aus: Rokko´s Adventures #12
(erschienen im Dezember 2012)
Text & Interview: Rokko
Fotos: Klaus Pichler
"Ins Auto setzen und selber was machen - das war das Leben, das war ja a Hetz!" Walter Penk-Lipovsky ist Privatdetektiv und noch vom alten Schlag. Mit Rokko unterhielt er sich über Waffengebrauch, prominente Schützlinge und Legenden. 18.11.2013
Rokko´s Adventures ist - so steht es im Impressum - eine "unabhängige, überparteiliche sowie übermenschliche Publikation" und "setzt sich mit Leben, Kunst, Musik und Literatur auseinander". Der EVOLVER präsentiert (mit freundlicher Genehmigung) in regelmäßigen Abständen ausgewählte Beiträge.
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Walter Penk-Lipovsky ist der Doyen unter den österreichischen Detektiven. Seit Jahrzehnten im ersten Bezirk ansässig, hat er den Fall Lucona gelöst, Messerstechereien überlebt und so unterschiedliche Berühmtheiten wie Brigitte Bardot, Jörg Haider und Falco beschützt. Doch sein treuester Begleiter ist und bleibt sein Revolver.
Rokko traf ihn zum Verhör. Lesen Sie hier den ersten Teil des Protokolls.
Rokko: Steht man als Detektiv immer mit einem Fuß im Kriminal, etwa mit der Autoverfolgungsanlage?
WPL: Naja, es ist zum Teil nicht erlaubt, aber man muß es überwinden und tun. Die wirkliche Kriminalität is a wengal anders. Man muß manchmal sehr nah an der Grenze arbeiten, weil man sonst keinen Erfolg hat. Sonst sagt der Klient: "Heans, machen S´ an andern Beruf!" Das muß man in Kauf nehmen.
Rokko: Aber haben Sie schon einmal Probleme gekriegt wegen solcher Übertretungen? Wenn Sie irgendwo eine Kamera installiert haben?
WPL: Nein, hab´ ich noch nie. Wegen Geschwindigkeit ja, aber auch nicht tragisch. Ich hab´ wegen Langsamfahren noch kein Strafmandat gekriegt. [lacht]
Rokko: Wie ist das rein rechtlich: Angenommen, als Detektiv hat man jemanden anzuschießen oder zu erschießen ...
WPL: In Notwehr! Man kann sich rein theoretisch auch erschießen lassen, aber die Notwehr gilt wie für alle anderen. Das war nicht immer so. Ich kann mich erinnern, einmal hat ein Richter gesagt: "Warum sans ned davongrennt?" Völlig vertrottelt. Aber das war vor Jahrzehnten, das ist einem alten Kollegen passiert.
Rokko: Aber als Polizist hat man mehr ... Narrenfreiheit nenn ich das jetzt mal.
WPL: Naja, vielleicht hat man mehr juristische Hilfe. Da gab´s doch jemanden, der hat 15 Schuß abgegeben. Da muß ich ehrlich sagen, das kommt mir ein bissi sehr komisch vor. Selbst auf einen Narrischen oder Geisteskranken oder Hysterischen ... 15 Schuß - da stimmt was nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, daß da auch der Polizist hysterisch war.
Rokko: Sind Sie schon einmal in die Situation gekommen, in der Sie jemanden ...
WPL: Ich hab´ ein paar Waffengebräuche gehabt, ja. In Deutschland, als Personenschützer, da hab´ ich in der Jugend zwei nicht nur Zuhälter, sondern Schwerkriminelle ... die wollten mich erledigen, die haben sich amerikanische Sturmgewehre besorgt. Na, die wollten mich halt umbringen, und da mußte ich reagieren. Dann gab´s noch einen Fall, das ist auch schon wieder 25 Jahre her, das war im Prater. Ein Jugo, der mich mit einem Messer angegangen ist, wie ich grad beim Parkplatz in der Nähe vom Riesenrad zwischen Autos gegangen bin. Ich war gar nicht beruflich unterwegs, aber der hat geglaubt, ich suche ihn, und ist mit einem Riesenmesser gekommen. Die Autos standen so knapp beieinander, daß ich keine Möglichkeit hatte, auszuweichen. Den hab´ ich in den Bauch geschossen, und der ist nach drei Wochen Gott sei Dank pumperlg´sund wieder gewesen. Ich wurde nicht angeklagt, in dem Sinn. So Dinge passieren einem.
Rokko: Und die Zuhälter in Deutschland?
WPL: Die sind beide gestorben. Ja, der eine gleich, der andere ein wenig später. Ich war kein Held, ich hab´ Angst gehabt - ich wollt´ leben! Ich wurde auch nicht angezeigt, nichts, das war reine Notwehr. Eine Zeitlang tut´s einem dann seelisch ... das arbeitet halt nach, aber da kann man nix machen.
