aus: Rokko´s Adventures #12
(erschienen im Dezember 2012)
Text & Interview: Rokko
Fotos: Klaus Pichler
Walter Penk-Lipovsky ist der Doyen unter den österreichischen Detektiven. Seit Jahrzehnten im ersten Bezirk ansässig, hat er den Fall Lucona gelöst, Messerstechereien überlebt und so unterschiedliche Berühmtheiten wie Brigitte Bardot, Jörg Haider und Falco beschützt. Doch sein treuester Begleiter ist und bleibt sein Revolver. Rokko traf ihn zum Verhör. 11.11.2013
Rokko´s Adventures ist - so steht es im Impressum - eine "unabhängige, überparteiliche sowie übermenschliche Publikation" und "setzt sich mit Leben, Kunst, Musik und Literatur auseinander". Der EVOLVER präsentiert (mit freundlicher Genehmigung) in regelmäßigen Abständen ausgewählte Beiträge.
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Herrengasse im Stadtkern von Wien. Direkt gegenüber vom Innenministerium befindet sich der Gebäudekomplex, in dem auch Walter Penk-Lipovskys Büro ist. Im Foyer des historischen Baus sitzt ein Portier, der einem den Weg weist. Kommt man nach ein paar Stiegengängen bei der Haustür der Detektei an und läutet, wird einem nach Namensnennung und Terminkontrolle die Pforte geöffnet.
Sekretärin Michaela bittet ins Wartezimmer, dessen Wände gefüllt sind mit Zeitungsartikeln und Photos aus den vergangenen Jahrzehenten. Freundlich wird Kaffee angeboten, man nimmt auf einem der bequemen Sessel Platz. Nach kurzer Zeit öffnet sich die Tür des Besprechungszimmers, und der routinierte Penk-Lipovksy tritt auf. Einen kräftigen Händedruck später weist er einen auf einen bestimmten Sessel, den die Klienten in den letzten Jahren zum angenehmsten erkoren haben. Anfangs sollte Penk-Lipovksy mir Fragen stellen, aber keine klischeehaften, sondern eher ungewöhnliche - wahrscheinlich, um seinem Gegenüber auf originelle Weise auf den Zahn zu fühlen.
Walter Penk-Lipovsky, im Februar 1939 zur Welt gekommen, ist noch vom alten Schlag, stets charmant und mit nasal gefärbter Wiener Sprechweise. Ein süffisantes Lächeln steht ihm ins Gesicht geschrieben, selbst wenn er von seiner frühen Kindheit - den Weltkriegsjahren - erzählt, die geprägt sind von Armut, Hunger und dem Tod von fünf seiner Familienmitglieder, darunter dem seines Vaters. Understatement bestimmt seinen Duktus, und bescheiden fragt er: "Gibt´s überhaupt noch Fragen?" Und ob.
Rokko: Der Tod ist Ihnen also schon als Kind sehr nahegekommen.
Walter Penk-Lipovsky: Oft, ja! Ich bin daher von den Großeltern adoptiert worden und in der Taborstraße, also leider in der Russenzone in Wien, aufgewachsen. Das war schon eine harte Zeit. In der Russenzone war ungeheurer Typhus. Meine ganze Restfamilie hat Typhus gehabt. Es gab wirklich wenig zu essen. Wir haben manchmal durch Bekannte am Land Erbsen gekriegt. Die mußte man über Nacht einmal im Wasser lassen, damit die Würmer rauskommen und dann mit Essig - Butter hat es keine gegeben - mit ein bissi Essig kochen und essen. Man hat sich auch nicht immer getraut zu sagen, man hat Hunger, weil man wußte, es gibt nichts zu essen. Ich hab´ ghabt mit sechs Jahr 20 Kilo - damit is olles gsagt.
Aber die Situation nach dem Krieg war, soweit ich mich als Kind bzw. Halbkind erinnere, positiv. Die Manieren waren besser, die Frauen waren weiblicher, die Männer männlicher. Das war erstaunlich, wie gerne die Leute gelebt haben, weil sie den Krieg überlebt haben.
Rokko: Wann ist Ihre Entscheidung gekommen, Detektiv zu werden? Sie haben Mitte 20 damit angefangen.
