, auch wenn vereinzelt beherzte Konter des verbrecherischen Gegenübers nicht ausbleiben - zum Beispiel in "Stirb für mich" ("Candidate For Crime"), einer Episode der dritten Season (1973) um den im Wahlkampf befindlichen Würdenträger Nelson Hayward (Jackie Cooper), der seinen unliebsamen Berater erschießt und die Tat als mißglücktes Attentat tarnt. Der dauerfreundliche Berufspolitiker erweist sich als besonders widerstandsfähig im Umgang mit dem provokant umständlichen Ermittler im Trenchcoat. Doch letzten Endes ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Hayward angesichts der nervtötenden Omnipräsenz Columbos den entscheidenden Fehler begeht.
Sympathy for the devil
Nicht nur Nelson Haywards gewinnende Art und tapfere Gegenwehr, sondern auch seine im Grunde genommen verständlichen Tatmotive machen ihn zu einem der sympathischeren Kriminellen im "Columbo"-Kosmos. Nachvollziehbare Beweggründe und liebenswerte Facetten reicherten die Charakterprofile diverser Gaststars an und verliehen ihnen eine gewisse Tiefenschärfe. An entsprechenden Paradebeispielen mangelt es in der langen "Columbo"-Historie nicht: Adrian Carsini (Donald Pleasence), Miteigentümer eines traditionsreichen Weinguts und Weinexperte von Weltrang, entledigt sich seines tumben jüngeren Bruders, der im Begriff steht, das Familienunternehmen zu verscherbeln. Der kleine Glatzkopf Pleasence ("Man lebt nur zweimal", "Gesprengte Ketten", "Halloween") macht aus Carsini, der sein Lebenswerk bedroht sieht und im Affekt handelt, einen Mörder, mit dem selbst Columbo gerne ein letztes Gläschen trinkt ("Wein ist dicker als Blut").
"Schwanengesang" ("Swan Song") markiert den Auftritt des Countryhelden Johnny Cash als Tommy Brown, einen von seiner zänkischen, bibelfanatischen Gattin erpreßten Schlagerstar. In ihm sieht der Inspektor einen Gefallenen, für den trotz der zweifellosen Schwere seiner Schuld Hoffnung besteht. Einen Sonderstatus nimmt Janet Leigh ("Psycho") als alternde Tänzerin und Filmdiva in "Tödliches Comeback" ("Forgotten Lady") ein. Trotz des von Columbo nachgewiesenen Mordes an ihrem ältlichen Ehemann bleibt ihr, die an Demenz erkrankt und sich ihrer Tat nicht mehr gewahr ist, das Gefängnis erspart.
Auch Clive Revill, der in die Rolle des trinkfreudigen und nie um einen Limerick verlegenen irischen Dichters und Rebellen Joe Devlin ("Waffen des Bösen") schlüpft, versprüht entwaffnenden Charme und liefert sich ein amüsantes Duell mit einem ebenfalls glänzend aufgelegten Peter Falk. Zugleich bildet "The Conspirators" das Staffelfinale der siebten Season – und setzt einen vorläufigen Schlußpunkt hinter die preisgekrönte NBC-Serie.
Spätes Comeback
Als die Serie 1978 eingestellt wird, sind sie und ihr Hauptdarsteller bereits hochdekoriert - unter anderem mit zehn Emmys und zwei Golden Globes. Nach zehnjähriger Absenz, mit 62 Jahren, schlüpft Falk dann in der nunmehr von ABC produzierten Reihe ab 1989 wiederum in den zerknitterten Trenchcoat und klemmt sich hinter das Steuer seines altersschwachen Peugeots. In der aus vier Kriminalfällen bestehenden achten Staffel bekommt es der alternde Detektiv mit mordenden Zauberkünstlern, Filmregisseuren, Sextherapeuten und Offizieren zu tun. Das Episoden-Quartett kann augenscheinlich nicht an die Qualitäten vergangener Tage anknüpfen, dafür fallen die Plots zu dünn und die Killer-Charaktere zu eindimensional aus. Doch kurzweilig sind sie allemal - und mit der anschließenden starken neunten Season (1989-1990) gelingt es gar, an glorreiche Zeiten anzuschließen. Den Staffelhöhepunkt bildet "Mord nach Termin" ("Agenda For Murder"): Staranwalt Oscar Finch (Patrick McGoohan) wird erpreßt, schreitet zur Tat und liefert sich in der Folge eine köstliche Auseinandersetzung mit seinem unermüdlichen Jäger. Der amüsante Clinch wird mit Emmys für Falk und McGoohan belohnt.
Schleichender Abstieg
Die letzten 14 Fälle des mittlerweile im Rentenalter befindlichen Ermittlers werden als Specials in unregelmäßigen, aber tendenziell immer größeren Abständen von 1990 bis 2003 ausgestrahlt. Vor allem die direkt an die abwechslungsreiche neunte Staffel anschließenden Episoden weisen ein stabiles Unterhaltungsniveau auf. So geben beispielsweise George Hamilton als aalglatter Sensationsreporter in "Der erste und der letzte Mord" ("Caution: Murder Can Be Hazardous To Your Health") und Rip Torn als von der Pleite bedrohter Juwelier in "Tödlicher Jackpot" ("Death Hits The Jackpot") vortreffliche Gegenspieler ab.
Spätestens ab Mitte der 90er Jahre sind Abnutzungserscheinungen und eine gewisse Einfallslosigkeit in der Konzeption aber unübersehbar. Zu diesem Zeitpunkt definiert sich der Reiz der Serie hauptsächlich in Wiedersehensfreude. Ermittlungstechnisch wird nicht mehr viel geboten, und Columbos Kaspereien wirken zusehends aufgesetzt und übertrieben. Die letzten drei Mordfälle präsentieren die legendäre Krimireihe in geradezu desolatem Zustand und sind in ihrer Fahrigkeit ein unrühmlicher Abschluß.
Falks Auslöschung
Die erschütternden Bildberichte, die 2008 publiziert werden, zeigen einen verwilderten, orientierungslosen 80jährigen, der durch die Straßen von Beverly Hills irrt. Wenig später bestätigen sich die Verdachtsmomente: Peter Falk leidet an rapide fortschreitender Demenz. Vor Gericht entbrennen daraufhin heftige innerfamiliäre Kämpfe um die Obsorge über den hilflosen Greis, dessen Erinnerung an seine berühmteste Rolle zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig erloschen ist.
Im Alter werden wir wieder zu Kindern - und vielleicht untermalte die inoffizielle Erkennungsmelodie der Serie, das Kinderlied "This Old Man", unterbewußt Peter Falks letzte Reise ins Vergessen. Falk starb mit 83 Jahren am 23. Juni 2011.
Redaktionelles PS: Falls Sie sich schon immer wegen Mrs. Columbo gewundert haben ...
Columbo
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