Rokko: Sind Sie auch schon einmal schwer verletzt worden?
WPL: Nein. Das einzige war ein Bauchstich in Hamburg, vier Zentimeter hinein. Das ganz Komische ist, ich wurde röntgenisiert, und der Arzt sagt: "Wissen Sie, Herr Penk-Lipovsky, der Bauchstich ist völlig harmlos, aber ich hab´ eine Neuigkeit für Sie: Sie haben sieben große Gallensteine." [lacht] Da hab´ ich gestaunt! Sieben pokerwürfelgroße Gallensteine! Und der Hausarzt in Wien hat mich wegen Gastritis betreut. Da war ich 29 Jahre und hab´ gestaunt.
Rokko: Und wahrscheinlich den Hausarzt gewechselt! [lacht]
WPL: [lacht] Ja, der hat mich nicht mehr gesehen!
Rokko: Eine Sache, die Detektive dürfen, ist "Legenden" zu erzählen, sie müssen nicht die Wahrheit sagen.
WPL: Ja, wir lügen nicht, wir sagen dazu "Legende". [lacht] Aber wir dürfen uns nicht als Kriminalbeamte erklären, so wie die Kriminalbeamten nicht behaupten dürfen, sie wären keine. Aber ich bin ein Leser, hab´ dreieinhalbtausend Bücher zu Hause, und habe mich auch mal als Buchlektor ausgegeben, um zu recherchieren. Das darf man schon, aber es muß passen.
Rokko: Wenn Sie Informationen von einem Arzt oder Gerichtsmediziner brauchen, ist das wahrscheinlich schwieriger als für einen Polizisten. Erstens, weil die das gar nicht weitergeben dürfen, zweitens, weil das Vertrauen vielleicht fehlt.
WPL: Früher war es möglich, aber heute ist es dermaßen schwierig, quasi unmöglich. Vor zwölf Jahren sind zehn Detektive angezeigt worden - ich auch. Wir haben eine Gerichtsverhandlung gehabt, weil wir durch Polizisten interne Informationen gekriegt haben, die eigentlich nicht für uns gedacht waren. Bedingt, es ist niemand eingesperrt worden, aber trotzdem. Jetzt ist es viel schärfer. Die einfachen, guten Informationen, die man ehrlicherweise aus dem Beruf braucht, gibt´s nicht mehr. Die großen politischen Gaunereien, die gibt´s noch, ja, große Schweinereien gibt´s. Kleine Hilfe von Beamten zu Detektiven und umgekehrt - ich hab´ ja der Polizei auch geholfen -, die gibt´s nicht mehr. Die Kooperationen waren früher viel stärker und die Preise billiger - heut kann man fast nichts mehr zahlen. Ich wollte unlängst eine geheime Telefonnummer knacken und hab´ mich erkundigt bei einem - der wollte 650 Euro. Das ist zu viel. Da hab´ ich zur Klientin gesagt: "Lossen S´ des."
Rokko: Was hat das früher gekostet?
WPL: Mein Gott na, auf Schilling gedacht, vielleicht 300 Schilling. Früher waren die schönen, schnellen Geschäfte Ehesachen. Ich hab´ auch für Banken sehr viel Adressermittlungen, Dienstgeberermittlungen gemacht. Ich hab´ unlängst ausgerechnet, daß ich in meinem Leben 178.000 Adressermittlungen für Banken gemacht hab´. Die haben aber damit aufgehört. Die haben diese ganzen Schulden an ausländische Firmen gegeben, und dadurch war dieses Geschäft weg.
Der normale, bescheidene Detektiv hat fast immer nur Ehesachen. Der hat Wohnung und Büro in einem, seine Frau rührt den Kochlöffel um und hebt´s Telefon ab.
Rokko: Hat sich etwas gravierend geändert in der Auftragslage - oder waren und sind Ehesachen immer das Hauptgebiet?
WPL: Die Aufträge wurden weniger - und zwar bei allen, nicht nur bei mir, das hat sich geändert! Ich hab´ einmal 23 Mitarbeiter gehabt.
Rokko: Was waren denn Ihre prominentesten Fälle?
WPL: Also der Fall, wo andere sich ein bissl produziert haben, war die Lucona. Den Betrug vom Udo Proksch, den hab´ ich mit meinem Mitarbeiter Dr. Schuster im Jahre ´78 geklärt, und dann hat mir der Dr. Masser von der Versicherung gesagt: "Machen S´ keine Pressekonferenz!" - wollt´ ich nämlich. Ich hab´ leider keine Pressekonferenz gemacht - heute würd´ ich´s tun, ist eine gute Werbung. Da haben sich andere produziert, und ich war zu bescheiden - leider.
Rokko: Wie sind Sie auf den Fall Lucona überhaupt gekommen?