WPL: Ich bin nach der Matura sofort nach Hamburg-Blankenese und hab´ die Marineschule gemacht, war dann drei Jahre zur See. Ein Überlebender, ein Kamerad meines Vaters, hat mich gefragt: "Möchtest du immer Schinakel fahren?" - und dann hat er mir verschafft ein Stipendium von der Ford-Stiftung, und ich bin nach Toronto. Dort hab´ ich gemacht den Bachelor in Kriminologie und den Master in Europäischer Zeitgeschichte, bei jüdischen Professoren, hochinteressant! Aber in Österreich hat noch niemand einen mit Zeitgeschichte gebraucht, das war nichts wert, und dann hat mich irgendein Manager aufgeangelt. Da kam ich in ein Trainee-Programm: zuerst ein halbes Jahr Schallplatten verkaufen und und und. Dann hab´ ich ein paar Prominente kennengelernt - und mit der Betreuung kam Personenschutz. So bin ich ganz nahe an den Detektivberuf gekommen. Detektei hat mich nicht sehr interessiert, aber Bodyguarding!
1973 gab es dann die Regelung: Personenschutz gehört der Detektei, und der Hausschutz gehört den Bewachungsfirmen. Da war ich also dazwischen, jetzt habe ich die ziemlich schwierige Detektivprüfung gemacht. Damals war das Geschäft gut, aber das hat sich mittlerweile sehr geändert. Seit ungefähr sieben Jahren ist die Krise in unserem Beruf weltweit. Die Leute haben kein Geld, und Observationen kosten eben Geld. Wenn ein dunkelblauer Opel Vectra dauernd hinter ihnen fährt - des geht eben ned! Man braucht mindestens zwei Detektive und zwei Autos, und dann rennen die Stunden dahin - und das kostet. Die Leute haben das Geld nicht oder sie sind zu geizig, das gibt´s auch.
Rokko: Trotzdem haben Sie jetzt neun Detektive und zwei Sekretärinnen angestellt - und ihre Detektei überlebt bereits seit 1973. Warum haben Sie sich damals selbständig gemacht?
WPL: Ich bin in vierter Generation selbständig. Wir sind eine Familie von Selbständigen. Ich bin kein guter Angestellter, weil ich es so ernst nehme. Ich mache lieber das, was ich selber will, so ähnlich vielleicht wie manche Journalisten. Oder mir gefallen zum Beispiel Taxifahrer, die auch einen Hauch Freiheit haben. Wenn ein Taxifahrer für seine Freundin oder seine Frau etwas einkaufen will, dann kann er das unter der Dienstzeit machen. Auch, wenn er einmal baden gehen will oder eine Stunde Schachspielen im Kaffeehaus, naja, dann macht er das halt! Arbeitet dann eine Stunde länger - na, ist doch witzig! Man darf auch selber fleißig sein - oder einmal auslassen. Ich kann mich erinnern, wenn mir einmal das Büro zuviel war - und das gab´s, weiß Gott - bin ich gegangen ins Ambassador auf der Kärntner Straße, zwei Marlboro und eine Melange - und ein paar herrliche Weiber gesehen, weil damals sind wirklich noch schöne spazieren gegangen! [lacht] Ja, heute siehst du ja nur Lastautos, das Hotel Ambassador gibt´s nicht mehr - das ist alles vorbei.
Rokko: Wie sieht der Alltag eines Detektivs aus?
WPL: Ich stehe um sechs in der Früh auf - nicht gern, aber 40 Jahre lang, weil ich immer Hunde hatte: Dobermänner, Boxer, usw. Ich liebe Hunde, so wie manche Leute, die mehr Geld haben, Pferde lieben. Dann gehe ich ins Büro, ich wohn´ nur 100 Meter weiter. Die Arbeit eines Selbständigen ist, glaub´ ich, überall gleich: Man diktiert Briefe, man schaut, was funktioniert, was nicht funktioniert, bespricht mit den Mitarbeitern. Ich glaub´, daß ein Baumeister oder ein Architekt nicht viel anders arbeitet - glauben Sie?
Rokko: Das Metier ist ein anderes.
WPL: Naja, aber wir sind schon sehr bürgerlich. Es gibt natürlich ab und zu gewisse Risken, aber das kann ich schwer beurteilen. Mein Großvater war ein Architekt, und die Arbeit war ähnlich.
Rokko: Sie schreiben zum Beispiel, daß Detektive Waffenträger sind.
WPL: Ich kenn´ keinen, der keine Waffe hat.
Rokko: Ohne welche Instrumente geht ein Detektiv nie außer Haus? Oder hängt das von persönlichen Vorlieben ab?
WPL: Mein Gott, ich bin alt und hab´ natürlich noch die Vorliebe für Revolver. Für den Schutz der eigenen Person genügen sechs Schuß. Bei Personenschutz für andere braucht man, wie ich immer gerne sag´, vü Kugerln. Da braucht man Pistolen. Ich glaub´, daß die Glock sehr beliebt ist, weil´s preiswert ist und ein guter Puffer.