WPL: Ich wurde von der Rechtsanwaltskanzlei von der Ersten Allgemeinen Versicherung engagiert, weil das Schiff untergegangen ist. Und statt daß ich dann noch nach China usw. bin, haben sie einen Pseudodetektiv mit 14 Vorstrafen genommen, einen Bluffer.
Und dann war für mich immer am Schönsten der Personenschutz. Curd Jürgens zum Beispiel. Der war zwar einen Kopf größer als ich, aber hat sich trotzdem von mir beschützen lassen. [lacht] Der hat gehabt einen ganz neuen Rolls. Und er hat mir erklärt, wenn man Curd Jürgens heißt und einen neuen Rolls hat, dann wird man betrogen. Zum Beispiel war er Ölwechseln, und der Rolls hat mit dem Filter neun Liter Öl - das ist ein Elefant. Da haben S´ ihm zwei Liter abgenommen, zwei Liter nachgefüllt und neun gerechnet. Sein Haus am Franziskanerplatz, da hat ihm der Architekt bei der Renovierung zwei Aufzüge verrechnet - es war aber nur Platz für einen Aufzug. Das muß man sich vorstellen! Curd Jürgens war an der Côte d´Azur, und die haben sich gedacht: "Ah, da geht ein zweiter kleiner Aufzug hinein!" Von vielen Berühmtheiten, die ich beschützt habe, habe ich solche Stories gehört.
Rokko: Jörg Haider haben Sie auch einmal beschützt.
WPL: Meistens meine Leute, weil wir viele gebraucht haben. Ich hab´ mit der FPÖ hier geredet, die haben einen karenzierten Polizeiinspektor gehabt, und der hat immer angerufen: "Herr Penk, i brauch no fünf Leut!" Ich hab´s geholt bis aus dem Burgenland, und wir haben das zusammengebracht. Nachher hat die Sekretärin acht Anzüge in die Wäscherei tragen müssen, weil die voll waren mit Eiern, die wurden nur beschossen! [lacht]
Der Strache hat heute Leute, da schau´ ich weg, das sind billige von Wach- und Schließgesellschaften. Einer, der war bei mir tätig und den hab´ ich fristlos rausgehaut, weil er so einen schönen Charakter hatte. [lacht] Wirklich ein Arschloch, und ich bin nicht der einzige, der das sagt.
Rokko: Einmal haben Sie auf Falco aufgepaßt.
WPL: Ja, Falco fuhr mit zwei Detektiven von der Donauinsel weg. Ich muß dazusagen, er war ja ein Genie, er war ja wirklich kein Prolet, sondern ein genialer Mensch - aber auch schwierig. Er hat zwölf Stunden mit uns - wir mußten ihn ja begleiten - nur die miesesten Gürtellokale von damals, also die elendsten, schiachsten Lokale besucht und insgesamt 35 Cuba Libre getrunken. Er ist alle dreiviertel Stund, Stund aufs Klo gegangen und hat die Nase vollgezogen mit Kokain - gemma weiter!
So gescheit er war und so toll seine Texte sind, als Klient war er ein echtes Problem.
Rokko: Wahrscheinlich war er von Natur aus schwierig - und auf Koks wird man ja auch ein Arsch.
WPL: Ja, erstens das Kokain plus die enormen Getränke - das hat ihn dann noch sehr exzentrisch gemacht. Er hat ja gewechselt: Es gab Zeiten, da hat er nichts getrunken, nichts geraucht, sondern Bodybuilding und so - und dann wieder umgekehrt. Das war sein Charakter. Er war ein Problemkunde, wobei ich ihn nach wie vor bewundere.
Aber grad find ich alles ... ein bissi fad. [lächelt]
Rokko: Aber es passieren doch immer wieder spannende Sachen!
WPL: Naja, solang man selber noch draußen ist, ist alles anders.
Rokko: Seit wann sind Sie nicht mehr draußen?
WPL: Ich hab´ mit ungefähr 50 aufgehört - es war zuviel zu tun mit 23 Leuten und drei Sekretärinnen. Da kann man nicht weggehen: "Na, ohne Chef könnma nimma weiter tun." Das war schwer! Die stickige Luft - Sie verstehen, was ich mein´. Ins Auto setzen und selber was machen - das war das Leben, das war ja a Hetz! Ich bin jetzt zu alt dafür.
Die Detektive, die ich angestellt hab´ - Freiberufler sind auch dabei -, sind draußen und verdienen dort ihr Geld. Die sind jung und froh, wenn sie nicht im Büro sitzen müssen und Aufträge haben. Der eine ist 38, einer, der lernt erst, der ist 23 und Jus-Student. Einen haben wir, der ist 64, der war bei der Polizei, der ist Regierungsrat und freier Mitarbeiter.
Fortsetzung folgt ...
aus: Rokko´s Adventures #12
(erschienen im Dezember 2012)
Text & Interview: Rokko
Fotos: Klaus Pichler
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