Ich hab´ seit meinem 16. Lebensjahr eine Waffe. [lacht] Aber nix ang´stellt damit. Das war die Nachkriegszeit, da war die Mentalität anders. Es war nix Kriminelles, aber man hat ein Angebot kriegt und einen Puffer kauft.
Rokko: Sind Sie auch kampfsporterprobt?
WPL: Von 15 bis 18 war ich beim Europameister lernen, nicht berühmt, aber ich hab´ einmal die Neulingsmeisterschaft gewonnen. Aber um das geht´s nicht, weil die richtigen Gauner aus den Bezirken, die können ganz andere Sachen. Na, der nimmt an Glasscherben und schneidt dir den Schädl ab! Der braucht gar nicht boxen. Die brauchen keine Sportart, samma uns ehrlich, das ist ja ein Scherz!
Rokko: Was gehört noch zum Standard?
WPL: Auto. Früher gab´s Dienstautos, heute hat jeder sein eigenes; es gibt ja Kilometergeld, und das mag jeder verdienen. Gewisse technische Dinge, manche haben eine Autoverfolgungsanlage - ein kleines Gerät, das man mittels eines Magneten auf der Unterseite eines Autos befestigt, und dann kann man den orten. Kamera. Am besten ist, wenn man mit eigenen Geräten arbeitet. Funk hat jeder, ist klar, jeder hat zwei, drei Funkgeräte - das ist das Minimum.
Fortsetzung folgt ...
aus: Rokko´s Adventures #12
(erschienen im Dezember 2012)
Text & Interview: Rokko
Fotos: Klaus Pichler
Es gibt nicht nur Puffs und Swingerclubs, sondern auch die freie Wildbahn: geheime Sexorte im öffentlichen Raum, wo man sich selbst aktiv betätigen oder als Voyeur in Erscheinung treten kann. Diese Plätze zu finden erfordert Zeit, Geduld - und im besten Fall Anstand. Rokko führte ein Gespräch mit einem, der den Wiener Dschungel schon seit Jahrzehnten durchkreuzt.
Dr. Stanley Burns hat sich in seinem unauffälligen Sandsteinhaus in Manhattan seine eigene Sammlung geschaffen, in der er arbeitet, lebt, und atmet. Darin zu finden: mehr als eine Million historische Photos aus existentiellen, medizinischen, kriegerischen und kriminellen Prozeduren, die die menschlichen Entwicklungen von 1850 bis 1950 schonungslos dokumentieren - und damit auch die Gegenwart sowie zukünftige Entwicklungen bzw. Dummheiten besser begreifbar machen.
Freddy Quinn, ein internationaler Star, der zu Journalisten ein distanziertes Verhältnis pflegt, sich mit seiner Kunstfigur von der Außenwelt abschottet, seine Frau öffentlich nur als "meine Managerin" siezte, ist im September 2016 ganze 85 Jahre alt geworden. Ein exklusives Fest mit einstelliger Gästelistenzahl im geheimen Szenelokal? Falsche Fährte. Gefeiert wird mit Liptauerbrot und Dosenbier in einem Gemeinschaftsraum im Wiener Wohnpark Alt-Erlaa, den das Pensionistenehepaar Brigitta und Eduard Klinger gestaltet.
Wo hat Rokko das erste Mal Country Teasers quengeln, Sleaford Mods fluchen, Amanda Whitt wüten, Steel Pans im Getümmel bei einer West Indian Day Parade gehört? Nicht draußen - und nicht im Wohnzimmer eines Vertrauten, sondern auf WFMU. Dieser Radiosender funktioniert aber im Grunde genauso: als würde man daheim bei einem Haberer sitzen, der einem seine Lieblingsplatten vorspielt.
Wenn etwas weggeschmissen wird, heißt das nicht, daß es weg ist. Erst dann fängt nämlich ein interessanter Verwertungsprozeß an, der auf mehreren Ebenen funktioniert. Diesen Vorgang wollte sich Team Rokko genauer ansehen.
Preisfrage: Was haben Mike Tyson, Nikola Tesla und Willy Brandt gemeinsam? Richtig: allesamt Taubenzüchter. Team Rokko hat für Sie einige spannende Geschichten zum Thema "Männer, ihre Vögel und die Pigeon Fancier Convention in Blackpool" auf Lager. Fliegen Sie mit ihm los!
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